Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesonderte und einheitliche Feststellung bei Bauherren- und Erwerbergemeinschaften; Abgabe der Feststellungserklärungen; Beginn der Feststellungsfrist; Verjährung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 180 Abs.2 AO 1977 i.d.F. vor Inkrafttreten des StBereinG 1986 (AO 1977 a.F.) konnten gesonderte und einheitliche Feststellungen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für Bauherren- und Erwerbergemeinschaften, die Eigentumswohnungen errichteten, durchgeführt werden (Anschluß an das BFH-Urteil vom 27.April 1982 VIII R 131/80, BFHE 136, 42, BStBl II 1982, 636).

2. Die für die Bauherren- oder Erwerbergemeinschaft handelnden Personen waren unter den Voraussetzungen des § 58 EStDV i.V.m. § 34 Abs.3 AO 1977 zur Abgabe von Feststellungserklärungen erst nach Aufforderung durch das FA verpflichtet.

3. Der Beginn der Feststellungsfrist konnte deshalb nach § 181 Abs.1 Satz 1 i.V.m. § 170 Abs.2 Satz 1 Nr.1 AO 1977 nur dann hinausgeschoben werden, wenn das FA den Erklärungspflichtigen rechtzeitig zur Abgabe der Feststellungserklärung aufgefordert hatte.

4. Die in Art.97 § 1 Abs.2 Satz 1 EGAO 1977 i.d.F. des StBereinG 1986 angeordnete Anwendung der Neuregelung auf anhängige Verfahren führt nicht zu einer Durchbrechung der Verjährung.

5. Fehlt in einem nach Ablauf der Feststellungsfrist erlassenen Feststellungsbescheid der Hinweis nach § 181 Abs.5 Satz 2 AO 1977 i.d.F. des StBereinG 1986 (vorher Abs.4), so ist der Feststellungsbescheid rechtswidrig und auf Anfechtung hin aufzuheben. Aus dem Hinweis muß sich ergeben, daß der Feststellungsbescheid erst nach Ablauf der Feststellungsfrist ergangen ist.

 

Orientierungssatz

Der Senat hält seine im Beschluß vom 30.9.1986 IX B 47/86 geäußerten Zweifel hinsichtlich der Durchführung einer gesonderten Feststellung der Einkünfte nach § 180 Abs. 2 AO 1977 a.F. bei sog. Erwerbergemeinschaften nicht aufrecht.

 

