Leitsatz (amtlich)

Stellt der Bescheid, mit dem das FA die pauschale Besteuerung des Arbeitslohnes von Aushilfskräften zuläßt, für die Bemessungsgrundlage auf den Arbeitslohn der Aushilfskräfte ab, so sind Reisekosten, die der Arbeitgeber den Aushilfskräften im Rahmen des Abschn. 21 LStR erstattet, in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Lohnsteuer nicht einzubeziehen.

 

Normenkette

EStG § 42a Abs. 2 Nr. 3; LStDV § 35b Abs. 1 Nr. 1b; LStR Abschn. 52c Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Inhaber einer Spedition, die Schwertransporte ausführt sowie den Möbel- und Güterfernverkehr betreibt. Er beschäfigt seit Jahren kurzfristig Aushilfskräfte, deren Bezüge er mit Genehmigung des Beklagten und Revisionsklägers (FA) in den Streitjahren pauschal mit 12 v. H. bzw. 10 v. H. besteuerte. Bei einer Lohnsteueraußenprüfung stellte das FA u. a. fest, daß der Kläger seinen kurzfristig beschäftigten Arbeitnehmern - wie seinen übrigen Arbeitnehmern - Reisekosten erstattet hatte, soweit die Aushilfskräfte für Be- und Entladearbeiten auf Fernfahrten mitgenommen worden waren. Der Kläger bezahlte in den Streitjahren an die Aushilfskräfte zur Abgeltung von Mehraufwendungen für Verpflegung und Übernachtungskosten insgesamt 2 675 DM. Diesen Betrag bezog der Kläger nicht in die Bemessungsgrundlage bei der Berechnung der Lohnsteuer nach Pauschsätzen ein. Das FA sah dagegen die den Aushilfskräften erstatteten Reisekosten als Arbeitslohn an und besteuerte den Betrag von 2 675 DM pauschal. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das FG gab der Klage statt. Es führte im wesentlichen aus: Bei den in § 42a Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 1 EStG genannten Bezügen handele es sich um nach §§ 2 f. LStDV steuerpflichtige Bezüge. Hierzu gehörten gemäß § 4 Nr. 3 LStDV nicht die Beträge, die den im privaten Dienst angestellten Personen für Reisekosten bezahlt würden. Für § 42a Abs. 2 Nr. 3 EStG könne nichts anderes gelten. Denn § 42a EStG sei eine Vereinfachungsvorschrift, die die in den §§ 2 f. LStDV niedergelegte Abgrenzung zwischen steuerpflichtigem und nichtsteuerpflichtigem Arbeitslohn nicht verschiebe oder gar aufhebe. Nach § 35b Abs. 1 Nr. 1b LStDV werde die Lohnsteuer zwar im Fall der Pauschalbesteuerung "von der Summe der Aufwendungen des Arbeitgebers" erhoben. Damit sei indes nur die Summe der vom Arbeitgeber gezahlten lohnsteuerpflichtigen Bezüge gemeint. Sollte der Verordnungsgeber mit "Summe der Aufwendungen" auch die Bezüge gemeint haben, die bei ständigen Arbeitnehmern zum lohnsteuerfreien Arbeitslohn gehörten, hätte er sich nicht im Rahmen des § 42a Abs. 2 Nr. 3 EStG gehalten. Einer Erweiterung der Steuerpflicht würde in diesem Fall die Rechtsgrundlage fehlen. Mit § 35b LStDV habe nur der Wortlaut des § 42a Abs. 2 Nr. 3 EStG wiederholt werden sollen. Die Worte "Summe der Aufwendungen" finde sich auch in § 35a Abs. 1 und § 35b Abs. 1 Nr. 2 LStDV, ohne daß mit diesem Begriff dort die Zahlung sonst steuerfreien Arbeitslohns gemeint wäre. Auch die Höhe des Pauschsteuersatzes stehe dieser Auffassung nicht entgegen.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt das FA fehlerhafte Auslegung der §§ 42a EStG und 35b LStDV. Zu Unrecht habe das FG in § 42a Abs. 2 Nr. 3 EStG eine für die Bemessung des Pauschsteuersatzes maßgebende Norm gesehen. Zur Art und Weise, wie der Pauschsteuersatz vom FA zu berechnen sei, bestimme § 42a EStG, daß § 39 EStG zu berücksichtigen sei. § 42a Abs. 2 Nr. 1 bis 3 EStG grenze seinem Wortlaut nach lediglich die Fälle ab, in denen die Lohnsteuererhebung nach Pauschsteuersätzen in Betracht komme. Zu der Frage der Höhe des Pauschsatzes und der Bemessungsgrundlage enthalte § 42a Abs. 2 EStG keine Regelung. Der Gesetzgeber habe die Bestimmung des anzuwendenden Pauschsteuersatzes für die einzelnen Fälle des § 42a Abs. 2 EStG der Finanzverwaltung überlassen, diese aber verpflichtet, die sich aus § 39 EStG ergebenden Maßstäbe zu berücksichtigen. Da sich bei Beachtung des § 39 EStG Höhe und