Leitsatz (amtlich)

Entschädigungen, die eine Wach- und Schließgesellschaft an ihre Wachmänner für die Benutzung von eigenen Fahrrädern bei ausgedehnten Dienstgängen zahlt, gehören nicht zum Arbeitslohn, soweit die Entschädigungen angemessen sind, und die Wachmänner ein Fahrrad benutzen müssen.

Kleine Beträge, die ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer für Auslagen im Interesse des Arbeitgebers pauschal ersetzt, gehören nicht zum Arbeitslohn, wenn erfahrungsgemäß der Ersatzbetrag die Auslagen nicht übersteigt. Das gilt zum Beispiel, wenn eine Wach- und Schließgesellschaft den Wachmännern für Fütterung und Pflege eines Wachhundes 1 DM täglich ersetzt.

LStDV 1952, 1954, 1955 § 2, § 4 Ziff. 3; LStDV 1957 § 2, § 4 Ziff. 4; LStR 1952, 1954, 1955, 1957

 

Normenkette

LStDV §§ 2, 4 Ziff. 3, § 4/4; LStR Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 5; LStR Abschn. 2/2/4

 

Tatbestand

Die Bgin., ein Bewachungsunternehmen, zahlt den Wachmännern, wenn sie bei ihrer Dienstausübung ein Fahrrad benutzen müssen, dafür eine im Tarifvertrag festgesetzte Entschädigung, die nach Ortsklassen abgestuft 10, 12 oder 16 DM im Monat beträgt. Außerdem erhalten die Wachmänner, die ständig mit einem der Bgin. gehörenden Wachhund ausgerüstet sind, eine tägliche Entschädigung von 1 DM für die Pflege und Fütterung des Hundes. Nach einer Lohnsteuerprüfung forderte das Finanzamt für 1953 bis 1958 wegen der Fahrradentschädigungen von 34.911,65 DM und der Hundegelder von 15.107 DM eine Lohnsteuer von 4.870,82 DM von der Bgin. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.

Die Berufung hatte dagegen Erfolg. Das Finanzgericht sah die Fahrradentschädigungen als Reisekostenentschädigungen an, die die tatsächlich entstandenen Aufwendungen nicht überstiegen hätten. Bei einer Monatsentschädigung von 16 DM entfielen auf einen zurückgelegten km etwa 3 Pf. Die Finanzverwaltung habe bis zum Jahre 1954 für Fahrradbenutzung bei Dienstreisen sogar bis zu 10 Pf je km als angemessene Entschädigung anerkannt. Die Fahrradentschädigungen gehörten deshalb gemäß § 4 Ziff. 2 LStDV nicht zum Arbeitslohn. Die Hundegelder seien Auslagenersatz im Sinne des § 4 Ziff. 3 LStDV. Eine Einzelabrechnung sei nicht erforderlich gewesen. Den Wachmännern seien durch die Hundehaltung Aufwendungen von durchschnittlich 1 DM täglich entstanden.

Der Vorsteher des Finanzamts rügt mit seiner Rb., das Finanzgericht habe bei den Hundegeldern den Begriff Auslagenersatz verkannt. Dieser setze eine Einzelabrechnung voraus, die im Streitfall nicht vorgenommen worden sei. Die Arbeitnehmer könnten nur in Höhe ihrer nachgewiesenen Aufwendungen Werbungskosten geltend machen. Auch habe das Finanzgericht zu Unrecht bei der Fahrradentschädigung Dienstreisen angenommen. Eine Dienstreise liege erst vor, wenn das Dienstgeschäft außerhalb des Beschäftigungsortes oder mehr als 5 km von der regelmäßigen Arbeitsstätte entfernt ausgeführt werde.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Ob die Fahrradentschädigungen lohnsteuerfreie Reisekostenentschädigungen sind, kann zweifelhaft sein, wie das Finanzamt zutreffend bemerkt. Der Senat braucht jedoch dazu nicht abschließend Stellung zu nehmen, da die Entschädigungen schon aus einem anderen Grund steuerfrei sind. Die Entschädigungen werden nach dem Tarifvertrag für das Bewachungsgewerbe nur gezahlt, wenn die Wachmänner bei Dienstgängen über eine bestimmte Entfernung vertraglich zur Fahrradbenutzung verpflichtet sind. Trifft das zu, so sind die Fahrräder Werkzeuge im Sinne von Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 5 LStR 1952 bis 1957. Diese Vorschrift geht zurück auf Abschn. B Ziff. 12 des Gemeinsamen Erlasses des Reichsministers der Finanzen und des Reichsarbeitsministers vom 20. September 1941 S 2016 - 33 III und II a 13 123/41 (RStBl 1941 S. 697), nach der für die Benutzung von Werkzeugen des Arbeitnehmers im Betrieb des Arbeitgebers gezahlte Entschädigungen nicht Arbeitslohn sind. Dieser auf Grund der §§ 12, 13 AO a. F. ergangene Erlaß sollte im Zuge der kriegsbedingten Vereinfachungsmaßnahmen die gleichmäßige Behandlung bestimmter Zuwendungen bei der Lohnsteuer und den Sozialversicherungsbeiträgen sicherstellen. In den Urteilen des Bundesfinanzhofs VI 165/57 U vom 21. März 1958 (BStBl 1958 III S. 265, Slg. Bd. 66 S. 692), VI 102/60 U vom 24. Februar 1961 (BStBl 1961 III S. 261) und VI 31/61 U vom 8. September 1961 (BStBl 1961 III S. 487) wurde für Fehlgeldentschädigungen, Freitabak und Werkwohnungen entschieden, daß die in die LStR übernommenen Vorschriften dieses Erlasses rechtsnormähnlich und darum auch für die Steuergerichte verbindlich und auslegungsfähig sind. Das gleiche gilt für Werkzeuggelder im Sinne von Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 5 LStR 1955. Solche Werkzeuggelder sind ihrem Wesen nach Auslagenersatz im Sinne des § 19 Abs. 2 Ziff. 1 EStG 1955 (ß 4 Ziff. 3 LStDV 1955). Der Reichsminister der Finanzen blieb deshalb im Rahmen der ihm in § 12 AO a. F. erteilten Ermächtigung, wenn er klarstellte, daß Werkzeuggelder dieser Art nicht zum Arbeitslohn gehören.