Normenkette

AO 1977 § 34 Abs. 3, § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 180 Abs. 2, § 181 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 2; EGAO 1977 Art. 97 § 1 Abs. 2 S. 1; EStG § 21 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sowie die Beigeladenen erwarben im Streitjahr 1977 Eigentumswohnungen, die zu einer Wohnanlage mit 42 Eigentumswohnungen gehören. Die Wohnungen sind seit Ende 1977 über das Bundesvermögensamt zur Nutzung durch Angehörige von Stationierungstruppen vermietet. Sämtliche mit dem Erwerb in Zusammenhang stehenden Abwicklungsaufgaben sowie Betreuungs- und Vermittlungsleistungen übernahm die C Gesellschaft für Grundbesitz-Vermittlung, Wohnungsbau und Baubetreuung mbH & Co. KG (C). Die Kläger und Beigeladenen schlossen im Zusammenhang mit dem Erwerb der Eigentumswohnungen nach einheitlichem Muster mit der C einen Betreuungs-und Verwaltungsvertrag sowie einen Geschäftsbesorgungsvertrag, in denen sie die C beauftragten, die langfristige Finanzierung des Erwerbs und die Vermietung der Wohnungen zu vermitteln, die Eigen- und Fremdmittel treuhänderisch zu verwalten sowie die Einrichtung der Verwaltung der Eigentumswohnungen vorzunehmen und alle Verträge und Rechtsverhältnisse auf ihren wirtschaftlichen Gehalt zu prüfen, insbesondere steuerliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Die den Klägern und Beigeladenen als Erwerbern aufgrund dieser Verträge in Rechnung gestellten Aufwendungen (Bearbeitungsgebühren, Vermittlungsgebühren, Treuhandgebühren usw.) machten die Kläger und Beigeladenen in ihren Einkommensteuererklärungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wurde nicht abgegeben.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erließ am 23.November 1984 gegenüber den Erwerbern einen auf § 180 Abs.2 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Bescheid über die eingeschränkte, gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Streitjahr. Dabei erkannte das FA nur einen Teil der den Klägern und Beigeladenen als Erwerbern in Rechnung gestellten Gebühren als Werbungskosten an und rechnete den Rest den Anschaffungskosten zu. Die gegen den Feststellungsbescheid nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klagen hatten Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner den Feststellungsbescheid aufhebenden Entscheidung im wesentlichen aus: Das FA sei weder nach § 180 Abs.2 AO 1977 in der Fassung nach Inkrafttreten des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 (AO 1977 n.F.) vom 19.Dezember 1985 (BGBl I 1985, 2436, BStBl I 1985, 735) noch nach § 180 Abs.2 AO 1977 in der vorher geltenden Fassung (AO 1977 a.F.) berechtigt, eine gesonderte und einheitliche Feststellung für die Erwerbergemeinschaft durchzuführen. § 180 Abs.2 AO 1977 a.F. greife aus den Gründen des Beschlusses des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30.September 1986 IX B 47/86 (BFHE 147, 482, BStBl II 1987, 10) nicht ein. Die Neuregelung für Feststellungsverfahren bei Bauherrengemeinschaften und Erwerbergemeinschaften (§ 180 Abs.2 AO 1977 n.F. in Verbindung mit der dazu ergangenen Verordnung vom 19.Dezember 1986, BGBl I, 2663, BStBl I 1987, 2) sei zwar in anhängigen Verfahren auch für zurückliegende Feststellungszeiträume anwendbar. Das gelte indes nur, wenn das FA den angefochtenen Bescheid nach der neuen Rechtslage erneut erlassen könnte. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, weil bei Bekanntgabe des angefochtenen Feststellungsbescheids bereits Feststellungsverjährung eingetreten gewesen sei. Das FA habe den Feststellungsbescheid auch nicht gemäß § 181 Abs.5 AO 1977 n.F. (früher Abs.4) nach Ablauf der Feststellungsfrist erlassen dürfen. Denn im Feststellungsbescheid fehle der in § 181 Abs.5 Satz 2 AO 1977 n.F. vorgesehene Hinweis. Das FA habe erst in der Einspruchsentscheidung darauf hingewiesen, daß eine gesonderte Feststellung nach § 181 Abs.5 AO 1977 n.F. auch noch nach Ablauf der Feststellungsfrist insoweit möglich sei, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung die Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen war. Dieser abstrakte Hinweis auf die Rechtslage genüge jedoch nicht.

Mit seiner vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt das FA, das FG habe verkannt, daß schon vor Inkrafttreten der Neuregelung des Feststellungsverfahrens durch § 180 Abs.2 AO 1977 n.F. in Verbindung mit der dazu ergangenen Verordnung aufgrund gesetzlicher Vorschriften eine Feststellungserklärung einzureichen gewesen und deshalb nach §§ 181 Abs.1 Satz 1 i.V.m. 170 Abs.2 Satz 1 Nr.1 AO 1977 Anlaufhemmung eingetreten sei. Das FG habe außerdem zu Unrecht § 181 Abs.5 AO 1977 n.F. für nicht anwendbar erklärt.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage als unbegründet abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Vorentscheidung verletzt §§ 181 Abs.1 Satz 1, 170 Abs.2 Satz 1 Nr.1 AO 1977.

I.

1. Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, daß nach neuem Recht für Erwerbergemeinschaften der vorliegenden Art gesonderte und einheitliche Feststellungen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung durchgeführt werden können (§ 180 Abs.2 AO 1977 n.F. i.V.m. § 1 Abs.1 Nr.2 der dazu ergangenen Verordnung). Wie der erkennende Senat im Urteil vom 1.Dezember 1987 IX R 90/86 (BFHE 152, 17, BStBl II 1988, 319) entschieden hat, gilt die Neuregelung in anhängigen Verfahren auch für Feststellungszeiträume vor ihrem Inkrafttreten. Das FA wäre danach aufgrund der Neuregelung des Feststellungsverfahrens grundsätzlich berechtigt gewesen, für das Streitjahr einen Feststellungsbescheid für die Erwerbergemeinschaft zu erlassen. Hat das FA jedoch vor Inkrafttreten der Neuregelung einen Feststellungsbescheid erlassen und war im Zeitpunkt seiner Bekanntgabe die Feststellungsfrist bereits abgelaufen, so bleibt der Bescheid rechtswidrig und ist auf Anfechtung hin aufzuheben. Die in Art.97 § 1 Abs.2 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur AO 1977 in der Fassung des StBereinG 1986 (EGAO 1977 n.F.) angeordnete Anwendung der Neuregelung auf anhängige Verfahren führt nicht zu einer Durchbrechung der Verjährung. Diese Rechtsansicht wird durch die Begründung zu Art.3 Nr.3 des Entwurfs eines Steuerbereinigungsgesetzes 1985 (Art.97 § 10 Abs.3 und 4 EGAO 1977 n.F.) bestätigt (BTDrucks 10/1636 S.53). Dort ist zu dem neu eingefügten § 171 Abs.14 AO 1977 n.F. ausgeführt, daß die Ablaufwirkung durch die Neuregelung nicht wieder beseitigt wird, soweit Feststellungsfristen bereits abgelaufen sind; insoweit soll es bei der eingetretenen Feststellungsverjährung bleiben. Für die Neuregelung in § 180 Abs.2 AO 1977 n.F. gilt nichts anderes.

