Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluß des erweiterten Verlustausgleichs nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG - Auslegung einer Norm bei Verwendung einer nur schwer griffigen Formulierung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Anwendung des § 15a Abs.1 Satz 2 EStG (erweiterter Verlustausgleich) ist gemäß Satz 3 der Vorschrift nur dann ausgeschlossen, wenn die finanzielle Ausstattung der Gesellschaft und deren gegenwärtige sowie voraussichtlich zukünftige Liquidität im Verhältnis zum nach dem Gesellschaftsvertrag festgelegten Gesellschaftszweck und dessen Umfang so außergewöhnlich günstig sind, daß die finanzielle Inanspruchnahme des einzelnen zu beurteilenden Kommanditisten nicht zu erwarten ist.

2. Dabei ist der Art und Weise des Geschäftsbetriebs in besonderem Maße Rechnung zu tragen. Das bedeutet, daß der finanziellen Ausstattung der Gesellschaft um so weniger Gewicht zukommt, je weniger der nach dem Gesellschaftsvertrag festgelegte Gegenstand des Unternehmens verlustträchtig erscheint und je weniger die für einen überschaubaren Zeitraum zu erwartende Geschäftsentwicklung auch nur kurzzeitige Liquiditätsengpässe der Gesellschaft als möglich erscheinen läßt.

3. Bei der Gewichtung der genannten Komponenten ist ein vorsichtiger Maßstab in dem Sinne anzulegen, daß die für eine mögliche Vermögensminderung sprechenden Umstände im Zweifel eher über- denn unterzubewerten sind.

 

Orientierungssatz

Verwendet der Gesetzgeber eine nur schwer griffige Formulierung, um die Voraussetzungen für eine Steuerverschärfung zu umschreiben, so erfordert es das Gebot der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung, bei der Auslegung dieser Formulierung behutsam vorzugehen.

 

Normenkette

EStG § 15a Abs. 1 Sätze 2-3; EStR Abschn. 138d Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 10.06.1986; Aktenzeichen 2 K 63/83)

 

Tatbestand

Streitig ist, inwieweit die Gesellschafter der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für das Jahr 1980 Verlustanteile mit anderen positiven Einkünften ausgleichen können.

Die Klägerin, eine KG, wurde zum 1.November 1980 gegründet und am 29.Dezember 1980 in das Handelsregister beim Amtsgericht X eingetragen. An der KG waren im Streitjahr 1980 die W Hotel-Betriebs- und Verwaltungsgesellschaft mbH als Komplementärin sowie 19 Kommanditisten beteiligt. Vorgesehen war eine Aufteilung der Kommanditbeteiligungen auf 33 Kommanditanteile. Davon übernahmen die im Jahre 1980 beteiligten 19 Kommanditisten 32 Anteile. Der 33.Anteil wurde im Jahre 1981 von einem weiteren Kommanditisten übernommen. Die Kommanditisten hatten je Kommanditanteil 79 000 DM als Einlage zu leisten. Davon sollten 15 000 DM auf ein sog. Kommanditkapital I und 64 000 DM auf ein Kommanditkapital II entfallen. Laut Gesellschaftsvertrag bildeten beide Kommanditkapitalien zusammen das Haftkapital. Das Kommanditkapital I sollte in drei Raten eingezahlt werden. Die erste Rate war am 30.Dezember 1980, zusammen mit dem Gründungsaufgeld, fällig. Laut Jahresabschluß der Klägerin zum 31.Dezember 1980 waren zu diesem Zeitpunkt für das Kommanditkapital I und das Gründungsaufgeld insgesamt 176 410 DM eingezahlt.

Die Klägerin war laut Gesellschaftsvertrag zu dem Zweck gegründet worden, das Hotel-Restaurant ... in A zu errichten, zu bewirtschaften und zu verwalten. Noch im Jahre 1980 erwarb sie käuflich das Hotelgrundstück samt Einrichtung. Das Rumpfwirtschaftsjahr 1980 schloß die Klägerin mit einem Verlust ab. Den Erlösen, die lediglich aus dem Gründungsaufgeld bestanden, stand erheblich höherer Aufwand durch Gründungs- und Finanzierungskosten sowie Absetzungen für Abnutzung (AfA) gegenüber. Die Höhe des Verlustes ermittelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) aufgrund einer Außenprüfung im Jahre 1981 mit ./. 659 038,70 DM.

