Entscheidungsstichwort (Thema)

Beginn des Laufs der Fünf-Jahres-Frist des § 17 EStG bei Veränderung der Beteiligungsquoten an einer GmbH infolge einer Kapitalerhöhung

 

Leitsatz (amtlich)

Verzichtet ein GmbH-Gesellschafter zugunsten eines Mitgesellschafters unentgeltlich auf die Teilnahme an einer Kapitalerhöhung mit der Folge, dass seine bisher wesentliche Beteiligung zu einer unwesentlichen wird, beginnt der Lauf der Fünf-Jahres-Frist des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG erst mit der Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister.

 

Normenkette

EStG 1997 § 17 Abs. 1 Sätze 1, 3-4; AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 1; GmbHG §§ 54-55

 

Verfahrensgang

FG Bremen (Entscheidung vom 17.06.2004; Aktenzeichen 1 K 20/04 (1); EFG 2004, 1516)

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr 1998 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war jedenfalls seit 1990 mit 360 000 DM an dem Stammkapital einer GmbH (insgesamt 1 Mio. DM) beteiligt (36 v.H.). 1993 waren neben dem Kläger auch F und P an der GmbH, die ein abweichendes Wirtschaftsjahr (1. Oktober bis 30. September) hatte, beteiligt.

Am 20. Februar 1993 wandte sich der Kläger mit folgendem Schreiben an F, das dieser handschriftlich mit Vornamen und dem Vermerk "i.O." gegenzeichnete:

"Lieber …(F),

ich beziehe mich auf unsere Gespräche in den letzten Tagen und Wochen und möchte an dieser Stelle nochmals bedauern, dass durch meine persönliche finanzielle Situation Probleme auf die Unternehmensgruppe einwirken.

Wir sind uns einig über die Maßnahmen im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung. Ich darf hiermit den Inhalt der mündlich getroffenen Vereinbarungen in aller Form bestätigen, um Dich in die Lage zu versetzen, die notwendigen Maßnahmen durchzuführen:

Es soll eine Kapitalerhöhung um DM 2 Mio. beschlossen werden; an der Kapitalerhöhung wirst Du in Höhe von DM 1 130 000,00 teilnehmen. Mein Anteil wird sich von bisher 36 v.H. auf 25 v.H. vermindern.

Bereits ab dem Zeitpunkt des Beschlusses über die Kapitalerhöhung gehe ich von meinen reduzierten Gesellschafterrechten in Höhe von 25 v.H. aus und werde mich in künftigen Gesellschafterversammlungen daran halten.

Du hast mein Wort, dass ich mit der von der bisherigen Kapitalquote abweichenden Kapitalerhöhung einverstanden bin, und dass ich mich bereits mit Wirkung ab Beschluss über die Kapitalerhöhung so verhalten werde, wie es meinem Anteil nach Wirksamwerden der Kapitalerhöhung entsprechen wird. Um der Form gerecht zu werden, darf ich Dich bitten, Dein Einverständnis durch Gegenzeichnung der anliegenden Kopie dieses Schreibens zu erklären.

Ich danke Dir für Dein Verständnis und ich bin sicher, dass die problemlose Fortführung der Unternehmensgruppe gewährleistet ist, wenn Du die Dinge --wie vereinbart-- in die Hand nimmst.

Bis bald

… (Kläger)."

Auf der Gesellschafterversammlung am 16. März 1993 beschlossen die Gesellschafter der GmbH einstimmig eine Erhöhung des Stammkapitals der GmbH. Der notariell beurkundete Gesellschafterbeschluss lautet u.a. wie folgt:

"1)  Das Stammkapital der Gesellschaft … wird um DM 2 000 000,― auf DM 3 000 000,― … erhöht.

 2)  Die neuen Stammeinlagen werden zum Nennwert ausgegeben und sind in Geld zu erbringen.

 3)  Zur Übernahme der neuen Stammeinlage werden zugelassen:

a) … F … DM 1 130 000,―;

b) … P … DM 480 000,―;

c) der … Kläger … DM 390 000,―.

 4)  Die neuen Stammeinlagen sind mit Beginn des bei der Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister laufenden Geschäftsjahres am Gewinn der Gesellschaft beteiligt.

