Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuschuss des Arbeitgebers in eine Gemeinschaftskasse der Arbeitnehmer zu einer zweitägigen Betriebsveranstaltung ‐ kein Arbeitslohn bei Einhaltung der Freigrenze

 

Leitsatz (amtlich)

Leistet ein Arbeitgeber einen Zuschuss zu einer zweitägigen Betriebsveranstaltung in eine im Übrigen von den Arbeitnehmern unterhaltene Gemeinschaftskasse, so stellt diese Zuwendung keinen Arbeitslohn dar, wenn der Zuschuss die für die Annahme von Arbeitslohn bei Zuwendungen aus Anlass von Betriebsveranstaltungen maßgebliche Freigrenze nicht überschreitet.

 

Normenkette

EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG München (Entscheidung vom 24.05.1996; Aktenzeichen 8 K 3591/94; EFG 1998, 1523)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Stadt, führte in den Streitjahren 1987 bis 1993 jährlich einen Betriebsausflug durch. Die Ausflüge begannen regelmäßig freitags mit der Besichtigung öffentlicher Einrichtungen oder Sehenswürdigkeiten. Nach der anschließenden Personalversammlung fand ein Kameradschaftsabend mit Tanz statt. Obwohl die Ausflugsziele eine Rückfahrt am selben Tag erlaubt hätten, nahmen fast alle Teilnehmer die angebotenen Übernachtungsmöglichkeiten wahr. Lediglich der Behördenleiter fuhr freitags abends wieder nach Hause. Die Samstage standen den Teilnehmern zur freien Verfügung. Soweit gewünscht, nahmen sie an vom Personalrat vermittelten Stadtführungen oder ähnlichen Angeboten teil.

Die jährlichen Zuschüsse der Klägerin zu den Betriebsausflügen betrugen je Teilnehmer 50 DM, die die Klägerin steuerfrei beließ. Im Anschluss an Lohnsteuer-Außenprüfungen sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) die Zuschüsse als steuerpflichtigen Arbeitslohn an und nahm die Klägerin gemäß § 42d des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit Lohnsteuer-Haftungsbescheiden in Anspruch. Im Einspruchsverfahren trug die Klägerin vor, die Fahrt- und Unterkunftskosten seien aus der vom Personalrat verwalteten Kameradschaftskasse gezahlt worden, die aus monatlichen Beiträgen der Beschäftigten gespeist werde. Alle nicht aus der Kameradschaftskasse bestrittenen Ausgaben ―also insbesondere Verpflegungskosten― hätten die Teilnehmer bis auf den an den Personalrat gezahlten Arbeitgeberzuschuss von 50 DM selbst getragen.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1523 veröffentlichten Gründen ab. Die vom Bundesfinanzhof (BFH) festgelegte Freigrenze von 150 DM pro teilnehmendem Arbeitnehmer für Aufwendungen des Arbeitgebers bei Betriebsveranstaltungen setze voraus, dass die Veranstaltung nicht länger als einen Tag dauere. Die Zuschüsse der Klägerin seien jedoch als Aufwendungen für einen zweitägigen Betriebsausflug anzusehen, so dass unabhängig von der Höhe der Zuwendungen Arbeitslohn vorliege. Eine zweitägige Betriebsveranstaltung sei unüblich und liege daher, auch wenn sie der kollegialen Kontaktpflege diene, nicht ganz überwiegend im eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers.

Mit der Revision trägt die Klägerin vor, Zuwendungen des Arbeitgebers zu Betriebsausflügen seien nicht allein deshalb als Arbeitslohn zu behandeln, weil der Ausflug länger als einen Tag dauere. Nach Einführung der Freigrenze für Zuwendungen bei Betriebsveranstaltungen sei eine Begrenzung auf eintägige Veranstaltungen auch im Interesse der Vereinfachung und Praktikabilität nicht mehr erforderlich.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG sowie die Haftungsbescheide aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Die Zuschüsse der Klägerin zu den zweitägigen Betriebsausflügen sind entgegen der Auffassung des FG kein Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

