Leitsatz (amtlich)

Zu den üblichen Zuwendungen aus Anlaß einer Betriebsveranstaltung, die nicht als Arbeitslohn anzusehen sind, kann auch eine vom Arbeitgeber überlassene Theaterkarte gehören, wenn der Theaterbesuch Bestandteil des Gesamtprogramms einer Betriebsveranstaltung ist.

 

Orientierungssatz

1. Auf herkömmlichen Betriebsveranstaltungen gewährte übliche Zuwendungen sind --auch, soweit sie die 50 DM-Freigrenze des Abschn. 20 Abs. 1 LStR übersteigen-- nicht als steuerpflichtiger Arbeitslohn anzusehen (Festhalten an BFH-Urteilen vom 22.3.1985 VI R 170/82 und VI R 82/83).

2. Die Überlassung einer Theaterkarte an einen Arbeitnehmer wird regelmäßig eine durch das individuelle Dienstverhältnis veranlaßte Sonderzuwendung darstellen, die als zusätzliche Frucht der Arbeitsleistung und deshalb als steuerpflichtiger Arbeitslohn anzusehen ist. Dies gilt auch, wenn vielen oder allen Arbeitnehmern vom Arbeitgeber eine Theaterkarte geschenkt wird, da die spielplanmäßige Theateraufführung dadurch nicht zu einer betrieblichen Veranstaltung des Arbeitgebers wird.

 

Normenkette

EStG 1977 § 19 Abs. 1 Nr. 1; LStR Abschn. 20 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, veranstaltete im Jahre 1977 einen Betriebsausflug in das ca. 35 km entfernte M, an dem 43 Personen, davon 41 Arbeitnehmer, teilnahmen. Sie trug die dabei entstandenen Kosten der Omnibusfahrt sowie für einen Gaststätten- und einen Theaterbesuch. Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, der auf die beteiligten Arbeitnehmer entfallende Anteil der Aufwendungen sei als geldwerter Vorteil der Lohnsteuer zu unterwerfen, da die in Abschn.20 Abs.1 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1975 festgelegte Freigrenze von 50 DM pro Person um 4,30 DM überschritten worden sei. Die nachzuerhebenden Lohnsteuer- und Kirchenlohnsteuerbeträge errechnete er unter Anwendung eines Pauschsteuersatzes von 25 v.H. (§ 40 Abs.2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Sachzuwendungen der Klägerin anläßlich des Betriebsausfluges seien steuerpflichtiger Arbeitslohn gewesen, da es sich nicht lediglich um übliche Zuwendungen von geringem Wert (sog. Annehmlichkeiten) gehandelt habe. Als geringwertig in diesem Sinne seien auch für das Streitjahr 1977 nur solche Beträge anzusehen, die insgesamt die Freigrenze von 50 DM nicht überschritten. Wie die Aufwendungen in den Vorjahren 1975 und 1976 von 24,38 DM bzw. 28,66 DM je Teilnehmer zeigten, hätte auch im Streitjahr eine Betriebsveranstaltung mit anteiligen Kosten unter 50 DM durchgeführt werden können. Daß ein geringfügiges Überschreiten der Freigrenze von 50 DM bei Betriebsausflügen im Zweijahresturnus unschädlich sei (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10.September 1965 VI 90/65, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1966, 81), stehe einer Besteuerung im Streitfall nicht entgegen. Jedenfalls könne keine Verrechnung mit Beträgen vorgenommen werden, um die die Freigrenze in den Vorjahren unterschritten worden sei.

Mit den Aufwendungen für die Theaterkarten sei jedem einzelnen Betriebsangehörigen ein konkreter, durch den Eintrittspreis bestimmbarer Vorteil zugeflossen. Deshalb könnten diese Kosten nicht wie Aufwendungen für die Gesamtheit der Arbeitnehmer (Saalmiete, Honorar für Musiker, Kosten einer Tombola, vgl. BFH-Urteil vom 26.August 1966 VI 248/65, BFHE 86, 783, BStBl III 1966, 659) ausgeschieden werden. Gleiches gelte für die Bewirtungskosten. Ob diese gemäß § 8 Abs.2 Satz 2 EStG mit den Werten der Sachbezugsverordnung anzusetzen seien, sei zweifelhaft. Die Vorschrift sei jedenfalls nicht anzuwenden, da sie erst ab 1.Januar 1978 gelte. Die Fahrtkosten seien ebenfalls als geldwerter Vorteil zu beurteilen.

