Leitsatz (amtlich)

Bei einer Nettolohnvereinbarung stellt die vom Arbeitgeber übernommene Lohnsteuer Arbeitslohn dar. Das gilt auch dann, wenn die einbehaltene Lohnsteuer höher ist als die später festgesetzte Einkommensteuer und der Arbeitnehmer den künftigen Steuererstattungsanspruch schon bei der Nettolohnvereinbarung an den Arbeitgeber abgetreten hatte. Werden aufgrund der Einkommensteuerveranlagung die zu viel gezahlten Steuern in einem späteren Kalenderjahr auf Weisung des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber erstattet, so kann dies nicht rückwirkend bei der Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers für das Streitjahr steuermindernd berücksichtigt werden.

 

Normenkette

EStG 1974 § 19 Abs. 1, § 11 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein amerikanischer Staatsbürger, war seit seinem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland ab dem 8. Mai 1974 als unselbständiger EDV-Berater bei einer GmbH beschäftigt. Im März 1975 kehrte er in die USA zurück. Mit der GmbH hatte er eine Nettolohnvereinbarung getroffen. Der Kläger trug vor, nach dieser Vereinbarung sollte ihm monatlich neben den gewährten Zulagen ein gleichbleibender Betrag zustehen. Die GmbH habe sich zur Übernahme sämtlicher darauf entfallender Steuern verpflichtet. Steuererstattungen sollten der GmbH zufließen und Steuernachforderungen von ihr zu tragen sein.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1974 erklärte der Kläger einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 77 078 DM, den er wie folgt berechnete:

Nettobezüge 48 756 DM

Zulagen 7 918 DM

56 674 DM

zuzüglich

Einkommensteuer 18 894 DM

Ergänzungsabgabe 566 DM

Stabilitätszuschlag 944 DM 20 404 DM

77 078 DM

Die auf die Nettobezüge und die Zulagen entfallenden Steuern ermittelte er wie folgt:

Nettobezüge 48 756 DM

Zulagen 7 918 DM

56 674 DM

./. steuerfreie Beträge

Weihnachtsfreibetrag 100 DM

Arbeitnehmerfreibetrag 240 DM

Werbungskosten 2 876 DM

Sonderausgaben 5 000 DM

2 Kinderfreibeträge 2 880 DM 11 096 DM

45 578 DM

Steuer auf 65 982 DM

Einkommensteuer 18 894 DM

Ergänzungsabgabe 566 DM

Stabilitätszuschlag 944 DM 20 404 DM

65 982 DM

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) legte der Einkommensteuerveranlagung 1974 einen Bruttoarbeitslohn von 91 763 DM zugrunde. Er ist der Auffassung, in den Bruttoarbeitslohn des Klägers seien die Steuern in der Höhe einzubeziehen, wie sie die GmbH für Rechnung des Klägers einbehalten und abgeführt habe. Der gegen den Einkommensteuerbescheid 1974 gerichtete Einspruch blieb bezüglich dieses Punktes ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1977 S. 177 (EFG 1977, 177) veröffentlichten Urteil statt. Es führte im wesentlichen aus: Aus der zwischen dem Kläger und der GmbH getroffenen Vereinbarung, nach der Steuererstattungen dem Arbeitgeber zustehen sollten, ergebe sich, daß die GmbH nur die tatsächlich geschuldete Jahressteuer übernommen habe. Soweit bei der Anwendung der Lohnsteuer-Monatstabelle gemäß §§ 38, 41 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1974, § 30 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) 1971 die Lohnsteuer mit einem größeren Betrag einbehalten und abgeführt worden sei, als an Einkommensteuer aufgrund der Veranlagung von ihm geschuldet werde, sollte sie von der GmbH nicht übernommen werden. Sie stelle insoweit keinen dem Nettolohn hinzuzurechnenden Vorteil dar und sei deshalb bei der Einkommensteuerveranlagung des Klägers nicht zu berücksichtigen.