Bemessungsgrundlage des Pauschsteuersatzes wechselseitig bedingten, könne die schon vom Wortlaut des § 42a Abs. 2 Satz 3 EStG ausgeschlossene Auffassung des FG auch nicht vom Sinn und Zweck dieser Vorschrift her gerechtfertigt werden. Das FG habe übersehen, daß § 35b Abs. 1 Nr. 1 und 2 LStDV ausdrücklich die Bemessungsgrundlage für den anzuwendenden Pauschsteuersatz festlege. § 35b LStDV enthalte seinem Wesen nach eine Ergänzung des § 42a Abs. 2 EStG und sei entgegen der Auffassung des FG nicht nur eine mehr oder weniger wörtliche Wiederholung des § 42a EStG. Die Ermächtigungsgrundlage für diese Regelung sei § 51 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Nach § 35b Abs. 1 Nr. 1 LStDV sei Bemessungsgrundlage für den Pauschsteuersatz bei kurzfristig beschäftigten Aushilfskräften die Summe der Aufwendungen des Arbeitgebers. Der Vereinfachungszweck gebiete es, in den Fällen des § 35b Abs. 1 Nr. 1b LStDV den Begriff "Summe der Aufwendungen des Arbeitgebers" weit auszulegen. Den Arbeitgebern von Aushilfskräften sei es unzumutbar oder unmöglich, die den einzelnen Arbeitnehmern gezahlten Gelder nach Art und Verwendungszweck und nach ihrer steuerlichen Eingruppierung zu trennen. Daher sei es sinnvoll, daß § 35b Abs. 1 Nr. 1 LStDV alle Aufwendungen, die der Arbeitgeber unmittelbar für seine Aushilfskräfte mache, dem Pauschsteuersatz unterwerfe. Damit sei die Ermächtigung des § 42a Abs. 2 EStG nicht überschritten. Denn § 39 EStG würde nur einem Pauschsteuersatz entgegenstehen, der bei dieser Berechnungsweise zu einem offenbar unzutreffenden Steuersatz führen würde. Das FG habe die geringe Höhe des Pauschsteuersatzes zu Unrecht für bedeutungslos gehalten. Gerade im Speditionsgewerbe seien Zahlungen von sonst steuerfreien Bezügen an kurzfristig beschäftigte Aushilfskräfte nicht selten. Der Pauschsteuersatz von 10 v. H. könne gerade im Rahmen einer typisierenden allgemeinen Regelung nur dann als mit der Regelung des § 39 EStG vereinbar angesehen werden, wenn er grundsätzlich alle Aufwendungen des Arbeitgebers für diese Aushilfskräfte erfasse.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Nach § 42a Abs. 2 Nr. 3 EStG (§ 35b Abs. 1 Nr. 1b LStDV) ist das FA ermächtigt, auf Antrag des Arbeitgebers zuzulassen, daß die Lohnsteuer nach einem Pauschsteuersatz erhoben wird, wenn Bezüge an kurzfristig beschäftigte Arbeitnehmer gezahlt werden. Bei der Ermittlung des Pauschsteuersatzes sind die Vorschriften des § 39 EStG zu berücksichtigen. Die Lohnsteuer ist unter Anwendung eines Pauschsteuersatzes auf die "Bezüge" der kurzfristig beschäftigten Arbeitnehmer zu ermitteln. Dem Begriff "Bezüge" in § 42a Abs. 2 Nr. 3 EStG läßt sich nicht entnehmen, ob hierunter alle Aufwendungen des Arbeitgebers für die Aushilfskräfte - etwa auch vom Arbeitgeber erstattete Reisekosten im Sinne des § 3 Nr. 13 und 16 EStG (§ 4 Nr. 2 und 3 LStDV) - fallen. Denn das Einkommensteuer- und das Lohnsteuerrecht verwenden den Begriff Bezüge sowohl im Sinne von steuerpflichtigen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit (z. B. § 19 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG, § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 2 LStDV) als auch im Sinne von steuerfreien Einnahmen (§ 3 Nr. 5, 6, 17, 29 bis 40 EStG; § 4 Nr. 1, § 6 Nr. 4, 5, 12, 18 LStDV). Nach § 35b Abs. 1 Nr. 1b LStDV ist zwar die nach einem Pauschsteuersatz zu erhebende Lohnsteuer "von der Summe der Aufwendungen des Arbeitgebers" zu erheben. Für diese Vorschrift ist indes eine Ermächtigungsgrundlage nicht ersichtlich. § 42a EStG enthält sie nicht; § 51 Abs. 1 Nr. 1 EStG greift - entgegen der Auffassung des FA - nicht ein. Deshalb kommt § 35b Abs. 1 Nr. 1b LStDV insoweit kein Rechtsnormcharakter zu. Es handelt sich lediglich um eine Verwaltungsanweisung, die die dem FA durch § 42a Abs. 2 EStG übertragene Befugnis mit Wirkung nach außen nicht einschränken kann. Danach ist das FA nicht gehindert, eine von § 35b Abs. 1 Nr. 1b LStDV abweichende Regelung zu treffen, die sich im Rahmen des § 42a Abs. 2 EStG hält.