2. Die Vorinstanz hat im Ergebnis auch zutreffend entschieden, daß die Voraussetzungen des § 181 Abs.5 AO 1977 n.F., unter denen das FA nach Ablauf der Feststellungsfrist eine gesonderte und einheitliche Feststellung durchführen darf, nicht vorgelegen haben. Der Senat braucht die Streitfrage, ob diese Vorschrift auch dann anwendbar ist, wenn bei einer gesonderten und einheitlichen Feststellung für einen Teil der Beteiligten bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist, nicht zu entscheiden (vgl. dazu Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 181 AO Anm.33; Frotscher in Schwarz, Kommentar zur Abgabenordnung, § 181 Anm.5). Denn der angefochtene Feststellungsbescheid wäre, wenn er nach Ablauf der Feststellungsfrist ergangen ist (dazu II.), jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil er den nach § 181 Abs.5 Satz 2 AO 1977 n.F. erforderlichen Hinweis nicht enthält. Auf die eingeschränkte Wirkung des Feststellungsbescheids, der nach Ablauf der Feststellungsfrist ergeht, muß im Feststellungsbescheid besonders hingewiesen werden (vgl. die Begründung zu § 162 des Entwurfs einer Abgabenordnung --AO 1974--, BTDrucks VI/1982 S.157). Fehlt der Hinweis, so ist der Feststellungsbescheid rechtswidrig und auf Anfechtung hin aufzuheben (Urteil des FG Berlin vom 16.Juni 1986 VIII 220/84, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1987, 278; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13.Aufl., § 181 Tz.4; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 181 AO Anm.37; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 4.Aufl. 1989, § 181 Anm.7 a.E.; differenzierend Frotscher in Schwarz, a.a.O., § 181 Anm.4 b; a.A. Domann in Koch, Abgabenordnung - AO 1977, 3.Aufl., § 181 Rz.13). Der angefochtene Feststellungsbescheid enthält keinen Hinweis auf seine eingeschränkte Wirkung. Ob das FA den Hinweis in der Einspruchsentscheidung nachholen darf, kann offenbleiben. Es hat den Hinweis in der Einspruchsentscheidung jedenfalls nicht in der erforderlichen Form nachgeholt. Es wiederholt dort lediglich die gesetzliche Regelung. Ein solcher allgemeiner Hinweis auf die Rechtslage genügt nicht den Anforderungen des § 181 Abs.5 Satz 2 AO 1977 n.F. Der Hinweis soll dem für den Erlaß des Folgebescheids zuständigen FA und dem Steuerpflichtigen deutlich machen, daß es sich um einen Feststellungsbescheid handelt, der nach Ablauf der Feststellungsfrist ergangen und deshalb nur noch für solche Steuerfestsetzungen bedeutsam ist, bei denen die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Diesen Anforderungen genügt der Hinweis in der Einspruchsentscheidung nicht, weil aus ihm nicht zu entnehmen ist, ob der Feststellungsbescheid vor oder nach Ablauf der Feststellungsfrist ergangen ist.

II.

Ob bei der Bekanntgabe des angefochtenen Feststellungsbescheids vom 23.November 1984 die Feststellungsfrist nach altem Recht bereits abgelaufen war, läßt sich anhand der vom FG festgestellten Tatsachen nicht abschließend entscheiden.

