Leitsatz (amtlich)

Die an Lehrer einer staatlich anerkannten Ersatzschule nach beamtenrechtlichen Grundsätzen wegen Hilfsbedürftigkeit gezahlten Beihilfen sind insoweit nach § 3 Nr. 11 EStG 1971 steuerfrei, als die Mittel dazu aus einem öffentlichen Haushalt stammen und ihre Verwendung einer gesetzlich geregelten Kontrolle unterliegt.

 

Normenkette

EStG 1971 § 3 Nr. 11

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die dem klagenden Ehemann (Kläger und Revisionskläger - Kläger-) von seiner Arbeitgeberin entsprechend den für Landesbeamte geltenden Bestimmungen gewährten Beihilfen in Krankheitsfällen nach § 3 Nr. 11 des Einkommensteuergesetzes 1971 (EStG) steuerfrei zu belassen sind.

Der Kläger ist Studiendirektor an der Werkberufsschule der X-AG in A. Diese Schule ist eine staatlich anerkannte Ersatzschule i. S. der §§ 36, 37 des Ersten Gesetzes zur Ordnung des Schulwesens im Lande Nordrhein-Westfalen vom 8. April 1952 - SchOG (NW) - (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen - GV NW - 1952, 61). Nach dem Gesetz über die Finanzierung der Ersatzschulen vom 27. Juni 1961 (GV NW 1961, 230) erhält die AG als Schulträger vom Land Nordrhein-Westfalen Zuschüsse. Im Streitjahr 1973 trug das Land 94 % der an der Werkberufsschule angefallenen Personalkosten einschließlich der von der AG geleisteten Beihilfeaufwendungen.

Gemäß § 3 des mit der AG abgeschlossenen Anstellungsvertrages vom 7. September 1972 werden die Dienstbezüge des Klägers nach Maßgabe der besoldungsrechtlichen Bestimmungen, die für vergleichbare Landesbeamte gelten, errechnet. Im Streitjahr 1973 war er in die Besoldungsgruppe A 15 des nordrheinwestfälischen Besoldungsgesetzes eingestuft. Daneben zahlte ihm die AG eine sog. Industriezulage in Höhe von 25 % seines Gehalts, für die die AG vom Land keinen Zuschuß erhält. Der Anstellungsvertrag zwischen der AG und dem Kläger ist von der oberen Schulaufsichtsbehörde genehmigt worden. Der Vertrag gewährt dem Kläger u. a. einen Anspruch auf beamtenmäßige Versorgung (§ 5) sowie auf Fortzahlung der "Dienstbezüge" im Krankheitsfalle (§ 4 Abs. 1). Außerdem heißt es darin (§ 8), daß aufgrund der Entscheidung des Kultusministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 19. Juni 1957 für das durch diesen Vertrag begründete Anstellungsverhältnis nach § 8 Abs. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten (Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz - AnVNG -) vom 23. Februar 1957 (BGBl I 1957, 88) Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung der Angestellten besteht.

Nach § 4 Abs. 2 des Anstellungsvertrages gewährt die AG dem Kläger Unterstützungen und Beihilfen nach den für vergleichbare Landesbeamte maßgebenden Bestimmungen.

Im Streitjahr 1973 erhielt der Kläger von der AG nach der Beihilfeverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen berechnete Beihilfen in Krankheitsfällen von insgesamt 3 015 DM, von denen die AG Steuerabzugsbeträge einbehielt. In der Einkommensteuererklärung 1973 beantragte er, diese Beihilfen steuerfrei zu belassen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte dem Antrag nicht und behandelte die 3 015 DM im Einkommensteuerbescheid 1973 als steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Dem daraufhin von den Klägern eingelegten Einspruch gab das FA insofern teilweise statt, als es die Krankheitskosten, für die Beihilfen gezahlt wurden, gemäß § 33 EStG in Höhe von 3 015 DM als außergewöhnliche Belastung anerkannte.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies sie als unbegründet ab, weil die geltend gemachten Beträge weder nach § 3 Nr. 11 EStG noch nach Abschn. 10 der Lohnsteuer-Richtlinien 1972 (LStR) als steuerfrei zu behandeln seien. Denn der Kläger habe die streitigen Beihilfen aufgrund seines Anstellungsvertrages von der AG, einer Körperschaft des privaten Rechts, erhalten. Nach den dargelegten Grundsätzen könnten diese Mittel, auch wenn sie fast vollständig durch Zuschüsse des Landes Nordrhein-Westfalen gedeckt worden seien, nicht als öffentliche Mittel i. S. von § 3 Nr. 11 EStG angesehen werden.

