Leitsatz (amtlich)

Hat ein Ehegatte keine Einnahmen oder nur Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, die wegen ihrer geringen Höhe nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegen, so ist sein einseitig gestellter Antrag auf getrennte Veranlagung steuerlich unbeachtlich, wenn der andere Ehegatte wegen seiner Einkünfte die Zusammenveranlagung begehrt.

 

Normenkette

EStG 1969 § 26 Abs. 2; FGO § 60 Abs. 3

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) reichte im November 1971 seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1970 ein. Er beantragte die Zusammenveranlagung mit seiner - inzwischen von ihm geschiedenen - Ehefrau. Als Einkünfte der Ehefrau gab er 1 800 DM Gehalt für ihre Mitarbeit in seinem Betrieb an. Die Einkommensteuererklärung war nur vom Kläger unterschrieben.

Im Mai 1972 teilte die Ehefrau dem Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) mit, daß sie vom 1. Januar 1971 an nicht mehr mit ihrem Ehemann veranlagt werden wolle, da sie seit Dezember 1970 getrennt von ihm lebe; auch für 1970 werde sie nicht mehr "zeichnen".

Der Kläger erklärte dem FA, er wolle versuchen, mit Hilie eines Rechtsanwalts die Unterschrift seiner Ehefrau zu bekommen. Als die Unterschrift nach Ablauf der dem Kläger gesetzten Frist nicht vorlag, veranlagte das FA den Kläger im Dezember 1972 getrennt zur Einkommensteuer.

Einspruch und Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 1970 blieben erfolglos. Das FG führte aus:

Eheleute seien getrennt zu veranlagen, wenn einer der Ehegatten die getrennte Veranlagung wähle (§ 26 Abs. 2 EStG). Zwar sei die Mitteilung der Ehefrau, sie werde für 1970 nicht mehr "zeichnen", allein nicht als Wahl anzusehen (Urteil des BFH vom 9. März 1973 VI R 217/71, BFHE 109, 181, BStBl II 1973, 557). Jedoch habe sie während des Klageverfahrens im Juni 1974 eine Einkommensteuererklärung für 1970 beim FA eingereicht, in der sie ausdrücklich die getrennte Veranlagung beantragt habe. Daß das Oberlandesgericht im Scheidungsurteil dieses Verhalten als grobe Eheverfehlung angesehen habe, sei für den Steuerprozeß ohne Bedeutung; denn nach dem Einkommensteuergesetz komme es auf die Gründe für diese Wahl nicht an. Nachdem die Ehefrau die getrennte Veranlagung gewählt habe, sei das FA verpflichtet gewesen, den Kläger und seine Frau getrennt zu veranlagen (BFH-Urteil VI R 217/71). Es sei auch unerheblich, daß die Ehefrau ihre Einkommensteuererklärung erst im Juni 1974 abgegeben habe. Das FA habe eine Einkommensteuererklärung auch nach Ablauf der Erklärungsfrist zu beachten. Die Wahl der Veranlagungsart könne bis zur rechtskräftigen Veranlagung der entsprechenden Jahre jederzeit, sogar noch im Klageverfahren vor dem FG, ausgeübt oder geändert werden.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er trägt vor, nach § 60 Abs. 3 FGO seien Dritte notwendig zum Verfahren vor dem FG beizuladen, falls diese an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt seien, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen könne. Habe die Klage, mit der er die Zusammenveranlagung mit seiner früheren Ehefrau erstrebe, Erfolg, so werde die Entscheidung auch auf die Rechtsposition der Ehefrau einwirken. Da die Ehegatten - zumindest subjektiv - entgegengesetzte, wenn auch z. T. von der Rechtsordnung nicht gebilligte, Interessen verträten, läge nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des BFH. der Fall der notwendigen Beiladung vor (Urteile vom 27. Februar 1969 IV R 263/66, BFHE 95, 148, BStBl II 1969, 343, und vom 8. März 1973 VI R 305/68, BFHE 109, 317, BStBl II 1973, 625). Da das FG die Ehefrau nicht beigeladen habe, sei die Grundordnung des Verfahrens verletzt. Zumindest hätte der Sachverhalt Veranlassung geben müssen, die Frage der notwendigen Beiladung zu prüfen. In dem Unterlassen dieser Prüfung liege ein Verfahrensmangel, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen müsse (Urteil des BVerwG vom 14. Januar 1966 IV C 111/65, HFR 1966, 284).