Das FA vertrat die Auffassung, daß dieser Verlust nur in Höhe der geleisteten Einlagen von 176 410 DM mit anderen Einkünften ausgeglichen, hinsichtlich des restlichen Betrages von 482 628,70 DM dagegen nicht ausgeglichen oder von anderen Einkünften abgezogen werden durfte, sondern lediglich die Gewinne mindern konnte, die den Kommanditisten in späteren Wirtschaftsjahren aus ihrer Beteiligung an der KG zuzurechnen waren. Das FA verteilte die ausgleichsfähigen und die nicht ausgleichsfähigen, aber verrechenbaren Verlustanteile auf die Kommanditisten entsprechend den von ihnen geleisteten Einlagen. Auf dieser Grundlage erließ es einen Gewinnfeststellungsbescheid, verbunden mit einem Feststellungsbescheid gemäß § 15a Abs.4 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seines in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 560 veröffentlichten Urteils im wesentlichen aus, der von der Klägerin begehrte weitergehende Verlustausgleich sei deshalb nicht möglich, weil zwar die Kommanditisten am Bilanzstichtag den Gläubigern der Gesellschaft gegenüber aufgrund § 171 Abs.1 des Handelsgesetzbuches (HGB) gehaftet hätten (§ 15a Abs.1 Satz 2 EStG), eine Vermögensminderung aufgrund dieser Haftung indes nach Art und Weise des Geschäftsbetriebs unwahrscheinlich gewesen sei (§ 15a Abs.1 Satz 3 EStG).

"Aufgrund der Haftung" habe eine Vermögensminderung nur bis zur Leistung der vollen Hafteinlage eintreten können. Die bereits in 1981 erfolgte Leistung der Hafteinlage sei keine "Vermögensminderung aufgrund der Haftung". Die Möglichkeit des Haftungseintritts sei mithin zeitlich so eingeengt gewesen, daß es konkreter Anhaltspunkte bedurft hätte, um eine Inanspruchnahme aufgrund der Haftung als "nicht unwahrscheinlich" anzusehen. Solche Anhaltspunkte seien nicht erkennbar. Die Tatsache, daß die Kommanditisten alsbald nach dem 31.Dezember 1980 ihre Einlage haben leisten müssen und auch tatsächlich geleistet hätten, spreche also nicht für die Erfüllung der Voraussetzungen des erweiterten Verlustausgleichs --wie die Klägerin meine--, sondern schließe diesen praktisch aus, da die Leistung der Einlage keine Vermögensminderung aufgrund der Haftung sei und andererseits dafür auch keinen Raum mehr lasse.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt die Klägerin unzutreffende Auslegung des § 15a Abs.1 Satz 3 EStG. Das FG habe der Klage nicht stattgegeben, weil es davon ausgegangen sei, daß der Gesetzgeber mit dem Inhalt von Satz 3 aus § 15a Abs.1 EStG meine, der einzelne Kommanditist müsse von außen her, also von Gläubigern der Gesellschaft, konkret in Anspruch genommen worden sein. Solche Fälle träten indes praktisch nur bei Zahlungsunfähigkeit oder Konkurs der Gesellschaft ein. Wenn die Auffassung des FG richtig sei, dann wäre der erweiterte Verlustausgleich beschränkt auf Fälle der Zahlungsunfähigkeit von KG bzw. auf deren Konkurs.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß), unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung den Verlust in Höhe von 659 038,70 DM in voller Höhe zum Ausgleich mit anderen positiven Einkünften zuzulassen.

Das FA beantragt unter Bezugnahme auf die Gründe des FG-Urteils die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage.

