Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufwendungen für Meisterlehrgang als vorab entstandene Werbungskosten

 

Leitsatz (amtlich)

Die Aufwendungen für einen Meisterlehrgang können auch dann vorab entstandene Werbungskosten bezüglich der späteren nichtselbständigen Berufstätigkeit als Meister sein, wenn der Steuerpflichtige vor Lehrgangsbeginn vorübergehend in einem anderen als dem erlernten Beruf tätig und nach Abschluß des Lehrgangs kurzfristig arbeitslos gewesen ist.

 

Normenkette

EStG 1990 § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG (Urteil vom 31.01.1995; Aktenzeichen VIII 299/94)

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) absolvierte von 1982 bis 1984 eine Maurerlehre, arbeitete anschließend bis Ende 1989 als Maurergeselle und leistete sodann den Grundwehrdienst ab. Während des Wehrdienstes bewarb er sich vergeblich um die Teilnahme an einem Fachlehrgang zur Vorbereitung auf die Meisterprüfung im Maurerhandwerk (der 1991 beginnende Lehrgang war bereits belegt, der nächste Lehrgang sollte nach Mitteilung der Handwerkskammer im September 1992 beginnen).

Nach dem Wehrdienst löste der Kläger sein Arbeitsverhältnis im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber auf. Wegen gesundheitlicher Beschwerden bemühte er sich nicht um eine Beschäftigung im Baugewerbe. Das Arbeitsamt hatte ihn darauf aufmerksam gemacht, daß die Tätigkeit eines Maurermeisters gegenüber derjenigen eines Maurergesellen körperlich weniger belastend sei. Um die Zeit bis zum Beginn des nächsten Meisterlehrgangs zu überbrücken, arbeitete er vom 1. Januar 1991 bis zum 30. August 1992 als Maschinenarbeiter.

Ab 31. August 1992 nahm der Kläger an dem Ganztags-Fortbildungslehrgang zum Maurermeister bei der Handwerkskammer H teil. Die Meisterprüfung legte er im Oktober 1993 ab. Danach war er zunächst arbeitslos, seit Februar 1994 ist er als Bauleiter in einem Bauunternehmen beschäftigt.

Für das Streitjahr 1992 erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die dem Kläger vom Arbeitsamt nicht ersetzten Lehrgangskosten nicht als Werbungskosten an, sondern berücksichtigte sie lediglich mit 900 DM als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs.1 Nr.7 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte u.a. aus:

Die Kosten der Meisterausbildung seien nicht als Berufsausbildungskosten (§ 10 Abs.1 Nr.7 EStG) vom Werbungskostenabzug ausgeschlossen, denn das Ablegen der Meisterprüfung führe zu keinem Wechsel der Berufsart, sondern diene dem Aufstieg innerhalb der gewählten Berufsart (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Dezember 1989 VI R 44/86, BFHE 160, 145, BStBl II 1990, 692). Dem Werbungskostenabzug stehe nicht entgegen, daß die Aufwendungen getätigt worden seien, bevor der Kläger Einnahmen aus seinem neuen Arbeitsverhältnis hatte. Der wirtschaftliche Zusammenhang der Meisterausbildung mit der jetzigen Tätigkeit ergebe sich aus der Absicht des Klägers, durch die Qualifizierung trotz seiner gesundheitlichen Beschwerden weiter im Baugewerbe tätig zu sein, und aus der Anfang 1994 erfolgten Arbeitsaufnahme als Bauleiter. Die Arbeitslosigkeit vom Bestehen der Prüfung im Oktober 1993 bis zum Januar 1994 begründe keinen Zweifel an einem wirtschaftlichen Zusammenhang. Ein solcher bestehe auch zwischen dem Meisterlehrgang und der früheren Tätigkeit des Klägers als Maurergeselle. Daß er vor Beginn des Lehrgangs in einer anderen Branche tätig gewesen sei, halte das Gericht für unschädlich. Der Kläger habe sich bereits während des Wehrdienstes um einen Platz in der Meisterschule bemüht und damit zu erkennen gegeben, daß er weiter im Baubereich tätig bleiben wollte. In der Wartezeit sei er gezwungen gewesen, sich übergangsweise eine Beschäftigung zu suchen, die er trotz seiner Rückenbeschwerden ausüben konnte. Ein Berufswechsel sei damit nicht verbunden gewesen. Dafür spreche insbesondere nicht, daß er einen geringfügig höheren Arbeitslohn erzielt habe als während seiner Tätigkeit als Maurergeselle. Das Arbeitsamt habe von seiner Vermittlung als Maurer aufgrund der gesundheitlichen Probleme Abstand genommen. Bei wertender Betrachtung könne die zwischenzeitliche berufsfremde Tätigkeit noch als bloße Unterbrechung der fachbezogenen Berufstätigkeit zum Zweck der nächstmöglichen Weiterbildung angesehen werden.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 9 Abs.1 Satz 1 und § 10 Abs.1 Nr.7 EStG. Es meint, bei den Aufwendungen handele es sich weder um laufende noch um vorab entstandene Werbungskosten, sondern um Sonderausgaben.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Steuer unter Berücksichtigung von 900 DM Sonderausgaben anstelle der vom FG anerkannten Werbungskosten neu festzusetzen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet. Das FG hat ohne Rechtsverstoß die Aufwendungen des Klägers für den Meisterlehrgang als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (Fortbildungskosten) und nicht als Berufsausbildungskosten i.S. von § 10 Abs.1 Nr.7 EStG qualifiziert.

