Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurechnung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bei Miteigentümern

 

Leitsatz (NV)

1. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung können einem einzelnen Miteigentümer nur dann (anteilig) zugerechnet werden, wenn und soweit er in objektiver und subjektiver Hinsicht den Tatbestand des § 21 Abs. 1 EStG erfüllt.

2. Die Feststellung, wer unter mehreren Miteigentümern den objektiven Einkünftetatbestand erfüllt hat, ist vorrangig gegenüber der Frage nach der Zurechnung ggf. gemeinschaftlich erzielter Einkünfte; dementsprechend stellt sich die Zurechnungsfrage überhaupt nicht, wenn feststeht, dass nur ein Miteigentümer allein den objektiven Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung erfüllt.

3. Voraussetzung für die Anerkennung vorab entstandener Werbungskosten ist, dass ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart, in deren Rahmen ein Abzug begehrt wird, besteht. Hat der Steuerpflichtige solche Aufwendungen vergeblich getätigt, können diese selbst dann abziehbar sein, wenn es entgegen den Planungen des Steuerpflichtigen nicht zu Einnahmen kommt, sofern nur eine erkennbare Beziehung zu den angestrebten Einkünften besteht.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1-2, § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; AO § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG (Urteil vom 25.06.2008; Aktenzeichen 1 K 50128/04; EFG 2009, 629)

 

Tatbestand

Rz. 1

I. Der Beigeladene und Revisionskläger (Beigeladener) und seine frühere Ehegattin, die Klägerin und Beteiligte (Klägerin), waren im Zeitraum von 1987 bis 1996 verheiratet. Seit dem 1. März 1995 lebten sie dauerhaft getrennt. Während des Bestehens der Ehe erwarben der Beigeladene und die Klägerin --jeweils zur ideellen Hälfte-- im Jahr 1989 eine Eigentumswohnung in K sowie im Jahr 1994 ein Reihenhausgrundstück in R; beide Objekte wurden in der Folgezeit vermietet. Die Darlehensfinanzierung des Objekts in R wurde allein durch den Beigeladenen übernommen, nachdem die Klägerin sich mit Blick auf die Trennung von dem Beigeladenen geweigert hatte, den ursprünglich ausgefertigten und auf beide Eheleute lautenden Darlehensvertrag zu unterzeichnen. Durch notariell beurkundete Ehescheidungsfolgenvereinbarung vom 25. November 1996 vereinbarten die Beteiligten den Übergang der Eigentumsanteile der Klägerin an den genannten Objekten auf den Beigeladenen.

Rz. 2

Mit Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Veranlagungszeiträume 1994 bis 1996 (Streitjahre) stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung der Objekte in K und R in Höhe von ./. 170.262 DM (für 1994), ./. 41.224 DM (für 1995) und ./. 18.516 DM (für 1996) fest und verteilte sie auf die Feststellungsbeteiligten. Mit dem hiergegen gerichteten Einspruch begehrte der Beigeladene eine vollständige Zurechnung der Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung auf seine Person. In seiner Einspruchsentscheidung änderte das FA die angefochtenen Feststellungsbescheide wie folgt: Während die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Streitjahr 1994 der Höhe nach unverändert auf ./. 170.262 DM festgestellt wurden, betrugen die einheitlich und gesondert festgestellten Werbungskostenüberschüsse für 1995 nunmehr ./. 41.223 DM und für 1996 ./. 15.490 DM. Darüber hinaus vertrat das FA die Auffassung, dass Einnahmen, Werbungskosten und Sonderabschreibungen des 1994 erworbenen Objekts in R vollständig dem Beigeladenen zuzurechnen seien, weil dieser die Mieten allein vereinnahmt habe und auch allein mit den Kosten belastet gewesen sei. Danach ergebe sich folgende Verteilung der Einkünfte auf die Feststellungsbeteiligten:

3

Klägerin

Beigeladener

1994

./. 2.566 DM

./. 167.696 DM

1995

./. 2.344 DM

./. 38.879 DM

1996

./. 2.185 DM

./. 13.305 DM

Rz. 4

Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage begehrte die Klägerin die jeweils hälftige Zuordnung der in der Einspruchsentscheidung festgestellten Einkünfte aus den Objekten in K und R auf die beteiligten Miteigentümer. Das Finanzgericht (FG) folgte in seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 629 veröffentlichten Entscheidung der Auffassung der Klägerin, wonach dieser als hälftige Miteigentümerin der Objekte ein Anspruch auf hälftige Zurechnung der Verluste bis zum Übergabestichtag --dem Tag des Abschlusses der Ehescheidungsfolgenvereinbarung am 25. November 1996-- zustehe.