…"

Bei Übernahme dieser Stammeinlage ergab sich ein Anteil des Klägers am Stammkapital von nur noch 25 v.H. Für die Absenkung der Beteiligungsquote um 11 v.H. und entsprechende Erhöhung der Beteiligungsquote von F erhielt der Kläger kein Entgelt und keine sonstige Begünstigung.

Die Kapitalerhöhung wurde dem Amtsgericht mit einem am 16. März 1993 vom Kläger, am 17. März 1993 von P und am 31. März 1993 von F und dem weiteren Geschäftsführer D unterzeichneten Schreiben mitgeteilt, insbesondere unter Überreichung der Übernahmeerklärungen des Klägers, von F und von P sowie der Versicherung, dass die neuen Stammeinlagen mindestens zu einem Viertel eingezahlt seien.

Auf einer Gesellschafterversammlung am 3. Juni 1993 wurde beschlossen, dass die Erhöhung des Stammkapitals durch Verrechnung mit den Gesellschafterdarlehen und nicht, wie am 16. März 1993 vereinbart, durch Bareinlage erfüllt werden solle. Dem Handelsregister wurde in der Folgezeit eine nicht datierte Mitteilung nachgereicht, in der versichert wurde, dass F, P sowie der Kläger die vereinbarten Stammeinlagen eingezahlt hätten.

Am 16. November 1993 wurde die Kapitalerhöhung lt. Gesellschafterbeschluss vom 16. März 1993 in das Handelsregister eingetragen.

Mit notariellem Vertrag vom 8. April 1998 veräußerte der Kläger einen Teil seiner Beteiligung im Nennwert von 120 000 DM zu einem Kaufpreis von 3 Mio. DM an einen Dritten. Als Vertragsgegenstand wurde ein Teilgeschäftsanteil von 120 000 DM von einem Geschäftsanteil im Wert von 342 000 DM, auf den die Stammeinlage in voller Höhe erbracht war, festgelegt. Der Teilung des Geschäftsanteils im Nennwert von 342 000 DM in einen Teilgeschäftsanteil im Nennwert von 120 000 DM und einen Teilgeschäftsanteil im Nennwert von 222 000 DM stimmte die GmbH am selben Tag zu.

Bei der Einkommensteuerveranlagung der Kläger für 1998 wurde gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ein Veräußerungsgewinn von 2 880 000 DM angesetzt. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid vom 18. Juni 2001 wurde am 23. Dezember 2002 im Hinblick auf unstreitige Besteuerungsgrundlagen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geändert. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2004, 1516).

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 17 EStG).

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung der Vorentscheidung den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 23. Dezember 2002 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 18. Dezember 2003 aufzuheben und die Einkommensteuer ohne Berücksichtigung des Veräußerungsgewinns in Höhe von 2 880 000 DM festzusetzen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beantragt, die Revision der Kläger zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

FA und FG haben zu Recht angenommen, dass der Kläger im Streitjahr 1998 Einkünfte aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft gemäß § 17 Abs. 1 EStG in Höhe von 2 880 000 DM erzielt hat.

Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 und 4 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich, d.h. zu mehr als einem Viertel, unmittelbar oder mittelbar beteiligt war. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

1. Der Kläger hat am 8. April 1998 mit dem Teil-Geschäftsanteil im Nennbetrag von 120 000 DM einen Anteil an einer Kapitalgesellschaft i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG veräußert.

2. Er war auch innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem 8. April 1998 (Veräußerungszeitpunkt) zu mehr als 25 v.H. an der GmbH beteiligt. Seine wesentliche Beteiligung an der GmbH von 36 v.H. wurde nicht vor Beginn der Fünf-Jahres-Frist zivilrechtlich wirksam vermindert. Denn hierfür war die Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister erforderlich (§§ 54 Abs. 3, 55 Abs. 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--).