Gemäß § 15a Abs.1 Satz 1 EStG darf der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust der KG weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht. Abweichend hiervon können jedoch Verluste des Kommanditisten bis zur Höhe des Betrags, um den die im Handelsregister eingetragene Einlage seine geleistete Einlage übersteigt, auch ausgeglichen werden, wenn der Kommanditist am Bilanzstichtag den Gläubigern der Gesellschaft aufgrund des § 171 Abs.1 HGB haftet (§ 15a Abs.1 Satz 2 EStG). Dieser sog. erweiterte Verlustausgleich kommt jedoch nur dann zum Zug, wenn derjenige, dem der Anteil zuzurechnen ist, im Handelsregister eingetragen ist, das Bestehen der Haftung nachgewiesen wird und eine Vermögensminderung aufgrund der Haftung nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder nach Art und Weise des Geschäftsbetriebs unwahrscheinlich ist (§ 15a Abs.1 Satz 3 EStG).

Nach den vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen lagen die Voraussetzungen des § 15a Abs.1 Satz 2 EStG (erweiterter Verlustausgleich) vor. Die im Handelsregister eingetragene Haftsumme überstieg die Höhe des im Streitjahr entstandenen Verlustes.

Der Senat vermag indes den Ausführungen des FG, wonach der erweiterte Verlustausgleich gemäß Satz 2 durch Satz 3 der Vorschrift ausgeschlossen ist, nicht zu folgen. Das hierfür vom FG herangezogene Argument der alsbald nach dem Bilanzstichtag vorgenommenen Einlageleistung greift nicht durch.

Über die Auslegung des § 15a Abs.1 Satz 3 EStG besteht Streit. Der Bundesminister der Finanzen (BMF) vertritt hierzu die auch in Abschn.138d Abs.3 Sätze 8 bis 11 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) niedergelegte Auffassung, eine Vermögensminderung aufgrund der Haftung sei nach Art und Weise des Geschäftsbetriebs nur dann wahrscheinlich, wenn die durch die Handelsregistereintragung begründete Haftung mit einem wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Risiko verbunden sei. Hieraus sei abzuleiten, daß eine umfassende, auf den jeweiligen Bilanzstichtag bezogene Beurteilung der wirtschaftlichen Faktoren der KG vorgenommen werden müsse, in die das Verhältnis der tatsächlich geleisteten Einlage, der gesellschaftsvertraglich bedungenen Einlage (Pflichteinlage) und der im Handelsregister eingetragenen Einlage (Hafteinlage = Haftsumme) zueinander und ihr Verhältnis zu dem insgesamt benötigten Finanzbedarf der Gesellschaft einzubeziehen seien (BMF-Schreiben vom 8.Mai 1981, BStBl I 1981, 308 Tz.7). Danach begründe eine die Pflichteinlage des Kommanditisten übersteigende Haftsumme nicht die Gefahr einer Vermögensminderung aufgrund der Haftung, wenn der gesamte Finanzbedarf der Gesellschaft aufgrund eines in sich geschlossenen Finanzierungskonzepts durch Eigenkapital und Fremdkapital gedeckt sei und am Bilanzstichtag kein konkreter Anhaltspunkt dafür bestehe, daß der Kommanditist wegen einer Verbindlichkeit der Gesellschaft in Anspruch genommen werden soll. Deckten sich Pflichteinlage und Haftsumme und habe der Kommanditist nach den Vereinbarungen der Gesellschafter auf die Pflichteinlage noch nicht den vollen Betrag einbezahlt, so seien die später fällig werdenden Teile der Hafteinlage und damit der Haftsumme auf die Aufwendungen späterer Wirtschaftsjahre zu beziehen, so daß am Bilanzstichtag ebenfalls eine wirtschaftliche Belastung zu verneinen sei.

Diese Auffassung ist auf vielfache Kritik gestoßen (Biergans, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1981, 435; Görlich, Der Betrieb --DB-- 1981, 1533, 1537; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 15a EStG Anm.310; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, § 15a EStG Tz.26 c; Schulze/Osterloh, Finanz-Rundschau --FR-- 1981, 451, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht --JbFSt-- 1981/82, 238, 261; Söffing, DB 1981, 1635, und in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 15a Anm.25 bis 25 b; Stuhrmann in Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, § 15a Tz.44; Wassermeyer, DB 1985, 2634, 2637). Kernpunkte der Kritik sind eine zu einschränkende Interpretation der Wahrscheinlichkeit einer Vermögensminderung sowie das Abstellen auf den Bilanzstichtag.