1. Die Feststellungsfrist für das Streitjahr begann nach §§ 181 Abs.1 Satz 1 i.V.m. 170 Abs.1 AO 1977 mit Ablauf des Jahres 1977 und endete gemäß § 169 Abs.2 Satz 1 Nr.2 AO 1977 nach vier Jahren am 31.Dezember 1981 --also vor Bekanntgabe des angefochtenen Feststellungsbescheids--, wenn ihr Beginn nicht nach §§ 181 Abs.1 Satz 1, 170 Abs.2 Satz 1 Nr.1 AO 1977 hinausgeschoben war. Nach diesen Vorschriften beginnt die Feststellungsfrist, wenn aufgrund gesetzlicher Vorschrift eine Feststellungserklärung abzugeben ist, aber nicht abgegeben wird, erst mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, für das die Feststellung durchzuführen ist. Unter Berücksichtigung dieser Anlaufhemmung wäre im Streitfall die Feststellungsfrist erst am 31.Dezember 1984 abgelaufen, wenn die Kläger und Beigeladenen oder für sie die C als Treuhänderin aufgrund gesetzlicher Vorschrift zur Abgabe der Feststellungserklärung verpflichtet waren. Ob der Beginn der Feststellungsfrist durch die gesetzliche Pflicht zur Abgabe der Feststellungserklärung hinausgeschoben wurde, muß nach der Rechtslage bei Bekanntgabe des Feststellungsbescheides entschieden werden.

2. Der Senat hat in seinem Urteil in BFHE 152, 17, BStBl II 1988, 319 offengelassen, ob nach altem Verfahrensrecht eine gesetzliche Erklärungspflicht des Treuhänders von Bauherren- und Erwerbergemeinschaften bestand (vgl. Abschn.3 b der Urteilsgründe). Er vertritt nach erneuter Prüfung die Ansicht, daß für Bauherren und Erwerber, die unter Einschaltung dritter Personen (Treuhänder, Baubetreuer usw.) aufgrund von vorformulierten Verträgen Eigentumswohnungen errichten oder erwerben (sog. Bauherren- oder Erwerbermodelle), bereits nach § 180 Abs.2 AO 1977 a.F. gesonderte und einheitliche Feststellungen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung durchgeführt werden konnten und daß die für die Bauherren oder Erwerber handelnden Personen, insbesondere die Treuhänder, unter den Voraussetzungen des § 58 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung --EStDV-- (aufgehoben durch Art.1 Nr.2 der Verordnung zur Änderung der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung vom 19.Dezember 1988, BGBl I, 2301, BStBl I 1988, 550) i.V.m. § 34 Abs.3 AO 1977 erklärungspflichtig waren. Er hält seine im Beschluß in BFHE 147, 482, BStBl II 1987, 10 insoweit geäußerten Zweifel nicht aufrecht und schließt sich im Ergebnis dem Urteil des VIII.Senats vom 27.April 1982 VIII R 131/80 (BFHE 136, 42, BStBl II 1982, 636) an.

a) Nach § 180 Abs.2 AO 1977 a.F. konnten einkommensteuerpflichtige Einkünfte ganz oder teilweise gesondert festgestellt werden, wenn an dem Gegenstand der Einkunftserzielung mehrere Personen beteiligt und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Die Zulässigkeit der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach dieser Vorschrift hängt davon ab, wie das gesetzliche Tatbestandsmerkmal "Gegenstand der Einkunftserzielung" ausgelegt wird. Versteht man darunter bei der Errichtung von Eigentumswohnungen die einzelne Eigentumswohnung, soweit Sondereigentum besteht, so greift die Vorschrift nicht ein, weil an dem so verstandenen Gegenstand der Einkunftserzielung nur der jeweilige Eigentümer beteiligt ist. Legt man dagegen das gesetzliche Tatbestandsmerkmal dahin aus, daß darunter die gesamte Wohnanlage mit allen Eigentumswohnungen (das Gesamtobjekt) verstanden wird, so ist § 180 Abs.2 AO 1977 a.F. anwendbar. Denn an diesem Gegenstand der Einkunftserzielung sind mehrere Personen beteiligt. Der Senat hält nur diese Auslegung für zutreffend (ebenso Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 180 AO Anm.282).