Rz. 5

Mit der Revision rügt der Beigeladene die Verletzung materiellen Rechts. Er vertritt die Auffassung, das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass er, der Beigeladene, und die Klägerin hinsichtlich des Objekts in R gemeinschaftlich den Tatbestand der Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verwirklicht und dadurch Einkünfte erzielt hätten. Der Mietvertrag über das Objekt in R sei allein von ihm, dem Beigeladenen, abgeschlossen worden. Die Klägerin sei danach nicht als Vermieterin Vertragspartnerin dieses Vertrages geworden und daher auch nicht aus diesem Vertrag mitberechtigt und mitverpflichtet worden. Sie habe sich auch geweigert, den mit der finanzierenden Bank ausgehandelten Darlehensvertrag zu unterzeichnen und mithin nicht an der Objektfinanzierung beteiligt. Einkünfte aus diesem Objekt seien daher allein ihm, dem Beigeladenen, zuzurechnen.

Rz. 6

Der Beigeladene beantragt,das Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 25. Juni 2006 1 K 50128/04 aufzuheben,hilfsweise, das genannte Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Rz. 7

Das FA beantragt,die Revision zurückzuweisen,hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Rz. 8

Das FA vertritt die Auffassung, im Streitfall seien die maßgeblichen Werbungskostenüberschüsse zu Recht je hälftig auf die beiden Miteigentümer verteilt worden, da im Zeitpunkt des Erwerbs des Objektes in R beide Miteigentümer in der Absicht gehandelt hätten, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen. Soweit der Beigeladene ab August 1995 einen Mietvertrag über das Objekt abgeschlossen hätte, das ihn allein als berechtigten Vermieter ausweise, könne dies nicht nachteilig auf eine bereits vorhandene Einkünfteerzielungsabsicht der Klägerin zurückwirken. Daher sei im Streitfall von einer gemeinschaftlichen Einkünfteerzielungsabsicht und einer Zurechnung entsprechend der zivilrechtlichen Beteiligungsverhältnisse auszugehen.

Rz. 9

Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass sich die Notwendigkeit einer Zurechnung von Einkünften aus dem Objekt in R in den Streitjahren 1994 und 1995 bereits aus ihrer Miteigentümerstellung ergebe. Erst mit dem Abschluss der notariell beurkundeten Ehescheidungsfolgenvereinbarung im November 1996 habe sie diese rechtliche Stellung verloren. Diese --zeitlich vorangehende-- Zuordnung könne nicht durch den Abschluss eines Mietvertrages allein durch den Beigeladenen im Jahr 1995 beeinträchtigt werden. Im Rahmen der erforderlichen zweistufigen Prüfung könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Beigeladene in den Streitjahren alleine Einkünfte aus dem Objekt in R erzielt habe. Auf der zweiten Prüfungsstufe sei eine Zurechnung entsprechend den zivilrechtlichen Beteiligungsverhältnissen vorzunehmen, wie dies das FG zutreffend gemacht habe.

Rz. 10

Die Klägerin beantragt,die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 11

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Feststellungen des FG erlauben nicht den Schluss, die maßgeblichen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung seien dem Beigeladenen und der Klägerin entsprechend den Eigentumsanteilen an den vermieteten Objekten --und mithin jeweils hälftig-- zuzurechnen.

Rz. 12

1. Zutreffend geht die Vorinstanz davon aus, dass die Voraussetzungen für eine einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung vorliegen; denn der Beigeladene und die Klägerin haben unstreitig jedenfalls hinsichtlich des Objekts in K den Tatbestand des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gemeinschaftlich erfüllt. Demgegenüber ist hinsichtlich des Objekts in R nicht hinreichend festgestellt, ob der Beigeladene, wie er vorgetragen hat, allein den Tatbestand dieser Einkunftsart erfüllt hat und mithin nur ihm (negative) Einkünfte hinsichtlich dieses Objekts zuzurechnen sind oder ob auch die Klägerin insoweit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt hat.

Rz. 13

2. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, wer ein Grundstück, ein Gebäude oder einen Gebäudeteil in der Absicht vermietet, daraus auf Dauer ein positives Ergebnis zu erreichen. Den   objektiven   Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwirklicht, wer einem anderen eines der in § 21 Abs. 1 EStG genannten Wirtschaftsgüter entgeltlich auf Zeit zum Gebrauch oder zur Nutzung überlässt und in diesem Zusammenhang Träger der Rechte und Pflichten aus einem Miet- oder Pachtvertrag ist. In   subjektiver   Hinsicht setzt die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung eine Überschusserzielungsabsicht voraus (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. Juni 1999 IX R 83/95, BFHE 190, 82; vom 11. März 2003 IX R 16/99, BFH/NV 2003, 1043).