3. Eine auf 25 v.H. verminderte Beteiligung des Klägers ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Beschlusses vom 16. März 1993 über die Zulassung der Gesellschafter zur Übernahme der neuen Stammeinlagen oder der Zeichnung dieser neuen Stammanteile. Bei einer Kapitalerhöhung, die --wie im Streitfall-- zu einer Veränderung der bisherigen Beteiligungsquoten führt, sind die neuen Beteiligungsverhältnisse grundsätzlich erst ab dem Zeitpunkt maßgeblich, an dem die Erhöhung des Stammkapitals wirksam geworden ist.

a) Anteile an einer GmbH i.S. des § 17 Abs. 1 EStG sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Geschäftsanteile i.S. der §§ 5 und 14 GmbHG (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 25. November 1997 VIII R 29/94, BFHE 184, 543, BStBl II 1998, 257, und VIII R 36/96, BFH/NV 1998, 691, sowie VIII R 49/96, BFH/NV 1998, 694; vom 14. Juni 2005 VIII R 73/03, BFHE 210, 272, BStBl II 2005, 861, jeweils m.w.N.). Nach § 14 GmbHG bestimmt sich der Geschäftsanteil eines Gesellschafters nach dem Betrag der übernommenen Stammeinlage. Aus der Anbindung des § 17 Abs. 1 EStG an diese zivilrechtliche Regelung folgt, dass sich steuerrechtlich die Höhe des Anteils an einer GmbH ebenfalls aus der übernommenen Stammeinlage errechnet. Dagegen sind die Einflussmöglichkeiten eines Gesellschafters auf die Kapitalgesellschaft für die Beurteilung, ob eine wesentliche Beteiligung vorliegt, ohne Bedeutung. Von den dispositiven Vorschriften des GmbHG abweichende Vereinbarungen der Gesellschafter über das Stimmrecht, das Gewinnbezugsrecht oder die Beteiligung am Liquidationserlös beeinflussen die Höhe der Beteiligung nicht (vgl. z.B. Senatsurteile in BFH/NV 1998, 691; in BFHE 184, 543, BStBl II 1998, 257). Dies führt zu einer kapitalmäßigen Bestimmung des Begriffs der wesentlichen Beteiligung. Für die Beteiligung am Kapital der Gesellschaft ist danach grundsätzlich der nominelle Anteil an deren Stammkapital maßgebend (BFH-Urteile in BFHE 184, 543, BStBl II 1998, 257, und in BFHE 210, 272, BStBl II 2005, 861).

Für die Höhe der Beteiligung des Klägers ist es deshalb ohne Bedeutung, dass sich dieser gegenüber dem Mitgesellschafter F verpflichtet hat, sein Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung schon vor dem Wirksamwerden des Kapitalerhöhungsbeschlusses so auszuüben, als habe sich seine Beteiligung bereits auf 25 v.H. vermindert.

Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass sich die Höhe des Anteils an einer GmbH aus der übernommenen Stammeinlage errechnet, hat der Senat nur für den Fall als geboten erachtet, dass sich das Kapital der Gesellschaft neben den Einlagen noch aus weiteren Beiträgen der Gesellschafter zum Eigenkapital zusammensetzt, die "Anteile an einer Kapitalgesellschaft" i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG gewähren (Senatsurteil in BFHE 210, 272, BStBl II 2005, 861, betreffend Genussrechte).

b) Im Streitfall ist das Stammkapital der GmbH nicht schon mit der Entstehung der Übernahmerechte auf die neuen Stammanteile aufgrund des Gesellschafterbeschlusses vom 16. März 1993 erhöht worden. Erst mit der Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister hat sich die Beteiligung des Klägers am Kapital der Gesellschaft von 36 v.H. auf 25 v.H. vermindert und die des Mitgesellschafters F von 40 v.H. auf 51 v.H. erhöht.