Entgegen der Ansicht der Kläger könne die Steuerfreiheit der Beihilfen auch nicht aus Abschn. 10 LStR und dem dazu ergangenen Erlaß vom 5. März 1964 S 2174 (Lohnsteuerkartei der Oberfinanzdirektionen Düsseldorf, Köln und Münster, Lohnsteuer-Durchführungsverordnung, § 6, Anweisung 41), der dem Erlaß vom 7. April 1978 inhaltlich entspreche, hergeleitet werden. Die Voraussetzungen des Erlasses vom 5. März 1964 lägen nicht vor, weil die Besoldung des Klägers nicht nach den für den öffentlichen Dienst geltenden Regelungen erfolge. Durch den Industriezuschlag in Höhe von 25 % des Gehalts weiche sie nämlich in nicht unerheblichem Maße von der Besoldung eines vergleichbaren Beamten ab.

Auch die Voraussetzungen des Abschn. 10 Abs. 2 LStR seien nicht gegeben, da die im Streitfall in Frage kommenden Nrn. 2 und 3 dieses Absatzes die Einschaltung bzw. die Anhörung des Betriebsrats bzw. sonstiger Vertreter der Arbeitnehmer vorsähen, was im Streitfall jedoch bei der Auszahlung der Beihilfen nicht geschehen sei.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 3 Nr. 11 EStG. Nach dessen Wortlaut - so tragen sie vor - seien Einnahmen steuerfrei, soweit sie Bezüge aus öffentlichen Mitteln darstellten und wegen Hilfsbedürftigkeit gewährt würden. Diese Voraussetzungen seien hier gegeben. Das FG habe bei seiner Gesetzesauslegung den Begriff der öffentlichen Mittel i. S. des § 3 Nr. 11 EStG verkannt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zum überwiegenden Teil begründet.

Das FG hat die an den Kläger von seiner Arbeitgeberin geleisteten Beihilfebeträge insoweit zu Unrecht als steuerpflichtigen Arbeitslohn i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG angesehen, als diese Beträge vom Land Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellt worden sind, nämlich zu 94 %. Hinsichtlich dieses Teiles stammen die streitigen Bezüge aus öffentlichen Mitteln und sind zum anderen dem Kläger als Beihilfen wegen seiner Hilfsbedürftigkeit gewährt worden. Sie sind daher insoweit nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei.

1. Der Begriff "Öffentliche Mittel" im Sinne dieser Vorschrift setzt - anders als die Vorschrift des § 3 Nr. 12 EStG - nicht voraus, daß die betreffenden Gelder unmittelbar aus einer öffentlichen Kasse gezahlt worden sind (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., Anm. 78 zu § 3 EStG - weiße Blätter -). Erforderlich ist hierfür vielmehr, daß über die Mittel nur nach Maßgabe der haushaltsrechtlichen Vorschriften des öffentlichen Rechts verfügt werden kann und ihre Verwendung im einzelnen gesetzlich geregelter Kontrolle unterliegt (so Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. Juli 1972 I R 109/70, BFHE 106, 438, BStBl II 1972, 839, und vom 9. April 1975 I R 251/72, BFHE 115, 374, BStBl II 1975, 577). Diese Voraussetzungen sind hier hinsichtlich von 94 % der Beihilfen gegeben. Denn durch die noch näher zu erörternde Bereitstellung und Verausgabung der streitigen Beihilfen besteht die Gewähr dafür, daß die Schulaufsichtsbehörde - die ihrerseits wiederum der Aufsicht durch den Rechnungshof des Landes Nordrhein-Westfalen unterliegt - als Aufsichtsorgan u. a. auch die Beihilfegewährungen prüft und damit eine mißbräuchliche Ausnutzung der Steuerfreiheit verhütet wird.

