Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Beruft sich ein Arbeitnehmer gegenüber der Inanspruchnahme als Schuldner der Lohnsteuer auf eine Nettolohnvereinbarung, so muß er diese einwandfrei nachweisen.

 

Normenkette

EStG § 38 Abs. 3

 

Tatbestand

Dem Beschwerdeführer (Bf.) sind in 1951 in verschiedenen Beträgen zusammen 1.124,80 DM und in 1952 in einem Betrage 100 DM neben seinem laufenden Gehalt von monatlich 290 DM gezahlt worden. Die Lohnsteuer, die Abgabe "Notopfer Berlin" und die Kirchensteuer sind einbehalten und abgeführt worden, wie wenn der Bf. nur das laufende Gehalt bezogen hätte. Die daneben gezahlten Beträge - vom Arbeitgeber auf das Konto "Freiwillige soziale Ausgaben" gebucht - sind bei der Berechnung der Steuern unberücksichtigt geblieben.

Weil der Arbeitgeber zahlungsunfähig war, nahm das Finanzamt den Bf. wegen der Nachforderungen an Lohnsteuer, Abgabe "Notopfer Berlin" und Kirchensteuer in Anspruch. Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) begehrt der Bf. die Freistellung von der Inanspruchnahme wegen der Nachforderungen an Lohnsteuer und Abgabe "Notopfer Berlin". Er trägt vor: Er habe seinerzeit mit dem Arbeitgeber vereinbart, daß ihm ein derart hohes Gehalt gewährt werde, daß ihm die dann auch tatsächlich gezahlten Beträge netto übrig blieben. Wenn das Finanzgericht in seiner Urteilsbegründung davon spreche, daß die Vereinbarung eines Nettolohnes nicht erwiesen sei und daß er sich daher nicht auf eine übernahme der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber berufen könne, so übersehe es, daß er eine solche Vereinbarung niemals behauptet habe. Er habe, wie es den Tatsachen entspreche, immer nur behauptet, daß ein Bruttolohn vereinbart worden sei, der nach Abzug der Lohnsteuer den ihm dann auch tatsächlich ausgezahlten Betrag ergebe. Ihm sei klar, daß man grundsätzlich Bruttogehälter vereinbare. Er habe mit dem Nettobetrag gemeint, was ihm nach der Abrechnung verblieben sei. Die entsprechende Lohnsteuer sei, wie aus der von ihm überreichten Bescheinigung des Arbeitgebers hervorgehe, auch einbehalten worden. Er habe jedenfalls nur den Restbetrag erhalten. Wenn die Lohnsteuer nicht abgeführt worden sei, so könne er, weil ihn kein Verschulden treffe, nicht haftbar gemacht werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Obwohl der Bf. als Arbeitnehmer Schuldner der Lohnsteuer ist, ist doch grundsätzlich der Arbeitgeber für die Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer verantwortlich und bei nicht richtiger Erfüllung seiner Pflichten haftbar (vgl. § 38 Abs. 3 Satz 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Der Arbeitnehmer kann nur unter besonderen Voraussetzungen in Anspruch genommen werden, so vor allem, wenn der "Arbeitgeber den Arbeitslohn nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat" (vgl. § 38 Abs. 3 Satz 3 EStG). Diese Voraussetzung ist im Streitfall gegeben.

Wenn der Bf. vorträgt, daß er auch unter Berücksichtigung der zusätzlich gezahlten Beträge nur das seinen Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber entsprechende Gehalt bezogen habe und daß dieses daher vorschriftsmäßig gekürzt sei, so geht er offenbar von der Vorstellung aus, daß das ihm tatsächlich ausbezahlte Gehalt einschließlich der zusätzlich gezahlten Beträge, weil diese ihm im Endergebnis unverkürzt zukommen sollten, notwendigerweise den um die Lohnsteuer vorschriftsmäßig gekürzten Lohn darstelle. Diese Auffassung wäre aber nur bei einer Nettolohnvereinbarung zutreffend, bei einer Vereinbarung also, durch die der Arbeitgeber die auf den Lohn oder Mehrlohn entfallenden Abgaben ausdrücklich übernimmt.