Mit der Revision rügt die Klägerin unter Berufung auf die neuere Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 22.März 1985 VI R 170/82, BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529, und VI R 82/83, BFHE 143, 550,BStBl II 1985, 532) Verletzung materiellen Rechts. Gerade bei einem mittelständischen Unternehmen bestehe ein besonderes Interesse des Arbeitgebers an der Durchführung eines Betriebsausfluges, um die Verbundenheit der Belegschaft mit dem Unternehmen zu festigen. Auch mit dem Besuch des nicht abendfüllenden Theaterstücks mit der Möglichkeit zu Gesprächen in den Pausen sei der Kontakt zwischen den Arbeitnehmern gefördert worden.

Die Klägerin beantragt, die Aufwendungen für den Betriebsausflug 1977 steuerfrei zu belassen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Es trägt vor, Betriebsausflüge würden verschiedentlich auch ohne Zuwendungen seitens des Arbeitgebers durchgeführt. Die Arbeitnehmer hätten ein eigenes Interesse, neben dem arbeitsfreien Tag besondere Vorteile vom Arbeitgeber zugewendet zu bekommen, welche sie auch als zusätzliche Entlohnung empfänden. Das gelte insbesondere für den Theaterbesuch. Anders als bei vom Betrieb selbst veranstalteten Darbietungen trete bei einer öffentlichen Theaterveranstaltung der Kontakt der Arbeitnehmer untereinander in den Hintergrund. Es bestehe kein wesentlicher Unterschied zwischen dem gemeinsamen Theaterbesuch der Belegschaft und einem Einzelbesuch jedes Arbeitnehmers.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs.1 Nr.1 EStG Gehälter, Löhne und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden.

Vorteile werden "für" eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlaßt sind (BFH-Urteile vom 17.September 1982 VI R 75/79, BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39, und vom 20.Mai 1983 VI R 39/81, BFHE 138, 555, BStBl II 1983, 712). Zwar braucht der Einnahme keine konkrete Dienstleistung des Arbeitnehmers gegenüberzustehen (BFH-Urteil vom 7.Dezember 1984 VI R 164/79, BFHE 142, 483, BStBl II 1985, 164). Jedoch muß sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweisen (BFH-Urteile vom 24.Februar 1981 VIII R 109/76, BFHE 133, 375, BStBl II 1981, 707; vom 22.April 1982 III R 135/79, BFHE 135, 512, BStBl II 1982, 496, und vom 10.Juni 1983 VI R 176/80, BFHE 138, 456, BStBl II 1983, 642). Das ist nicht der Fall, wenn die den Vorteil bewirkenden Aufwendungen ganz überwiegend im eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers getätigt werden (BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39; BFHE 138, 555, BStBl II 1983, 712, und BFHE 142, 483, BStBl II 1985, 164). Derartige Zuwendungen werden vom Arbeitgeber nicht mit dem Ziel der Entlohnung gewährt und vom Arbeitnehmer nicht als Frucht seiner Dienstleistung aufgefaßt.

Ob eine Zuwendung somit Arbeitslohncharakter hat, hängt von dem mit ihr verfolgten Zweck ab. Dabei sind äußere Umstände wie Anlaß, Zuwendungsgegenstand und Begleitumstände eingehend zu würdigen.

Der Senat hat in den Urteilen in BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529, und BFHE 143, 550, BStBl II 1985, 532 in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung auf herkömmlichen Betriebsveranstaltungen gewährte übliche Zuwendungen --auch, soweit sie die 50 DM-Freigrenze des Abschn.20 Abs.1 LStR übersteigen-- nicht als steuerpflichtigen Arbeitslohn angesehen. Maßgebend für diese Beurteilung war u.a., daß die Zuwendungen der Belegschaft als ganzer angeboten und daß die Vorteile unabhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit sowie der Stellung und Leistung im Betrieb und nur bei tatsächlicher Teilnahme an der Betriebsveranstaltung gewährt werden. Diese Umstände lassen bei üblichen Zuwendungen den Schluß zu, daß deren Zweck nicht die Entlohnung von Arbeitsleistungen ist, sondern darin besteht, im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers die Durchführung einer Betriebsveranstaltung zu fördern. An dieser Auffassung, die auch im Schrifttum zustimmend aufgenommen worden ist (Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 19 EStG Erg. Anm. 131-134; Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, 11.Aufl., § 19 Rz.65; Albert/Heitmann, Der Betrieb --DB-- 1985, 2524; Lienau, Betriebs-Berater --BB-- 1985, 1596; Offerhaus, DB 1985, 1908; Rössler, Finanz-Rundschau --FR-- 1985, 645; Söffing, FR 1985, 511), hält der Senat fest.