aa) Der Begriff "Gegenstand der Einkunftserzielung" läßt beide Auslegungen zu. Die Wahl des Begriffs "Gegenstand" statt des Begriffs "Wirtschaftsgut", den der Gesetzgeber unmittelbar vorher in § 180 Abs.1 Nr.3 AO 1977 verwendet, spricht gegen eine einengende Auslegung, weil Gegenstand der Einkunftserzielung auch eine Mehrheit von Wirtschaftsgütern sein kann, z.B. bei der Verpachtung eines landwirtschaftlichen oder gewerblichen Betriebes (vgl. § 21 Abs.1 Satz 1 Nr.2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--; a.A. insoweit wohl der VIII.Senat im Urteil in BFHE 136, 42, BStBl II 1982, 636 in Abschn.2 b).

bb) Der Sinnzusammenhang, in dem § 180 Abs.2 AO 1977 a.F. steht, spricht ebenfalls für eine weite Auslegung. Die Vorschrift ergänzt § 180 Abs.1 Nr.2 a) AO 1977. Während nach § 180 Abs.1 Nr.2 a) AO 1977 gesonderte und einheitliche Feststellungen durchzuführen sind, wenn an "den Einkünften" mehrere Personen beteiligt sind, ist nach § 180 Abs.2 AO 1977 a.F. die Beteiligung mehrerer am "Gegenstand der Einkunftserzielung" maßgebend. Legt man den Begriff des Gegenstands der Einkunftserzielung eng aus, liefe § 180 Abs.2 AO 1977 a.F. weitgehend leer. Es wird nur selten vorkommen, daß mehrere Personen zwar an dem eng verstandenen Gegenstand der Einkunftserzielung beteiligt sind, nicht aber auch an den daraus erzielten Einkünften. § 180 Abs.2 AO 1977 a.F. ist deshalb nur dann sinnvoll anwendbar, wenn unter Gegenstand der Einkunftserzielung des Gesamtobjekt verstanden wird.

cc) Daß nur diese Auslegung dem Willen des Gesetzgebers entspricht, ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte: Nach § 215 Abs.2 Nr.4 der Reichsabgabenordnung --AO-- (entspricht § 180 Abs.1 Nr.2 a) AO 1977) waren gesonderte und einheitliche Feststellungen bei der Vermietung oder Verpachtung unbeweglichen Vermögens nur durchzuführen, wenn an den Einkünften mehrere beteiligt waren. Bauherrengemeinschaften wurden nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung von dieser Vorschrift nicht erfaßt (vgl. das BFH-Urteil vom 22.April 1980 VIII R 149/75, BFHE 130, 391, BStBl II 1980, 441, Abschn.B I. 1.).

Um diese Lücke zu schließen, wurde auf Vorschlag des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages § 180 Abs.2 AO 1977 a.F. in die AO 1977 eingefügt. In dem Bericht des Finanzausschusses (BTDrucks 7/4292 S.34) heißt es dazu: "Absatz 2 ist neu eingefügt worden. Diese Vorschrift schafft die Rechtsgrundlage, um in den Fällen von sogenannten Bauherrengemeinschaften für alle an dem jeweiligen Objekt beteiligten Bauherren eine einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung durchführen zu können. Dieses Verfahren soll die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sämtlicher Bauherren sichern." Als Bauherrengemeinschaften wurden damals auch solche "Modelle" bezeichnet, bei denen der einzelne Anleger einkommensteuerrechtlich als Erwerber zu beurteilen war (vgl. BFH-Urteil in BFHE 130, 391, BStBl II 1980, 441).

dd) Die Anwendung des § 180 Abs.2 AO 1977 a.F. auf Bauherrengemeinschaften und Erwerbergemeinschaften von Eigentumswohnungen ist auch im Hinblick auf das gesetzgeberische Ziel, die Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu fördern, geboten. Denn in diesen Fällen geht es darum, Aufwendungen, die auf der Grundlage gleichlautender Verträge von einer Vielzahl von Beteiligten geleistet werden, einheitlich und zutreffend zu beurteilen.

ee) Zwischen den Bauherren bzw. Erwerbern von Eigentumswohnungen besteht auch das vom VIII.Senat im Urteil in BFHE 136, 42, BStBl II 1982, 636 für erforderlich gehaltene gemeinschaftsrechtliche Band. Denn sie werden Miteigentümer des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 1 Abs.5 des Wohnungseigentumsgesetzes --WEG--).