Eine Nettolohnvereinbarung mit steuerlicher Wirkung kann nur bei einwandfreier Gestaltung anerkannt werden. Die weitgehenden Folgen, die eine solche Vereinbarung für die Beteiligten mit sich bringt, erfordern klare Verhältnisse. Insbesondere muß einwandfrei feststehen, daß der Arbeitgeber sich dazu verpflichtet hat, alle steuerlichen und Sozialversicherungsmehrleistungen, auch soweit sie an sich den Arbeitnehmer treffen, an Stelle des Arbeitnehmers ordnungsmäßig zu erfüllen. In der Regel werden die Beteiligten eine solche Vereinbarung, die erfahrungsgemäß ohnehin nur selten abgeschlossen wird, schriftlich festhalten. Auf jeden Fall muß der Arbeitnehmer, der sich zur Vermeidung einer Inanspruchnahme als Schuldner der Lohnsteuer auf eine derartige Vereinbarung beruft, einen einwandfreien Nachweis führen, wenn sich irgendwelche Zweifel an der Richtigkeit seiner Behauptung ergeben.

Im Streitfall ist das Finanzgericht auf Grund eingehender Würdigung des Beweisergebnisses zu der überzeugung gekommen, daß eine steuerlich anzuerkennende Nettolohnvereinbarung nicht vorliegt. An diese Beweiswürdigung ist der Bundesfinanzhof grundsätzlich gebunden. Die von dem Bf. im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgelegte Bescheinigung des früheren Geschäftsführers ist als neues tatsächliches Vorbringen unbeachtlich; sie wäre auch - abgesehen von der Frage ihrer Glaubwürdigkeit - sachlich belanglos, weil die darin behauptete vorschriftsmäßige Kürzung der Bruttogehälter durch die Arbeitgeberin mit der tatsächlichen Sachlage in Widerspruch steht, wie schon daraus hervorgeht, daß die zusätzlich gezahlten Beträge über das Konto "Freiwillige soziale Ausgaben" gebucht, also gerade nicht als Lohn behandelt worden sind. Von einer einwandfrei nachgewiesenen Nettolohnsteuervereinbarung, welche die Steuerschuldnerschaft des Bf. beseitigt hätte, kann jedenfalls nicht gesprochen werden.

Wenn der Bf. den Feststellungen des Finanzgerichts gegenüber vorbringt, er habe immer nur die Vereinbarung eines entsprechend hohen Bruttolohnes behauptet, so widerspricht er sich selbst. Abgesehen davon, daß von diesem Standpunkt aus die nachgeforderte Lohnsteuer zu niedrig berechnet wäre - der Berechnung hätte dann das entsprechend höhere Bruttogehalt und nicht nur das um die zusätzlich gezahlten Beträge erhöhte laufende Gehalt zugrunde gelegt werden müssen -, läuft das Vorbringen des Bf. letztlich doch wieder auf die Behauptung einer Nettozahlungsvereinbarung hinsichtlich der Zulagen hinaus, die das Finanzgericht mit Recht als unbewiesen angesehen hat. Gegen die Richtigkeit des Vorbringens des Bf. spricht zudem wiederum sein und seines Arbeitgebers Vorgehen. Wäre das Bruttogehalt tatsächlich in der Höhe, wie vom Bf. behauptet, vereinbart worden, so hätte dieses Gehalt auch der Lohnabrechnung zugrundegelegt werden müssen, während in Wirklichkeit lediglich das bisherige laufende Gehalt abgerechnet worden ist und die daneben gewährten Bezüge zusätzlich, das heißt außerhalb der Lohnabrechnung, gezahlt worden sind.

Nach den Gesamtumständen des Falles, insbesondere bei der Leistungsunfähigkeit des Arbeitgebers, ist die Inanspruchnahme des Bf. als Arbeitnehmer auch nicht etwa als Mißbrauch des Ermessens, welcher von mehreren Gesamtschuldnern heranzuziehen ist (§ 7 Abs. 3 in Verbindung mit § 2 des Steueranpassungsgesetzes), anzusehen.

Nach alledem kann die vom Bf. behauptete Gehaltszulagevereinbarung nicht zu einer Befreiung des Bf. von der durch die Mehrzahlungen an ihn ausgelösten Lohnsteuer- (und Notopfer Berlin-) schuld führen. Soweit dem Bf. durch diese öffentlich-rechtliche Inanspruchnahme im Ergebnis weniger Arbeitslohn zur Verfügung bleiben sollte, als ihm nach der von ihm behaupteten Vereinbarung zustehen würde, wäre allein ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch des Bf. gegen den Arbeitgeber auf volle Erfüllung der Gehaltszulagevereinbarung gegeben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424177

BStBl III 1957, 116

BFHE 1957, 307

BFHE 64, 307

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