Auch die betroffenen Arbeitnehmer verstehen die Zuwendungen nur dann als Ertrag ihrer Arbeit im weitesten Sinne, wenn durch besondere Umstände eine Beziehung zu ihrer individuellen Arbeitsleistung hergestellt wird (z.B. Belohnung einer kleinen Gruppe für besonderen Arbeitseinsatz, Gewährung von Geschenken bzw. Ausgestaltung der Veranstaltung nach Ort, Dauer oder Art der Zuwendungen, die den Rahmen einer herkömmlichen Betriebsveranstaltung sprengen). Das ist nicht schon dann der Fall, wenn, wie auf Betriebsveranstaltungen üblich, alle Teilnehmer in gleicher Weise unterhalten und bewirtet werden und der einzelne Arbeitnehmer auf den Gegenstand der Zuwendung und die Begleitumstände, unter denen er sie entgegennehmen kann, keinen Einfluß hat.

Die Steuerpflicht des Wertes aller Zuwendungen bei Betriebsveranstaltungen, die einen bestimmten DM-Betrag übersteigen, läßt sich auch nicht damit begründen, daß andernfalls für den Pauschsteuersatz des § 40 Abs.2 Satz 1 EStG keine Anwendungsfälle übrig blieben. Dieser Vorschrift ist eine derartige Wertgrenze nicht zu entnehmen. § 40 Abs.2 Satz 1 EStG begründet keine Steuerpflicht, sondern setzt diese voraus. Im übrigen können die Begleitumstände ergeben, daß auch aus Anlaß von Betriebsveranstaltungen gewährte Zuwendungen Arbeitslohncharakter haben, für die dann eine Pauschbesteuerung in Betracht kommt.

2. Im Streitfall waren die von der Klägerin gewährten Zuwendungen nicht durch das individuelle Dienstverhältnis ihrer Arbeitnehmer veranlaßt.

Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, daß es sich bei dem Ausflug um eine betriebliche Veranstaltung des Arbeitgebers gehandelt hat, an der teilzunehmen der ganzen Belegschaft freistand. Die aus Anlaß dieser Betriebsveranstaltung gewährten Vorteile hielten sich im üblichen Rahmen und lassen nicht den Schluß zu, daß sie als Gegenleistung dafür gewährt worden sind, daß die Arbeitnehmer ihre individuelle Arbeitskraft zur Verfügung stellen.

Hinsichtlich der noch maßvollen Verzehrkosten und der Aufwendungen für die Beförderung mit dem Omnibus bedarf das keiner weiteren Begründung. Aber auch die Theaterkarten sind nicht als steuerpflichtiger geldwerter Vorteil zu beurteilen. Zwar wird die Überlassung einer Theaterkarte an einen Arbeitnehmer regelmäßig eine durch das individuelle Dienstverhältnis veranlaßte Sonderzuwendung darstellen, die als zusätzliche Frucht der Arbeitsleistung und deshalb als steuerpflichtiger geldwerter Vorteil anzusehen ist. Grundsätzlich nichts anderes gilt, wenn vielen oder allen Arbeitnehmern vom Arbeitgeber eine Theaterkarte geschenkt wird, da die spielplanmäßige Theateraufführung dadurch nicht zu einer betrieblichen Veranstaltung des Arbeitgebers wird. Die Besonderheit des Streitfalles besteht jedoch darin, daß der Theaterbesuch integrierter Programmpunkt eines Betriebsausflugs war, was sich aus der gemeinsamen Hin- und Rückfahrt der Belegschaft und dem ebenfalls gemeinsamen Gaststättenbesuch ergibt. Im Rahmen einer solchen Gesamtveranstaltung konnte auch der Theaterbesuch dem eigenbetrieblichen Interesse an der Durchführung einer Betriebsveranstaltung zur Förderung zwischenmenschlicher Kontakte innerhalb der Belegschaft dienen. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, daß den Arbeitnehmern ein ganz herausgehobenes Theaterereignis geboten werden sollte, und daß die Theateraufführung deshalb gegenüber dem Betriebsausflug im übrigen ein solches Eigengewicht bekommen hätte, daß sie nicht mehr mit sonstigen auf Betriebsausflügen üblichen Unterhaltungsmaßnahmen vergleichbar wäre.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61265

BStBl II 1986, 406

BFHE 146, 87

BFHE 1986, 87

DB 1986, 950-950 (ST)

DStR 1986, 372-373 (ST)

HFR 1986, 314-315 (ST)

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