Im Streitfall hat das FA die pauschale Besteuerung des Arbeitslohns der vom Kläger beschäftigten Aushilfskräfte durch Verfügung vom 19. November 1963 "nach Abschn. 52c Abs. 1 Nr. 2 LStR 1963" genehmigt. Damit hat es die Regelung des Abschn. 52c Abs. 1 Nr. 2 LStR - die Lohnsteuer auf 12 v. H. des "Arbeitslohns" der Aushilfskräfte festzusetzen, wenn der Arbeitgeber deren Lohnsteuer wie im Streitfall übernimmt - zum Inhalt des Genehmigungsbescheides gemacht. Entsprechend setzt der Bescheid selbst die Lohnsteuer auf 12 v. H. des "Bruttoverdienstes" fest. Daß der Genehmigungsbescheid für die Bemessungsgrundlage an die Begriffe "Arbeitslohn" und "Bruttoverdienst" anknüpft, deutet darauf hin, daß das FA sich an die Systematik im Lohnsteuerabzugsverfahren (§§ 38 bis 42 EStG) halten wollte. Bemessungsgrundlage bei der Festsetzung der Lohnsteuer im Lohnsteuerabzugsverfahren ist der Arbeitslohn, den der Arbeitnehmer im Kalenderjahr bezogen hat (§ 39 Abs. 1 Satz 1 EStG, § 32 Abs. 1 Satz 1 LStDV). Zum Arbeitslohn im Sinne dieser Vorschrift gehören alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen (§ 2 Abs. 1 LStDV). Vom Arbeitslohn ausgenommen sind u. a. ausdrücklich Beträge, die den im privaten Dienst angestellten Personen für Reisekosten bezahlt werden, soweit sie - wie hier unstreitig - die durch die Reise entstandenen Aufwendungen nicht übersteigen (§ 3 Nr. 16 EStG, § 4 Nr. 3 LStDV). Diese Abgrenzung der Bemessungsgrundlage bei dem Lohnsteuerabzugsverfahren (§§ 38 bis 42 EStG) gilt - jedenfalls im Streitfall - auch für die Erhebung der Lohnsteuer nach Pauschsätzen, da das FA hier hinsichtlich der Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Lohnsteuer ausdrücklich auf den "Arbeitslohn" und den "Bruttoverdienst" der Aushilfskräfte abgestellt hat. Wenn das FA - abweichend von der sonst üblichen Systematik - im Streitfall alle Aufwendungen des Arbeitgebers für die Aushilfskräfte bei der Berechnung der Lohnsteuer nach Pauschsätzen in die Bemessungsgrundlage hätte einbeziehen wollen, hätte es dies im Genehmigungsbescheid deutlich zum Ausdruck bringen müssen.