Der erkennende Senat hat bereits mit dem Urteil in BFHE 160, 145, BStBl II 1990, 692 entschieden, daß Aufwendungen eines nichtselbständig tätigen Handwerksgesellen im Zusammenhang mit der Ablegung der Meisterprüfung Berufsfortbildungskosten sind. Diese können auch vor dem Bezug von Einnahmen als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar sein, insbesondere wenn die nichtselbständige Arbeit lediglich unterbrochen wird und ein ausreichender wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und den bisherigen und künftigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit besteht. An dieser Auffassung hält der Senat fest.

Fraglich ist im Streitfall nicht, ob die Aufwendungen des Klägers dem Grunde nach zu den abziehbaren Fortbildungskosten gehören können, sondern ob angesichts der besonderen Sachverhaltsgestaltung (Unterbrechung der nichtselbständigen Tätigkeit durch Wehrdienst und berufsfremde Arbeit) der für die Annahme vorab entstandener Werbungskosten erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang zwischen den Berufsbildungskosten und den bisherigen und zukünftigen Einkünften noch gegeben ist. Das FG hat diese Frage in nicht zu beanstandender Weise bejaht, indem es die tatsächlichen Umstände des Streitfalles gewürdigt hat. Daß es dabei nicht auf einen engen zeitlichen Zusammenhang mit der später aufgenommenen Berufstätigkeit abgestellt hat, ist entgegen der Auffassung des FA nicht zu bemängeln, sondern entspricht der Rechtsprechung des BFH zu den vorab entstandenen Werbungskosten (Urteile vom 8. Februar 1983 VIII R 130/79, BFHE 138, 195, BStBl II 1983, 554, und vom 4. Juni 1991 IX R 30/89, BFHE 164, 364, BStBl II 1991, 761). Danach ist der zeitliche Zusammenhang kein zusätzliches gesetzliches Tatbestandsmerkmal für den Abzug von Werbungskosten sondern lediglich ein Indiz bei der tatrichterlichen Würdigung, ob nach den Gesamtumständen ein wirtschaftlicher Zusammenhang von Aufwendungen mit künftigen Einnahmen besteht.

Der Senat hat zwar, worauf das FA besonders hinweist, in seinem Urteil vom 26. November 1993 VI R 67/91 (BFHE 172, 574, BStBl II 1994, 248) für die Annahme von Fortbildungskosten einen konkreten und engen Zusammenhang der Maßnahme mit der Berufstätigkeit sowohl in sachlicher als auch in zeitlicher Hinsicht gefordert. Der Sachverhalt dieser Entscheidung kann jedoch mit dem Streitfall nicht verglichen werden. Es handelte sich dort nämlich um einen Lehrgang zum Erwerb von Grundkenntnissen in einer gängigen Fremdsprache. Den ausreichend engen zeitlichen Bezug zur Berufstätigkeit hat der Senat ausdrücklich im Hinblick auf den Umstand verlangt, daß der Erwerb fremdsprachlicher Grundkenntnisse auch die allgemeine Lebensführung i.S. des § 12 Nr.1 Satz 2 EStG betrifft; deshalb reiche der vorsorgliche Erwerb von Grundkenntnissen in einer gängigen Fremdsprache im Zusammenhang mit einer erst in der Zukunft angestrebten beruflichen Veränderung für die Anerkennung von Fortbildungskosten nicht aus. Im Streitfall hat der Kläger demgegenüber eine höherwertige Qualifikation (Meister statt Geselle) in seinem erlernten Beruf erworben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66001

BFH/NV 1996, 281

BStBl II 1996, 529

BFHE 180, 349

BFHE 1997, 349

BB 1996, 1820 (L)

DB 1996, 1803-1804 (LT)

DStR 1996, 1361-1362 (KT)

DStZ 1996, 770-771 (KT)

HFR 1996, 663 (L)

StE 1996, 558 (K)

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