Die Kapitalerhöhung wird wie jede Änderung der Satzung (§ 54 GmbHG) erst mit ihrer Eintragung im Handelsregister wirksam. Erst zu diesem Zeitpunkt entstehen die neuen Mitgliedschaftsrechte (Scholz/Priester, GmbHG, 9. Aufl., § 55 Rdnr. 117 und § 57 Rdnr. 33). Soweit nichts anderes vereinbart ist, besteht auch eine Gewinnberechtigung der neuen Anteile erst für das Wirtschaftsjahr der Eintragung (Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 55 Rn. 49). Liegt wie im Streitfall (Ende des Wirtschafsjahrs der GmbH am 30. September) der Bilanzstichtag der Gesellschaft vor dem Tag der Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister, so ist noch die alte Stammkapitalziffer (§ 42 Abs. 1 GmbHG i.V.m. §§ 266 Abs. 3 A I, 272 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs --HGB--) in die Schlussbilanz einzusetzen (Scholz/Priester, a.a.O., § 57 Rdnr. 34; vgl. auch BFH-Urteil vom 16. April 1991 VIII R 63/87, BFHE 164, 513, BStBl II 1991, 832). Dementsprechend bestimmen sich auch das Gewinnbezugsrecht und die Teilhabe an den stillen Reserven des Unternehmens noch nach der ursprünglichen Beteiligungsquote.

c) Die Einbeziehung von Anwartschaftsrechten (Bezugsrechten) bei der Ermittlung der Beteiligungsquote kann auch nicht mit der Erwägung gerechtfertigt werden, es handele sich bei wirtschaftlicher Betrachtung um Rechtspositionen, die "Anteile an einer Kapitalgesellschaft" gewähren.

aa) Bezugsrechte gehören zu den in § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG genannten Anwartschaften auf Anteile an einer GmbH (vgl. BFH-Urteil vom 13. Oktober 1992 VIII R 3/89, BFHE 169, 336, BStBl II 1993, 477, m.w.N.). Die entgeltliche Verfügung eines wesentlich beteiligten Gesellschafters über sein Anwartschaftsrecht zugunsten eines Dritten kann deshalb zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG führen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 20. Februar 1975 IV R 15/71, BFHE 115, 223, BStBl II 1975, 505; in BFHE 169, 336, BStBl II 1993, 477; vom 19. April 2005 VIII R 68/04, BFHE 209, 476, BStBl II 2005, 762).

bb) Streitig ist dagegen, ob Bezugsrechte auch bei der Prüfung, ob eine Beteiligung wesentlich i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG ist, einem bestehenden Anteil am nominellen Grund- oder Stammkapital hinzuzurechnen sind. Der BFH hatte bisher keine Gelegenheit, über diese Frage zu entscheiden.

Die Literatur hierzu ist nicht einheitlich. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, die Anwartschaft auf einen nominellen Kapitalanteil stehe nicht nur hinsichtlich der Bestimmung des Veräußerungsobjekts in § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG, sondern auch bei der Ermittlung der Beteiligungsquote i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG der nominellen Beteiligung am Grund- oder Stammkapital gleich (vgl. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 17 Rdnr. B 132, m.w.N.; Blümich/Ebling, § 17 EStG Rz. 88; Frotscher in Frotscher, Praxiskommentar zum Einkommensteuergesetz, § 17 Rz. 39 ff., m.w.N.; Hörger in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 17 Rn. 59; Gosch in Kirchhof, EStG, 6. Aufl., § 17 Rn. 52; Schulte in Ernst & Young, KStG, § 17 Rz. 42). Anwartschaften auf einen Gesellschaftsanteil sind nach dieser Auffassung jedenfalls dann in die Berechnung der Beteiligungsquote einzubeziehen, wenn sie eine Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös vermitteln (Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Kommentar zum KStG und EStG, § 17 Tz. 99; Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 17 Rn. 52). In ihrer Mehrzahl sehen aber auch die Vertreter dieser Auffassung die Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister als maßgeblich für den Beginn der Fünf-Jahres-Frist an, wenn sich auf Grund einer Kapitalerhöhung, an der nicht alle Gesellschafter teilnehmen, die Beteiligungsquoten verändern (z.B. Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 17 Rn. 80; Blümich/Ebling, a.a.O., § 17 EStG Rz. 114; Hörger in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 17 Rn. 93; Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 17 EStG Tz. 108; Jäschke in Lademann, EStG, § 17 EStG Anm. 95; Schulte in Ernst & Young, a.a.O., § 17 EStG Rz. 63; a.A. Milatz/ Kuhlemann, GmbH-Rundschau 2001, 966: maßgeblich ist der Zeitpunkt des Kapitalerhöhungsbeschlusses).