Das FG-Urteil verstoße gegen die §§ 26, 26 a EStG. Die Ehefrau habe die getrennte Veranlagung erst zwei Jahre, nachdem er die Steuererklärung 1970 abgegeben und die Zusammenveranlagung gewählt habe, beantragt. Sie habe dabei ausschließlich in sittenwidriger Schädigungsabsicht gehandelt. Ihre Erklärung sei rechtsunwirksam; denn die Vorschrift über die Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) gelte über das bürgerliche Recht hinaus als unmittelbar anzuwendender Rechtsgrundsatz auch im öffentlichen Recht. Der BFH habe im Urteil VI R 305/68 ebenfalls ausgeführt, es sei bei widersprüchlichem Verhalten eines Ehegatten nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht unwesentlich, ob für sein Begehren auf getrennte Veranlagung wirtschaftlich verständliche und vernünftige Gründe gegeben seien oder ob sein Antrag nur auf Willkür beruhe. Zwar habe sich im Streitfall seine frühere Ehefrau nicht einseitig von einer bereits getroffenen Entscheidung gelöst. Sie sei jedoch ihm gegenüber zunächst mit einer Zusammenveranlagung einverstanden gewesen. Bei diesem widersprüchlichen Verhalten hätte das FG die Rechtsunwirksamkeit ihres Antrags überprüfen und dessen Rechtmäßigkeit feststellen müssen. Da ein wirksamer Antrag auf getrennte Veranlagung nicht vorliege, müsse nach § 26 Nr. 3 EStG eine Zusammenveranlagung durchgeführt werden. Die Weigerung eines Ehegatten, die von seinem Ehepartner abgegebene gemeinsame Steuererklärung zu unterzeichnen, rechtfertige nicht die getrennte Veranlagung (BFH-Urteil VI R 217/71).

Der Kläger beantragt, den Einspruchsbescheid vom 25. Oktober 1973 und das FG-Urteil vom 22. Oktober 1974 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1970 in der Weise abzuändern, daß er für das Streitjahr 1970 nach der Splittingtabelle unter Berücksichtigung von vier Kinderfreibeträgen zur Einkommensteuer veranlagt wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1. Die vom Kläger gerügte Verletzung des § 60 Abs. 3 FGO liegt nicht vor; das FG mußte die Ehefrau nicht notwendig zum Verfahren beiladen. Nach § 60 Abs. 3 FGO sind notwendig beizuladen Dritte, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Über den Wortlaut dieser Vorschrift hinaus ist die Beiladung auch dann notwendig, wenn die Entscheidung unmittelbar Rechte Dritter gestaltet, bestätigt, verändert oder zum Erlöschen bringt, wie z. B. bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung (BFH-Urteil vom 5. Februar 1971 VI R 301/66, BFHE 101, 358, BStBl II 1971, 331, mit weiteren Nachweisen). Im Streitfall ist weder eine einheitliche Entscheidung notwendig, noch hat sie eine die Rechte Dritter gestaltende Wirkung. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 1970 ist ausschließlich gegen den Kläger ergangen und wirkt daher nur ihm gegenüber. Auch die Tatsache, daß der Kläger mit der Klage die Zusammenveranlagung mit seiner Ehefrau begehrt, begründet keine notwendige Beiladung. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH stellt der zusammenveranlagende Bescheid keinen einheitlichen Bescheid dar, wie er im einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsverfahren ergeht; vielmehr handelt es sich um die Zusammenfassung zweier Bescheide zu einem gemeinsamen Bescheid, den jeder der Ehegatten mit verschiedenen Gründen angreifen oder gegen sich gelten lassen kann. Daß zusammenzuveranlagende Personen gemäß § 7 Abs. 2 StAnpG Gesamtschuldner sind, schließt die Möglichkeit verschiedener Entscheidungen ihnen gegenüber nicht aus, wie sich aus §§ 421 ff. BGB ergibt (BFH-Urteil vom 8. Dezember 1976 I R 240/74, BFHE 121, 142, BStBl II 1977, 321; BFH-Beschluß vom 20. Januar 1972 I B 51/68, BFHE 104, 45, BStBl II 1972, 287; Urteil VI R 301/66). Die Ehefrau könnte daher gegen einen gegen sie späterhin erlassenen zusammenveranlagenden Bescheid - der ihr im Streitfall auch gesondert zugestellt werden müßte (vgl. BFH-Beschluß I B 51/68) - unabhängig vom Kläger in diesem Verfahren uneingeschränkt eigene Einwendungen geltend machen.