Der Senat teilt diese Bedenken. Er ist der Auffassung, daß mit der Eintragung der Haftsumme in das Handelsregister in der Regel ein echtes wirtschaftliches und nicht nur ein formal-juristisches Risiko verbunden und ein solches Risiko ausnahmsweise nur dann zu verneinen ist, wenn die finanzielle Ausstattung der Gesellschaft und deren gegenwärtige sowie zu erwartende Liquidität (nicht nur stichtagsbezogen) im Verhältnis zum nach dem Gesellschaftsvertrag festgelegten Gesellschaftszweck und dessen Umfang so außergewöhnlich günstig sind, daß die finanzielle Inanspruchnahme des einzelnen zu beurteilenden Kommanditisten nicht zu erwarten ist. Dabei ist der Art und Weise des Geschäftsbetriebs in besonderem Maße Rechnung zu tragen. Das bedeutet, daß der finanziellen Ausstattung der Gesellschaft um so weniger Bedeutung zukommt, je weniger der nach dem Gesellschaftsvertrag festgelegte Gegenstand des Unternehmens verlustträchtig erscheint und je weniger die für einen überschaubaren Zeitraum zu erwartende Geschäftsentwicklung auch nur kurzzeitige Liquiditätsengpässe der Gesellschaft als möglich erscheinen läßt.

Bei der Gewichtung der genannten Komponenten ist ein vorsichtiger Maßstab in dem Sinne anzulegen, daß die für eine mögliche Vermögensminderung sprechenden Umstände im Zweifel eher über- denn unterzubewerten sind.

Der Senat hält diese Auslegung der Vorschrift aus mehreren Erwägungen für die zutreffende:

a) Für sie spricht die vorsichtige Wortwahl des Gesetzes. Die gefundene Formulierung, daß Abs.1 Satz 2 (erweiterte Verlustausgleichsmöglichkeit) nur anzuwenden ist, wenn ... "eine Vermögensminderung aufgrund der Haftung nicht" ... "nach Art und Weise des Geschäftsbetriebs unwahrscheinlich ist" enthält eine doppelte Verneinung ("nicht ... unwahrscheinlich"). Diese stellt eine graduelle Abschwächung gegenüber der positiven Aussage "wahrscheinlich" dar. D.h. es ist für die Anwendbarkeit des Satzes 2 nicht erforderlich, daß die Vermögensminderung wahrscheinlich ist. Es reicht schon aus, daß kein Fall der Unwahrscheinlichkeit vorliegt. Dieser Akzentuierung ist bei der Auslegung des Gesetzes Rechnung zu tragen. Voraussetzung für den erweiterten Verlustausgleich i.S. Satz 2 ist mithin nicht die Wahrscheinlichkeit einer Vermögensminderung, sondern das Fehlen einer (so ungewöhnlich günstigen) Konstellation, bei der die Vermögensminderung als unwahrscheinlich angesehen werden kann.

b) Das wirtschaftliche Risiko, aus der Kommandithaftung in Anspruch genommen zu werden, stellt insbesondere bei neugegründeten Kommanditgesellschaften, deren wirtschaftliche Entwicklung noch schwer abschätzbar ist, den Normalfall dar. Dies gilt in besonderem Maße bei Gesellschaften mit einer Vielzahl von Gesellschaftern, die im letzten Jahrzehnt in großer Zahl entstanden und zum nicht unerheblichen Teil --auch aufgrund unseriösen Geschäftsgebarens und/oder geschäftlicher Unerfahrenheit ihrer Organe-- wieder beendet worden sind. Nur in besonders gelagerten Fällen (bereits längeres Bestehen der Gesellschaft, gute bisherige Geschäftserfolge, erfahrene und seriöse Manager) wird ein objektiver Betrachter die Prognose wagen können, die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft sei so günstig, daß eine Inanspruchnahme der Kommanditisten aus ihrer Haftsumme nicht wahrscheinlich ist.