1. Aufwendungen des Arbeitgebers aus Anlass von Betriebsveranstaltungen können im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegen, so dass sie keinen Arbeitslohn für die daran teilnehmenden Arbeitnehmer darstellen (BFH-Urteile vom 22. März 1985 VI R 170/82, BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529; vom 25. Mai 1992 VI R 85/90, BFHE 167, 542, BStBl II 1992, 655, und vom 6. Dezember 1996 VI R 48/94, BFHE 182, 142, BStBl II 1997, 331). Die lohnsteuerrechtliche Wertung derartiger Zuwendungen hat der BFH seit dem Urteil in BFHE 167, 542, BStBl II 1992, 655 nicht mehr davon abhängig gemacht, ob die Vorteilsgewährung der Höhe nach üblich ist. Er hat vielmehr eine Freigrenze angenommen, bei deren Überschreitung die Zuwendungen in vollem Umfang als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu qualifizieren sind. An dieser Rechtsprechung hat der Senat mit Urteil vom 16. November 2005 VI R 151/00 (zur Veröffentlichung bestimmt) festgehalten. Für die Jahre 1983 bis 1992 hat der BFH die Freigrenze auf 150 DM und für die folgenden Veranlagungszeiträume bis jedenfalls 1997 auf 200 DM beziffert. Mit Urteil vom 16. November 2005 VI R 151/99 (zur Veröffentlichung bestimmt) hat der Senat außerdem entschieden, dass eine Veranstaltung, die länger als einen Tag dauert, ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers nicht ausschließt, wenn dessen Aufwendungen anlässlich der Veranstaltung die Freigrenze nicht überschreiten.

2. Im Streitfall leistete die Klägerin nach den Feststellungen des FG Zuschüsse zu den Betriebsausflügen in Höhe von 50 DM je teilnehmendem Arbeitnehmer. Die Aufwendungen der Klägerin überstiegen damit weder die für die Streitjahre 1987 bis 1992 geltende Freigrenze von 150 DM noch die für das Streitjahr 1993 maßgebliche Freigrenze von 200 DM. Auf die Tatsache, dass die Betriebsveranstaltungen zwei Tage dauerten, kommt es ―wie dargelegt wurde― nicht an.

Ebenso ist es unerheblich, ob die Gesamtkosten der Betriebsveranstaltungen je Arbeitnehmer, die das FG ―auch nach seiner Auffassung zu Recht― nicht festgestellt hat, die Freigrenze überschritten haben. Denn die Kosten, die über die von der Klägerin an den Personalrat geleisteten Arbeitgeberzuschüsse hinausgingen, haben die Arbeitnehmer nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin selbst getragen. Nach der Rechtsprechung des BFH sind für die Berechnung, ob die Freigrenze überschritten ist, aber nur die Aufwendungen des Arbeitgebers einzubeziehen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 167, 542, BStBl II 1992, 655), so dass die von den Arbeitnehmern selbst getragenen Kosten der Veranstaltung insoweit nicht zu berücksichtigen sind (ebenso Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 19 EStG Anm. 229; Blümich/Thürmer, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 19 EStG Rz. 280 "Betriebsveranstaltungen"; Heuermann/ Wagner, Das gesamte Lohnsteuerrecht, Teil D Rz. 121; von Bornhaupt, Betriebs-Berater 1992, 2405, 2407).

Auf die Frage, ob ein Arbeitgeberzuschuss durch die Übergabe von Bargeld an die Arbeitnehmer zu Arbeitslohn führen würde, kommt es im Streitfall nicht an. Denn nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin, den auch das FG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, erfolgte die Zahlung der Zuschüsse an den Personalrat und somit nicht unmittelbar an die einzelnen Arbeitnehmer.

3. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen war, ist sein Urteil aufzuheben. Der spruchreifen Klage ist stattzugeben. Die Arbeitgeberzuschüsse zu den Betriebsausflügen stellen keinen Arbeitslohn dar.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1483042

BFH/NV 2006, 860

BStBl II 2006, 437

BFHE 2007, 48

BFHE 212, 48

BB 2006, 595

DB 2006, 595

DStRE 2006, 405

HFR 2006, 470

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