Selbst wenn ein steuerpflichtiger Zufluß für das Streitjahr in Höhe der tatsächlich einbehaltenen und abgeführten Steuerbeträge bejaht werde, würde dies das Ergebnis nicht ändern. Die Abführung des Steuererstattungsbetrages an die GmbH sei dann eine Rückzahlung von Arbeitslohn. Dies sei bereits bei der Veranlagung des Klägers für das Streitjahr zu berücksichtigen. Er habe ab dem Jahre 1975 wegen Rückkehr in die USA keine Einkünfte in der Bundesrepublik Deutschland mehr bezogen, so daß eine Verrechnung mit den Einkünften späterer Jahre nicht möglich sei. Mit den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sei es unvereinbar, wenn die Rückzahlung steuerlich unberücksichtigt bliebe.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Es führt aus:

Das FG habe den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt; denn es habe nicht beachtet, daß der Kläger auch noch im Jahr 1975 in der Bundesrepublik Deutschland Einkünfte erzielt habe.

Die Vereinbarung zwischen dem Kläger und der GmbH über die Abtretung des Erstattungsanspruchs habe nur bürgerlich-rechtliche Bedeutung und zeitige keine steuerliche Wirkung. Der Auslegung der Nettolohnvereinbarung in dem Sinne, daß der Nettolohn nur um die laut Steuerbescheid zu zahlende Steuerschuld zu erhöhen sei, stehe Abschn. 54 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1972 bzw. Abschn. 89 LStR 1975 entgegen. Die Auffassung des FG, wonach zurückgezahlte Steuerbeträge die in einem früheren Veranlagungszeitraum zugeflossenen Einnahmen verminderten, sei mit § 11 Abs. 2 EStG nicht zu vereinbaren.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Entgegen der Rechtsauffassung des FG ist der Veranlagung des Klägers ein Bruttoarbeitslohn in Höhe von 91 763 DM zugrunde zu legen. In ihn müssen neben dem gewährten Nettolohn und den geleisteten Zulagen die von der GmbH einbehaltenen und abgeführten Steuerbeträge in tatsächlicher Höhe mit einbezogen werden.

Zu dem bei der Einkommensteuerveranlagung eines Arbeitnehmers zu berücksichtigenden steuerpflichtigen Arbeitslohn gehören auch sog. Nettobezüge. Der dabei anzusetzende Nettolohn ist um die vom Arbeitgeber übernommenen und tatsächlich einbehaltenen Steuern (Lohnsteuer, Ergänzungsabgabe, Stabilitätszuschlag) zu erhöhen, weil der Arbeitnehmer Schuldner dieser Steuern ist (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. Dezember 1975 VI B 124/75, BFHE 117, 553, BStBl II 1976, 543). Der Bruttojahreslohn des Klägers ist daher die Summe der ihm tatsächlich ausbezahlten Beträge und der einbehaltenen Steuern.

1. Entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanz ist dem Kläger auch bei Berücksichtigung der zwischen ihm und der GmbH getroffenen Vereinbarung, daß Steuererstattungen dem Arbeitgeber zustehen, ein geldwerter Vorteil insoweit zugeflossen, als die von der GmbH einbehaltenen und abgeführten Steuern höher waren, als er sie nach Durchführung der Veranlagung schuldete. Auch bei Zahlung von Nettolöhnen bleibt der Arbeitnehmer gemäß § 38 Abs. 4 Satz 1 EStG grundsätzlich Steuerschuldner dem FA gegenüber (Beschluß des Senats VI B 124/75). Übernimmt der Arbeitgeber diese persönliche Schuld des Arbeitnehmers, so fließt letzterem insoweit ein Vorteil zu, um den sich der Arbeitslohn erhöht. Die Höhe der vom Kläger geschuldeten Lohnsteuer richtet sich nach der für den Lohnzahlungszeitraum maßgeblichen Lohnsteuertabelle (§ 41 Abs. 2 Satz 1 EStG). Wird der Arbeitslohn wie im Streitfall für einen monatlichen Zeitraum gezahlt, so schuldet er bei der monatlichen Lohnzahlung jeweils ein Zwölftel des Jahresbetrages (§ 41 Abs. 2 Satz 3 EStG). Dasselbe gilt ebenfalls für die mit der Lohnsteuer abzuführende Ergänzungsabgabe und den Stabilitätszuschlag (vgl. § 6 Abs. 1 des Gesetzes über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer vom 21. Dezember 1967 - ErgAbgG -, BStBl I 1967, 484, § 2 Nr. 2 und § 5 des Gesetzes über die Erhebung eines Zuschlags zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer für die Kalenderjahre 1973 und 1974 vom 26. Juni 1973 - StabZG -, BStBl I 1973, 550). Da die GmbH den Kläger durch entsprechende Steuereinbehaltung und -abführung von seiner Steuerschuld gegenüber dem FA befreit hat, ist ihm in dieser Höhe ein bei der Einkommensteuerveranlagung zu erfassender geldwerter Vorteil zugeflossen.