Rz. 14

Hinsichtlich des objektiven Tatbestands der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung kommt es mithin darauf an, wer die maßgebenden wirtschaftlichen Dispositionsbefugnisse über das Mietobjekt und damit eine Vermietertätigkeit selbst oder durch einen gesetzlichen Vertreter bzw. Verwalter wirtschaftlich ausübt (vgl. BFH-Urteile vom 19. November 2003 IX R 54/00, BFH/NV 2004, 1079; vom 6. September 2006 IX R 13/05, BFH/NV 2007, 406). Bei mehreren (Mit-)Eigentümern muss dementsprechend zunächst geprüft werden, ob diese das maßgebliche Objekt gemeinschaftlich vermietet und somit den objektiven Tatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG gemeinschaftlich verwirklicht haben, oder ob lediglich einer der Miteigentümer dies getan hat.

Rz. 15

Die Feststellung, wer unter mehreren Miteigentümern den objektiven Einkünftetatbestand erfüllt hat, ist vorrangig gegenüber der Frage nach der Zurechnung ggf. gemeinschaftlich erzielter Einkünfte; dementsprechend stellt sich die Zurechnungsfrage überhaupt nicht, wenn feststeht, dass nur ein Miteigentümer allein den objektiven Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung erfüllt (BFH-Urteil in BFHE 190, 82). Unerheblich ist es in diesem Zusammenhang dann auch, ob der andere Miteigentümer, der nicht als Vermieter auftritt, zum Zeitpunkt des gemeinschaftlichen Erwerbs der maßgeblichen Immobilie noch von der subjektiven Vorstellung geleitet wurde, er werde zu einem späteren Zeitpunkt den objektiven Tatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllen.

Rz. 16

3. Unabhängig von der Beurteilung, ob --ab einem gewissen Zeitpunkt tatsächlich erzielte-- Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nur einem oder mehreren (Mit-)Eigentümern zuzurechnen sind (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 20. Januar 2009 IX R 18/07, BFH/NV 2009, 1247), ist die Frage zu beantworten, ob mit dem Erwerb einer Immobilie im Zusammenhang stehende, vorab entstandene (vergebliche) Werbungskosten auch von solchen Miteigentümern geltend gemacht werden können, die --entgegen ihrer ursprünglichen Planung-- zu einem späteren Zeitpunkt den objektiven Tatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht erfüllt haben.

Rz. 17

Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie bei ihr erwachsen, und das heißt, durch die sie veranlasst sind. Fallen diese schon an, bevor damit zusammenhängende Einnahmen erzielt werden, können sie als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen dem Aufwand und der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung besteht (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 IX R 40/08, BFH/NV 2009, 1629). Ein dahin gehender Zusammenhang besteht von dem Zeitpunkt an, zu dem sich anhand objektiver Umstände feststellen lässt, dass der Steuerpflichtige den Entschluss, durch den Erwerb eines Gebäudes Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, endgültig gefasst und (noch) nicht wieder aufgegeben hat (vgl. BFH-Urteil vom 19. Dezember 2007 IX R 50/07, BFH/NV 2008, 1111). Vorab entstandene Aufwendungen können selbst dann --bis zum Zeitpunkt der Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht-- abziehbar sein, wenn es entgegen den Planungen des Steuerpflichtigen nicht zu Einnahmen kommt, sofern nur eine erkennbare Beziehung zu den angestrebten Einkünften besteht (vgl. BFH-Urteile vom 29. November 1983 VIII R 160/82, BFHE 140, 216, BStBl II 1984, 307; vom 17. Mai 1988 IX R 156/86, nicht veröffentlicht).

Rz. 18

Zu den vorab entstandenen Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung können grundsätzlich auch Sonderabschreibungen nach den Bestimmungen des Fördergebietsgesetzes gehören, mit denen Anschaffungskosten einer zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung vorgesehenen Immobilie im Rahmen der Einkünfteermittlung berücksichtigt werden sollen (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juni 2002 IX R 51/01, BFHE 199, 388, BStBl II 2002, 758).

Rz. 19

4. Das Urteil der Vorinstanz beruht auf einer abweichenden Auslegung der maßgeblichen Vorschriften und ist deshalb aufzuheben.

Rz. 20

Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat zunächst nicht festgestellt, ob der Beigeladene, wie von ihm vorgetragen, den Mietvertrag über das Objekt in R allein abgeschlossen und damit den objektiven Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung auch allein erfüllt hat.

Rz. 21

Sind die Einkünfte aus dem Objekt in R nach diesen Maßstäben grundsätzlich nur dem Beigeladenen zuzurechnen, wird das FG in einem zweiten Schritt festzustellen haben, ob die Klägerin gleichwohl vorab entstandene vergebliche Werbungskosten hinsichtlich dieses Objekts geltend machen kann. Hierzu wird das FG anhand objektiver Umstände ermitteln müssen, ob und gegebenenfalls wie lange die Klägerin hinsichtlich des Objekts in R mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hat. Eine Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht müsste indes spätestens in der Weigerung der Klägerin, sich an den Anschaffungs- und Anschaffungsnebenkosten des Objekts in R zu beteiligen, gesehen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2311748

BFH/NV 2010, 863

HFR 2010, 696

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