Nach anderer Auffassung zählen Anwartschaften zwar zu den "Anteilen an einer Kapitalgesellschaft" i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG, nicht aber zum Kapital der Gesellschaft i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG; Anwartschaften bleiben danach bei der Ermittlung der Höhe der Beteiligung grundsätzlich außer Betracht (Eilers/R. Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 17 EStG Anm. 111, 114; Zimmermann/Schwier in Bordewin/Brandt, § 17 EStG Rz. 62; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 25. Aufl., § 17 Rz. 45; Lütticken, Steuerberater 2002, 122; Schweyer/Dannecker, Betriebs-Berater 1999, 1732; Weirich, Ähnliche Beteiligungen i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG, S. 131).

cc) Der Senat ist mit der zuletzt genannten Literaturmeinung der Ansicht, dass aus der Definition des Begriffs "Anteile an Kapitalgesellschaften" in § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht folgt, dass Anwartschaften (Bezugsrechte) notwendig auch bei der Bestimmung der Höhe der Beteiligung zu berücksichtigen sind. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil in BFHE 210, 272, BStBl II 2005, 861 ausgeführt hat, können Rechte, mit denen kein Anteil am Nennkapital verbunden ist, nur dann als "Anteile an einer Kapitalgesellschaft" i.S. des § 17 EStG beurteilt werden, wenn sie dem Inhaber eines solchen Rechts eine der Beteiligung am Stammkapital wirtschaftlich vergleichbare Stellung einräumen. Von einer solchen --dem Stammkapital vergleichbaren-- Kapitalbeteiligung kann nur gesprochen werden, wenn der Rechtsinhaber --wie ein GmbH-Gesellschafter-- an der Substanz der Kapitalgesellschaft, also insbesondere am Liquidationserlös, beteiligt ist. Denn Beteiligungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie die für einen Anteilseigner typische Teilhabe an den stillen Reserven des Unternehmens gewährleisten. Dieses Erfordernis ergibt sich auch aus dem Zweck des § 17 Abs. 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung, den wesentlich beteiligten Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft dem typischen Mitunternehmer gleichzustellen (Senatsurteil in BFHE 210, 272, BStBl II 2005, 861). Dieser ist aber auch an den stillen Reserven seines Unternehmens beteiligt. An einer solchen --dem Geschäftsanteil vergleichbaren-- Beteiligung des Bezugsrechtsinhabers am Kapital der Gesellschaft fehlt es, solange die Kapitalerhöhung nicht im Handelsregister eingetragen ist (s.o. unter II.3.b der Gründe).

dd) Dieser Auffassung steht die sog. Substanzabspaltungstheorie nicht entgegen, die besagt, dass die Gesellschafter mit dem Beschluss über die Einräumung von Bezugsrechten eine Teilsubstanz ihrer eigenen Mitgliedschaftsrechte von den bisherigen Geschäftsanteilen abspalten und auf die Erwerber des Bezugsrechts übertragen (vgl. BFH-Urteil vom 10. August 2005 VIII R 26/03, BFHE 210, 402, BStBl II 2006, 22, m.w.N.). Dabei ist es unerheblich, ob man die von den alten GmbH-Anteilen durch die Kapitalerhöhung abgespaltenen und auf den Erwerber übergegangenen Vermögenswerte als Bezugsrecht oder als Anwartschaftsrecht auf Teilnahme an einer Kapitalerhöhung ansieht (BFH-Urteile in BFHE 164, 513, BStBl II 1991, 832, und in BFHE 209, 476, BStBl II 2005, 762). Die in den bisherigen Geschäftsanteilen ruhenden stillen Reserven gehen mit der Übernahme der neuen Stammeinlagen anteilig auf den Erwerber des Bezugsrechts über (BFH-Urteil in BFHE 210, 402, BStBl II 2006, 22, m.w.N.). Der BFH hat daraus gefolgert, dass dem Bezugsrecht und der an seine Stelle tretenden neuen Stammeinlage ein Teil der Anschaffungskosten für den Erwerb der alten Geschäftsanteile zuzuordnen sei (BFH-Urteile vom 19. Dezember 2000 IX R 100/97, BFHE 194, 182, BStBl II 2001, 345, und vom 22. Mai 2003 IX R 9/00, BFHE 202, 309, BStBl II 2003, 712). Dieser Übergang anteiliger stiller Reserven auf die neue Stammeinlage wird jedoch erst wirksam mit der Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister. Die Entstehung des Bezugsrechts (Anwartschaftsrechts) führt noch nicht zu einer Veränderung des Stammkapitals und der Beteiligungsquoten (s.o. unter II.3.b der Gründe). Zwar entstehen schon mit der Übernahme (Zeichnung der neuen Stammanteile durch die Übernahmeerklärung des Bezugsberechtigten) Ansprüche der Gesellschaft gegen den Übernehmer auf Leistung der Einlage (Scholz/Priester, a.a.O., § 55 Rdnr. 93, m.w.N.; Zöllner in Baumbach/Hueck, a.a.O., § 55 Rn. 51). Die Übernahmeerklärung erfolgt jedoch unter der gesetzlichen Bedingung der Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses und wird erst mit dieser dauerhaft wirksam (Scholz/Priester, a.a.O., § 55 Rdnr. 82; Zöllner in Baumbach/ Hueck, a.a.O., § 55 Rn. 37, 49). Scheitert die Kapitalerhöhung, wird der Übernehmer von seiner Einlagepflicht frei.