Die vertragliche Abtretung des Erstattungsanspruchs kann die Höhe der vom Arbeitgeber einbehaltenen und abgeführten Steuern nicht mindern, weil ein etwaiger Erstattungsanspruch regelmäßig nur in der Person des Arbeitnehmers als Steuerschuldner entstehen kann. Ob der erstattungsberechtigte Steuerschuldner seinerseits zum Ausgleich gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet ist, der die Steuer für ihn entrichtet hat, ist eine bürgerlich-rechtliche Frage (BFH-Urteil vom 19. Dezember 1960 VI 92/60 U, BFHE 72, 465, BStBl III 1961, 170).

Fehl geht der Einwand des Klägers, die GmbH habe in Höhe des Erstattungsbetrages lediglich Vorschüsse an ihn geleistet, weil sich die Zusage nur auf die Übernahme der endgültigen Steuer beziehe. Denn er ist auch insoweit von seiner monatlichen Lohnsteuerschuld befreit worden und es sind ihm diese Abzüge bei der Veranlagung auch durch Anrechnung zugeflossen. Im übrigen konnte dem Kläger bzw. der GmbH beim Lohnsteuerabzug die genaue Höhe des künftigen Erstattungsanspruches wegen der vom Kläger geltend gemachten Abzugsbeträge nicht bekannt sein. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf das Urteil des Senats vom 25. Januar 1963 VI 69/61 U (BFHE 76, 384, BStBl III 1963, 141) berufen, da dort keine Zahlungsverpflichtung in Höhe der geleisteten Beträge bestand.

2. Der Senat tritt der Vorinstanz auch insofern nicht bei, als sie die Klage bereits deshalb für begründet erachtet hat, weil bei Bejahung eines entsprechenden Zuflusses die Rückzahlung des Steuererstattungsbetrages an die GmbH schon im Streitjahr beim Kläger einkommensmindernd zu berücksichtigen sei.

Im Streitfall kann dahinstehen, ob in der Rückzahlung von Steuererstattungen an den Arbeitgeber im Rahmen einer Nettolohnversteuerung sog. negative Einnahmen des Steuerpflichtigen gesehen werden können. Die Rückerstattung durch den Kläger kann bei der Veranlagung 1974 jedenfalls deshalb nicht berücksichtigt werden, weil ihm im Streitjahr diesbezüglich keine Ausgaben im Sinne des § 11 Abs. 2 EStG entstanden sind. Nach dieser Vorschrift sind Ausgaben in dem Jahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind, d. h., in dem sich der Steuerpflichtige der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über die betreffenden geldwerten Güter begeben hat (Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., § 11 Rdnr. 52). Die erst im Jahr 1976 erfolgte Steuerrückerstattung an die GmbH kann daher bei der Einkommensteuerveranlagung des Klägers für das Streitjahr nicht berücksichtigt werden.

Es kann offenbleiben, ob entsprechend den Grundsätzen der Entscheidung des FG Düsseldorf vom 5. August 1971 IX 210/70 E (EFG 1971, 535) eine Leistung der zu erwartenden Steuererstattung durch den Kläger an die GmbH bereits mit der Abgabe der Steuererklärung beim FA oder mit ihrer Übergabe an die GmbH zur Weiterleitung an das FA, verbunden mit der Anweisung, den Erstattungsbetrag an die GmbH auszuzahlen, gesehen werden kann. Denn nach § 11 Abs. 2 EStG könnten solche Vorgänge, selbst wenn man hierin eine Ausgabe erblicken sollte, bei der hier streitigen Einkommensteuerveranlagung des Klägers für das Jahr 1974 nicht berücksichtigt werden, da sie nicht im Streitjahr erfolgten. Die gegenteilige Auffassung des FG widerspricht dem Wortlaut, Sinn und Zweck des § 11 EStG, wonach steuerpflichtige Einnahmen und steuerwirksame Ausgaben grundsätzlich nur im Jahr des Zuflusses und Abflusses berücksichtigt werden können.

Die Entscheidung des FG, die auf anderen rechtlichen Erwägungen beruht, war aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Die Klage ist abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Eines Eingehens auf die Verfahrensrüge bedarf es nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73268

BStBl II 1979, 771

BFHE 1979, 467

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