Nach den unstreitigen Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden ist, ist die Arbeitsstelle des Klägers - die Werkberufsschule der AG - eine staatlich anerkannte Ersatzschule i. S. der §§ 36, 37 SchOG (NW). Sie gilt als öffentliche Schule (vgl. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Aufl., München 1976, § 101 III, a, 3; S. 415). Ihr Träger unterliegt damit den für diese Schulart maßgebenden Vorschriften und Bestimmungen, so insbesondere denen des Gesetzes über die Finanzierung der Ersatzschulen (a. a. O.). Nach § 1 des genannten Gesetzes haben die Träger derartiger Schulen Anspruch auf Zuschüsse des Landes, die u. a. zur Sicherung der Gehälter und der Altersversorgung der Lehrer zu verwenden sind (§ 2 des Gesetzes). Dieser Anspruch bedingt andererseits die Verpflichtung für den Schulträger, für jedes Rechnungsjahr einen Haushaltsplan aufzustellen, der die fortdauernden Einnahmen und die fortdauernden Ausgaben für die Schule enthält. Das Rechnungsjahr der Ersatzschule deckt sich mit dem Rechnungsjahr des Landes Nordrhein-Westfalen (§ 4 Abs. 1 des genannten Gesetzes). Außerdem verlangt § 4 Abs. 2 des Gesetzes: "Dem Haushaltsplan sind als Anlagen ein Stellenplan und eine Besoldungsübersicht beizufügen." Diese Vorschriften werden sodann noch durch die Verwaltungsanordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Finanzierung der Ersatzschulen i. d. F. vom 25. November 1971 I B 4.30 - 13/12-2972/71 (Gemeinsames Amtsblatt des Kultusministeriums und des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen 1972, 4) im einzelnen spezifiziert; insbesondere ist darin ein zu beachtender Musterhaushaltsplan enthalten, der unter einem Titel die Angabe der veranschlagten "Beihilfen nach der Beihilfenverordnung" vorschreibt. Schließlich ist in § 16 des Gesetzes ein Prüfungsrecht wie folgt festgelegt: "Schulträger und Schulleiter sind verpflichtet, der Schulaufsichtsbehörde jederzeit Einblick in den Betrieb und die Einrichtungen der Schule zu geben sowie die angeforderten Auskünfte zu erteilen und Nachweise zu erbringen, soweit dies für die Bemessung des Zuschusses erforderlich ist. Die Schulaufsichtsbehörde ist berechtigt, durch Beauftragte die Einrichtungen und Abrechnung der Ersatzschule an Ort und Stelle nachprüfen zu lassen."

Nimmt man noch die Feststellung des FG hinzu, daß im Streitjahr 1973 das Land Nordrhein-Westfalen 94 % der an der Werkberufsschule angefallenen Personalkosten einschließlich der von der AG geleisteten Beihilfeaufwendungen getragen hat, so folgt daraus, daß die an den Kläger wegen Hilfsbedürftigkeit gezahlten Beihilfeleistungen hinsichtlich dieses Teiles als "aus öffentlichen Mitteln" stammend und damit nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei zu behandeln sind. Im Ergebnis verausgabt die AG insoweit "öffentliche Mittel".

2. Die danach verbleibenden 6 % der an den Kläger gezahlten Beihilfen sind nicht steuerfrei. Auch die Voraussetzungen des Abschn. 10 Abs. 2 LStR liegen hier - wie das FG zutreffend ausgeführt hat - nicht vor.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74855

BStBl II 1984, 113

BFHE 1984, 536

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