4. Im Streitfall kann dahinstehen, ob Fälle denkbar sind, in denen der Lauf der Fünf-Jahres-Frist des § 17 Abs. 1 EStG schon vor der Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister und damit vor der wirksamen Erhöhung des Stammkapitals der GmbH beginnt.

Ein solcher Ausnahmefall kommt jedenfalls nur dann in Betracht, wenn die zur Übernahme der neuen Stammanteile zugelassenen Gesellschafter die im Kapitalerhöhungsbeschluss vereinbarten neuen Stammeinlagen schon vor Eintragung im Handelsregister erbracht haben und damit das Eigenkapital der Gesellschaft vermehrt worden ist. Vor diesem Zeitpunkt kann das Anwartschaftsrecht der zur Übernahme der neuen Stammeinlagen zugelassenen Gesellschafter keine Beteiligung an dem neuen Gesellschaftskapital begründen. Im Streitfall ist das bilanzielle Eigenkapital der Gesellschaft vor Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister nicht vermehrt worden. Nach den unstreitigen Feststellungen des FG haben die Gesellschafter der GmbH die im Kapitalerhöhungsbeschluss vom 16. März 1993 beschlossenen Bareinlagen tatsächlich nicht geleistet. Durch den (zivilrechtlich nichtigen) Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 3. Juni 1993, dass der Anspruch auf Leistung der übernommenen Einlagen im Wege der Verrechnung mit Darlehensforderungen der Gesellschafter gegen die GmbH erfüllt werden solle, sind die Gesellschafter nicht von ihrer Verpflichtung zur Leistung der Bareinlagen befreit worden (§ 19 Abs. 5 GmbHG; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. Juli 2003 II ZR 235/01, Der Betrieb 2003, 1894). Ist eine Kapitalerhöhung am maßgeblichen Bilanzstichtag noch nicht ins Handelsregister eingetragen und sind die beschlossenen Einlagen zu diesem Zeitpunkt bereits eingefordert, aber noch nicht geleistet, ist der Anspruch auf die Einlage als schwebendes Geschäft am Bilanzstichtag noch nicht zu aktivieren (Förschle/Hoffmann in Beck Bil-Komm. § 272 Anm. 20; Memento Bilanzrecht für die Praxis 2005/2006, Nr. 11.013). Danach bestand im Streitfall vor Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister kein erhöhtes Eigenkapital der Gesellschaft, an dem das Bezugsrecht der zur Übernahme der neuen Stammanteile zugelassenen Gesellschafter eine zum vorhandenen Gesellschaftsanteil hinzuzurechnende Beteiligung i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG vermitteln könnte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1562397

BFH/NV 2006, 1908

BStBl II 2006, 746

BFHE 2006, 307

BFHE 213, 307

BB 2006, 1954

BB 2006, 2005

DB 2006, 1929

DStR 2006, 1591

DStRE 2006, 1165

DStZ 2006, 642

HFR 2006, 1215

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge