Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Ist eine von einem Arzt betriebene Klinik, ein Kurheim oder Sanatorium ein Gewerbebetrieb, so gehören auch seine im Rahmen dieses Betriebes erzielten Einnahmen aus ärztlichen Leistungen zu den Einnahmen aus Gewerbebetrieb.

 

Normenkette

EStG § 18/1/1; GewStG § 2 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrages 1955, ob die im Rahmen eines Sanatoriums aus ärztlichen Leistungen angefallenen Einnahmen gewerbliche Einnahmen oder Einnahmen aus freier Berufstätigkeit sind.

Die Steuerpflichtige ist praktische ärztin. Sie unterhielt neben ihrer freiberuflichen Praxis ein Kneipp-Sanatorium, das nunmehr unstreitig wegen der Höhe der erzielten Gewinne eine selbständige, als Gewerbebetrieb zu beurteilende Einnahmequelle darstelle. Während das Finanzamt auch die im Rahmen des Sanatoriums angefallenen Einnahmen aus ärztlichen Leistungen (Bäder, Güsse, Packungen, Wickel usw.) den gewerblichen Einkünften der Steuerpflichtigen zurechnete, sah sie das Finanzgericht als Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit an. Seine Entscheidung begründet es wie folgt.

Der im Urteil des Bundesfinanzhofs I 375/61 vom 19. Juni 1963 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1963 S. 393) vertretenen Auffassung, nach der bei einem eine besondere Einnahmequelle bildenden Sanatorium eine Trennung zwischen der ärztlichen Tätigkeit und dem Sanatoriumsbetrieb nicht möglich sei, da es sich insoweit um zwei unlösbar miteinander verflochtene Tätigkeiten handele, könne die Kammer nicht folgen. Es treffe zwar zu, daß sowohl die Unterbringung wie auch die Verpflegung häufig auf die Art der Erkrankung und die Erfordernisse der zu ihrer Bekämpfung anzuwenden Therapie abgestellt seien. Das bedeute aber nicht, daß ärztliche und nichtärztliche Leistungen als unlösbar verbunden angesehen werden müßten, obwohl sie nicht nur wesensmäßig verschieden, sondern auch ohne besondere Schwierigkeiten voneinander zu trennen seien. Wäre dem nicht so, könnte auch die Frage, ob ein Sanatorium eine selbständige Einnahmequelle sei, nicht anhand der von der Rechtsprechung aufgestellten und auch im Urteil I 375/61 bejahten Kriterien (Höhe des Ertrags aus der Gewährung von Unterkunft und Verpflegung) entschieden werden. Schließlich entspreche die Trennung der durch verschiedenartige, wenn auch sachlich und wirtschaftlich zusammenhängende Tätigkeiten erzielten Einkünfte dem Gebot steuerlicher Gerechtigkeit (so Urteile des Bundesfinanzhofs I 116/55 U vom 23. Oktober 1956, BStBl 1957 III S. 17, Slg. Bd. 64 S. 46; IV 390/55 U vom 28. März 1957, BStBl 1957 III S. 182, Slg. Bd. 64 S. 490).

Hiergegen wendet sich der Vorsteher des Finanzamts, der zur Begründung seiner Rb. auf die Urteile des Bundesfinanzhofs IV 318/59 U vom 16. März 1962 (BStBl 1962 III. S. 302, Slg. Bd. 75 S. 89) und IV 394/58 U vom 30. August 1962 (BStBl 1963 III S. 42, Slg. Bd. 76 S. 116) verweist. In beiden Fällen, die einen Gartenarchitekten (Planung und Ausführung der Gartengestaltung) und einen Steuerbevollmächtigten (Buchführung und steuerliche Beratung) beträfen, sei der einheitliche Auftrag als das die Unlösbarkeit beider Tätigkeiten bestimmende Moment betont worden. Dieselbe Situation sei im Streitfall gegeben; die Kur stelle für den Patienten eine einheitliche Leistung dar, für die die enge Verbindung von Gewährung von Unterkunft und Verpflegung mit medikamentöser oder balnearischer Anwendung charakteristisch sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt, damit es entsprechend seinem Antrag die Einkünfte aus der ambulanten Praxis der Steuerpflichtigen aus den Einkünften aus Gewerbebetrieb aussondert.

Wie der Bundesfinanzhof in den Urteilen I 116/55 U und IV 390/55 U ausgesprochen hat, kommt in Fällen der hier zu beurteilenden Art eine getrennte steuerliche Behandlung zweier nebeneinander ausgeübter Tätigkeiten dann in Betracht, wenn ihre Trennung nach der Verkehrsanschauung ohne besondere Schwierigkeiten möglich ist. Ihre Trennung ist nicht möglich, wenn sich die beiden vom Steuerpflichtigen ausgeübten Tätigkeiten unlösbar bedingen oder sachlich und wirtschaftlich derart zusammengehören, daß sie nur einheitlich behandelt werden können. Dabei kann nicht darauf abgestellt werden, ob vom Steuerpflichtigen die Entgelte für seine als einheitlich zu behandelnde Tätigkeit rechnungs- und buchmäßig getrennt ausgewiesen werden könnten oder ausgewiesen werden.

Im Falle des Urteils IV 309/55 U verbot der enge sachliche und wirtschaftliche Zusammenhang der vom Steuerpflichtigen bewirkten Leistungen der Planung und Geschäftsbesorgung, die nach außen hin als einheitlicher Vorgang der Lieferung der nach eigenen Entwürfen auf eigene Rechnung angefertigten Einrichtungen in Erscheinung traten, eine Aufteilung der Entgelte in Lieferungsentgelte und Honorare für Entwürfe. In den Fällen der Urteile IV 318/59 U und IV 394/58 U war es der den Auftraggebern geschuldete einheitliche Erfolg, wie er der übernahme des einheitlichen Auftrags entsprach, der beim Gartenarchitekten nicht als Folge zweier Aufträge zur Planung und Ausführung der Anlage und beim Steuerbevollmächtigten nicht als Folge zweier Aufträge zur Buchführung und steuerlichen Beratung und zweier voneinander unabhängiger Formen des Tätigwerdens in beiden Fällen angesehen werden kann. Dabei war im letzteren Fall auch der wesensmäßige innere Zusammenhang zwischen der Führung der Bücher und der steuerlichen Beratung zu berücksichtigen.

Nichts anders kann für die ärztlichen Versorgungsleistungen im Rahmen einer stationären Behandlung im eigenen Sanatorium gelten. Die Kneipp-Kur ist nach den dem Finanzgericht vorgelegenen medizinischen Gutachten ein hochdifferenziertes Verfahren, in dem Hydrotherapie, Arzneitherapie und Diätetik gemeinsam den Heilerfolg bestimmen; sie ist auch vom Patienten her betrachtet in allen ihren Komponenten (stationäre Unterbringung, Art der Verpflegung und der ärztlichen Dienstleistungen) ein einheitliches Heilverfahren, für das ein einheitliches Entgelt entrichtet wird, selbst wenn rechnungs- und buchmäßig, nicht zuletzt auch aus Gründen der Erstattung durch die Krankenversicherungen, die einzelnen Kurleistungen getrennt in Ansatz gebracht werden.

Diese Beurteilung steht auch nicht im Widerspruch zu den für die Einordnung der Klinik als notwendiges Hilfsmittel der freiberuflichen ärztlichen Tätigkeit oder als selbständige Einnahmequelle aufgestellten Kriterien. Diese stellen es für beide Fälle - sei es, daß die Kliniksätze nur Unterkunft und Verpflegung, sei es, daß sie daneben auch die ärztlichen Dienstleistungen abzugelten bestimmt sind - darauf ab, ob die Einnahmen lediglich die Unkosten in angemessener Höhe decken oder ob die erzielten überschüsse die Klinik, das Kurheim oder Sanatorium als eine selbständige gewerbliche Einnahmequelle ausweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411434

BStBl III 1965, 90

BFHE 1965, 246

BFHE 81, 246

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