Der Bundesfinanzhof kann daher Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 5 LStR 1955 auslegen. Werkzeuggelder in diesem Sinne sind Geldzuwendungen der Arbeitgeber, die sie ihren Arbeitnehmern für die Anschaffung und Erhaltung der zur Arbeitsleistung erforderlichen Arbeitsmittel zuwenden. Die Fahrräder sind derartige Arbeitsmittel; denn sie dienen unmittelbar der Ausübung des Berufs (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs IV 630/53 U vom 7. Oktober 1954, BStBl 1954 III S. 362, Slg. Bd. 59 S. 395; IV 633/54 U vom 10. März 1955, BStBl 1955 III S. 131, Slg. Bd. 60 S. 343). Das Finanzgericht hat festgestellt, daß die Arbeitgeberin von ihren Wachmännern bei Dienstgängen von mindestens 25 km in der Nacht die Benutzung eines Fahrrades verlangen kann und daß sie in diesem Fall nach dem Tarifvertrag verpflichtet ist, den Wachmännern für die Benutzung des eigenen Fahrrades eine Entschädigung zu zahlen. Die Zurücklegung der Mindeststrecke wird durch Kontrolleure und Kontrolluhrstationen überwacht; für dienstfreie Tage werden die Entschädigungen entsprechend gekürzt. Bei dieser Sachlage ist das Fahrradgeld ein Werkzeuggeld im Sinne von Abschnitt 2 Abs. 2 Ziff. 5 LStR. Auch hinsichtlich der Höhe bestehen keine Bedenken. Wie das Finanzgericht ausführt, beträgt die Entschädigung je km etwa 3 Pf. Da nach Abschn. 21 Abs. 9 LStR 1955 und 1957 bei Fahrradbenutzung anläßlich einer Dienstreise ebenfalls eine Entschädigung von 3 Pf je km vorgesehen ist und nach den LStR 1952 und 1954 sogar bis zu 10 Pf steuerfrei gezahlt werden konnten, konnte das Finanzgericht die im Streitfall gezahlte Entschädigung als angemessen anerkennen.

Auch hinsichtlich der Hundegelder kann die Rb. keinen Erfolg haben. Das Finanzgericht betrachtet die Hundegelder als Auslagenersatz gemäß § 4 Ziff. 3 LStDV. Es hat festgestellt, daß mit diesen Zahlungen Auslagen ersetzt werden, die die Arbeitnehmer ausschließlich im Interesse der Bgin. gemacht haben. Der Senat ist an diese auf dem Gebiet der Tatsachenwürdigung liegende Feststellung gemäß § 288 Ziff. 1 AO gebunden, da sie keinen Verstoß gegen das geltende Recht oder gegen den klaren Inhalt der Akten erkennen läßt. Das gilt auch für die Höhe des Ersatzes. Das Finanzamt rügt, daß keine Einzelabrechnungen gemacht worden seien. Regelmäßig wird zwar ein pauschaler Auslagenersatz zum Arbeitslohn gerechnet und dem Arbeitnehmer überlassen, seine Auslagen einzeln als Werbungskosten nachzuweisen. Ein solcher Einzelnachweis ist aber im Streitfall nicht erforderlich und wäre auch kaum durchführbar. Die gewährten kleinen Beträge überschreiten erfahrungsgemäß die tatsächlichen Ausgaben nicht (Urteil des Senats VI 1/59 vom 21. August 1959, "Der Betrieb" 1959 S. 1129). Das Finanzgericht konnte deshalb ohne Rechtsirrtum die ersetzten Beträge als Auslagenersatz steuerfrei lassen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410227

BStBl III 1961, 552

BFHE 1962, 787

BFHE 73, 787

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