Der Vereinfachungszweck des § 42a EStG verlangt es nicht, die im Einkommensteuer- und Lohnsteuerrecht allgemein gültige Abgrenzung zwischen steuerpflichtigem und nichtsteuerpflichtigem Arbeitslohn bei der Besteuerung des Arbeitslohns nach Pauschsätzen aufzuheben und alle dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließenden Vorteile in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der pauschal zu erhebenden Lohnsteuer einzubeziehen. In der Regel wird es dem Arbeitgeber - entgegen der Auffassung des FA - nicht unzumutbar oder gar unmöglich sein, bei den an die Aushilfskräfte bezahlten Beträgen - wie bei den übrigen Arbeitnehmern auch - zwischen steuerpflichtigem Arbeitslohn und steuerfreier Erstattung von z. B. Reisekosten zu unterscheiden.

Auch aus der Regelung des § 42a Abs. 2 letzter Satz EStG, daß die Erhebung der Lohnsteuer nach Pauschsätzen davon abhängig gemacht werden kann, daß die Bezüge und die davon einbehaltene Lohnsteuer bei einer Veranlagung und bei einem Lohnsteuer-Jahresausgleich außer Betracht zu bleiben haben, wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuer übernimmt, läßt sich für die Auffassung des FA nichts herleiten. Daß der Arbeitnehmer Werbungskosten, die im Zusammenhang mit den Bezügen aus seiner Aushilfstätigkeit stehen, im Lohnsteuer-Jahresausgleich oder bei einer Veranlagung nicht geltend machen kann, schließt einen steuerfreien Ersatz von Reisekosten an den Arbeitnehmer nicht aus. Der pauschal besteuerte Arbeitslohn und die pauschal abgeführte Lohnsteuer scheiden bei einer Veranlagung und im Lohnsteuer-Jahresausgleich der von der Pauschalbesteuerung betroffenen Arbeitnehmer deshalb aus, weil die Arbeitnehmer durch die von dem Arbeitgeber übernommene Lohnsteuer nicht weiter belastet und in dieses Lohnsteuer-Erhebungsverfahren besonderer Art nicht weiter eingeschaltet sind (Urteil des BFH vom 3. November 1972 VI R 270/69, BFHE 107, 381 BStBl II 1973, 128). Außerdem würde die Einbeziehung des pauschal besteuerten Arbeitslohns in die Veranlagung oder den Lohnsteuer-Jahresausgleich den mit § 42a Abs. 2 EStG angestrebten Vereinfachungszweck vereiteln. Diese Erwägungen sind indes ohne Bedeutung bei der Frage, ob steuerfrei erstattete Reisekosten in die Bemessungsgrundlage bei der Berechnung der Lohnsteuer nach Pauschsätzen miteinzubeziehen sind.

Im übrigen würde es zu wirtschaftlich unbefriedigenden Ergebnissen führen, wenn im Lohnsteuerabzugsverfahren steuerfreie Teile der Arbeitnehmerbezüge bei der Besteuerung des Arbeitslohns nach Pauschsätzen in die Bemessungsgrundlage miteinbezogen würden. Es erscheint nicht sinnvoll, bei der Beschäftigung von Aushilfskräften z. B. steuerfreie Essenzuschüsse oder Verpflegungszuschüsse wegen überlanger Abwesenheit von der Wohnung in die Besteuerungsgrundlage miteinzubeziehen. Abgesehen davon könnte die Einbeziehung von sonst nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gehörenden Vorteilen in die Bemessungsgrundlage dazu führen, daß die in Abschn. 52c Abs. 1 und 2 LStR vorgesehenen Verdienstgrenzen überschritten würden und eine pauschale Besteuerung des Arbeitslohnes deshalb nicht in Betracht käme.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413339

BStBl II 1973, 421

BFHE 1973, 322

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