b) § 180 Abs.2 AO 1977 a.F. ist auf die Einkünfte von Bauherren- und Erwerbergemeinschaften vor allem in der Anlaufzeit anwendbar, in der die Eigentumswohnungen noch nicht fertiggestellt sind und nur vorab entstandene Werbungskosten anfallen. In der Anlaufzeit ist zwar --außer dem möglicherweise schon im Miteigentum der Bauherren oder Erwerber stehenden Grundstück-- noch kein Gegenstand der Einkunftserzielung --weder im weiteren noch im engeren Sinne-- vorhanden. Die vorab entstandenen Werbungskosten stehen indes mit dem (künftigen) Gegenstand der Einkunftserzielung in engem Zusammenhang und sind nur deshalb abziehbar, weil sie durch die künftige Vermietung oder Selbstnutzung dieses Gegenstandes veranlaßt sind. Es handelt sich daher bei den (negativen) Einkünften ebenfalls um Einkünfte aus dem "Gegenstand der Einkunftserzielung" im Sinne der Vorschrift.

c) Nach § 58 EStDV i.V.m. § 34 Abs.3 AO 1977 waren die Personen, die mit der Wahrnehmung der Angelegenheiten der Bauherren beauftragt waren --also insbesondere die Treuhänder-- verpflichtet, für diese Feststellungserklärungen abzugeben. Die Bauherren bzw. Erwerber beauftragen regelmäßig einen Dritten, die Eigen- und Fremdmittel, die für den Erwerb oder die Errichtung der Eigentumswohnung erforderlich sind, treuhänderisch zu verwalten, die Mietverträge zu vermitteln und die Verwaltung der Eigentumswohnungen zu organisieren. Damit haben diese Personen die Stellung von Vermögensverwaltern i.S. des § 34 Abs.3 AO 1977 und waren zur Abgabe der Feststellungserklärungen verpflichtet. Diese Rechtsstellung hatte im Streitfall die C.

3. Die gesetzliche Pflicht zur Abgabe von Feststellungserklärungen bestand jedoch erst von dem Zeitpunkt an, von dem das FA den Erklärungspflichtigen aufforderte, die Feststellungserklärung abzugeben. § 180 Abs.2 AO 1977 a.F. stellte es in das Ermessen des FA, ob es eine gesonderte und einheitliche Feststellung durchführte oder nicht. Die Abgabe der Feststellungserklärung war danach jedenfalls solange nicht erforderlich, als das FA sein Ermessen nicht dahin ausgeübt hatte, das Feststellungsverfahren im Einzelfall einzuleiten und den Erklärungspflichtigen zur Abgabe der Erklärung aufforderte. Diese Rechtsansicht wird bestätigt durch § 3 Abs.1 der Verordnung zu § 180 Abs.2 AO 1977 n.F. Danach haben die Erklärungspflichtigen die Erklärung zur gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach der Verordnung erst "nach Aufforderung" durch die Finanzbehörden abzugeben. Die gesetzliche Erklärungspflicht der Treuhänder von Bauherrengemeinschaften und Erwerbergemeinschaften ging nach §§ 58 EStDV, 34 Abs.3 AO 1977 jedenfalls nicht weiter als nach § 3 Abs.1 der Verordnung zu § 180 Abs.2 AO 1977 n.F.

4. Den tatsächlichen Feststellungen der FG ist nicht zu entnehmen, wann das FA die C erstmals aufgefordert hat, eine Feststellungserklärung abzugeben. Es läßt sich deshalb nicht abschließend beurteilen, ob der Beginn der Feststellungsfrist gemäß § 170 Abs.2 Satz 1 Nr.1 AO 1977 hinausgeschoben worden ist. Die Sache ist insoweit nicht spruchreif. Die Vorentscheidung war danach aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Das FG wird die erforderliche tatsächliche Feststellung nachzuholen haben. Bei der erneuten Entscheidung wird es auch zu prüfen haben, ob der Ablauf der Feststellungsfrist nach §§ 181 Abs.1 Satz 1, 171 Abs.4 AO 1977 gehemmt war. Auf die BFH-Urteile vom 16.April 1985 IX R 178/83 (BFH/NV 1986, 10), vom 25.Januar 1989 X R 158/87 (BFHE 156, 18, BStBl II 1989, 483) und den Beschluß vom 14.März 1989 I B 50/88 (BFHE 156, 365, BStBl II 1989, 590, mit Anm. in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1989, 473) wird hingewiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62960

BFH/NV 1990, 33

BStBl II 1990, 411

BFHE 159, 398

BFHE 1990, 398

BB 1990, 1474

BB 1990, 1474-1476 (LT)

DB 1990, 916-918 (LT)

HFR 1990, 538 (LT)

StE 1990, 155 (K)

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