c) Für eine Auslegung des Satzes 3 in dem Sinne, daß im Zweifel ein erweiterter Verlustausgleich nach Satz 2 zulässig ist, spricht zudem die Elastizität der gesetzlichen Formulierung. In § 15a Abs.1 Satz 3 EStG werden Umstände zur Voraussetzung der Anwendung einer begünstigenden Norm erhoben, deren Annahme oder Ablehnung in starkem Maße von subjektiven Wertungen abhängt. Der Senat folgt zwar nicht der im Schrifttum mitunter vertretenen Auffassung, daß Satz 3 mangels hinreichender Bestimmtheit dem Gebot der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung nicht genüge und deshalb unanwendbar sei. Er hält die Vorschrift bei Auslegung im oben genannten Sinne für noch hinreichend bestimmt. Verwendet der Gesetzgeber indes --wie im vorliegenden Falle-- eine nur schwer griffige Formulierung, um die Voraussetzungen für eine Steuerverschärfung zu umschreiben, so erfordert es das Gebot der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung, bei der Auslegung dieser Formulierung behutsam vorzugehen.

Bei der Wertung der Voraussetzungen des Satzes 3 ist nicht nur auf die Verhältnisse am Bilanzstichtag, sondern auch auf die voraussichtliche zukünftige Entwicklung abzustellen. Denn entscheidender Maßstab ist die Art und Weise des Geschäfts- "betriebs", d.h. eines permanent ablaufenden dynamischen Vorgangs, der nicht am Bilanzstichtag endet.

Dies gilt insbesondere für die Einschätzung der Entwicklung der Kosten einschließlich Zinsen als auch der am Markt zu erzielenden Erlöse. So ließe die Zugrundelegung der am Bilanzstichtag erzielbaren Erlöse (etwa der Frachteinnahmen einer Schiffahrts- KG) und deren Fortschreibung für einen längeren Zeitraum, obgleich mit dem alsbaldigen Entstehen massiver Konkurrenz zu rechnen ist, die gesamte "Unwahrscheinlichkeitsprognose" als fehlerhaft erscheinen.

Außer Ansatz zu lassen bei der "Nichtunwahrscheinlichkeitsprognose" sind vereinbarte und zu erwartende Einlagen der Kommanditisten nach dem Bilanzstichtag. Denn bei der Prognose ist auf die Art und Weise des Geschäftsbetriebs, nicht dagegen auf die Zahlungsmoral und Zahlungsfähigkeit der Kommanditisten bezüglich der eingegangenen Einlageverpflichtung abzustellen.

Diese Auslegung ist auch vom Sinn der Vorschrift her geboten. Wie eingangs dargestellt, soll die erweiterte Verlustausgleichsmöglichkeit dann nicht in Betracht kommen, wenn mit der Eintragung der Haftsumme kein echtes Risiko des Verlustes der Hafteinlage verbunden ist. Da das Ersetzen der Hafteinlage durch die tatsächliche Einlage das Risiko des Kommanditisten, die Einlage zu verlieren, nicht vermindert, kann die Erwartung bzw. Voraussehbarkeit dieses Vorgangs nicht als eine den erweiterten Verlustausgleich hindernde Komponente angesehen werden.

Einzuräumen ist, daß bei einer strikt am Wortlaut orientierten Auslegung der Vorschrift eine Vermögensminderung "aufgrund der Haftung" unwahrscheinlich ist, wenn alsbald nach dem Bilanzstichtag die Leistung der Einlage zu erwarten ist. Dem kann indes kein erhebliches Gewicht beigemessen werden. Denn die Leistung der Einlage stellt in diesen Fällen quasi das Surrogat des Haftungstatbestandes dar.

Bei Anwendung dieser Grundsätze kann --entgegen der Auffassung des FA-- davon ausgegangen werden, daß eine Vermögensminderung der Kommanditisten aufgrund der Haftung nicht nach Art und Weise des Geschäftsbetriebs unwahrscheinlich ist (§ 15a Abs.1 Satz 3 EStG). Dies wird besonders deutlich durch den der Klägerin im Jahre 1980 von den Banken gewährten Zwischenkredit, der durch Schuldscheine der Kommanditisten gesichert werden mußte. Bei einer risikofreien Geschäftslage der Klägerin wäre dies nicht erforderlich gewesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63700

BFH/NV 1991, 68

BStBl II 1992, 164

BFHE 164, 526

BFHE 1992, 526

BB 1991, 1901

BB 1991, 2051

BB 1991, 2051 (L)

DB 1991, 2167-2169 (LT)

DStR 1991, 1346 (KT)

HFR 1991, 707 (LT)

StE 1991, 331 (K)

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