Das FG-Urteil ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil die Urteilsgründe nicht erkennen lassen, ob das FG die Frage der notwendigen Beiladung geprüft hat. Denn das FG brauchte nicht sämtliche rechtlichen Erwägungen, die es anstellt, auch in den Urteilsgründen darzulegen. Das vom Kläger angeführte BVerwG-Urteil IV C 111/65 betrifft den hier nicht vorliegenden Fall, daß die Vorinstanz bestimmte Tatsachen, bei deren Vorliegen eine Beiladung notwendig gewesen wäre, nicht geprüft hat.

2. Ehegatten, die beide unbeschränkt steuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben und bei denen diese Voraussetzungen zu Beginn des Veranlagungszeitraums vorgelegen haben, können zwischen getrennter Veranlagung (§ 26 a EStG) und Zusammenveranlagung (§ 26 b EStG) wählen. Eine Zusammenveranlagung, die in der Regel günstiger ist als die getrennte Veranlagung, erfordert die Zustimmung beider Ehepartner, während die getrennte Veranlagung durchgeführt wird, auch wenn nur einer der Ehegatten sie beantragt (§ 26 Abs. 2 EStG). Eine Möglichkeit, die Zustimmung des anderen Ehepartners zu erzwingen, sieht das Gesetz nicht vor. Ein Ehepartner kann allenfalls zivilrechtlich verpflichtet sein, der Zusammenveranlagung zuzustimmen, und er kann sie ggf. schadenersatzpflichtig machen, wenn er diese Verpflichtung schuldhaft verletzt (Urteil des BGH vom 13. Oktober 1976 IV ZR 104/74, HFR 1977, 297).

Wenn auch jeder Ehegatte ohne weiteres die getrennte Veranlagung wählen darf, kann ein solcher Antrag jedoch, wenn die Ehegatten sich über die Art der Einkommensteuerveranlagung nicht einig sind, u. U. unwirksam sein. So hat der Senat im Urteil VI R 305/68 hervorgehoben, ein Antrag auf getrennte Veranlagung, den ein Ehegatte nach Wiederaufrollung einer bestandskräftigen Zusammenveranlagung nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO einseitig gestellt habe, könne ggf. wegen Willkür unmaßgeblich sein. Im Beschluß vom 27. Februar 1976 VI B 66/75 (BFHE 118, 160, BStBl II 1976, 384) führte der Senat unter Berufung auf dieses Urteil ganz allgemein aus, daß ein Antrag auf getrennte Veranlagung unter bestimmten Voraussetzungen wegen Willkür nicht beachtet zu werden braucht.

Der Senat hält an diesen Grundsätzen mit der Maßgabe fest, daß bei widerstreitenden Anträgen der Eheleute auf getrennte und Zusammenveranlagung der einseitige Antrag des einen Ehegatten auf getrennte Veranlagung dann unwirksam ist, wenn dieser selbst keine eigenen - positiven oder negativen - Einkünfte hat, oder wenn sie so gering sind, daß sie weder zur Einkommensteuerveranlagung führen können noch einem Steuerabzug, insbesondere bei Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit keinem Lohnsteuerabzug, unterlegen haben. Denn in diesen Fällen wäre für den Antragsteller nur ein nv-Bescheid zu erlassen. Sein Antrag auf getrennte Veranlagung geht hier ins Leere und ist - weil steuerlich und wirtschaftlich sinnlos - als rechtlich unerheblich anzusehen (vgl. Sauer, Deutsches Steuerrecht 1970 S. 65). Von den gleichen Grundsätzen ist der Senat auch im Rahmen der zwischen Wohnungsbau-Prämie, Spar-Prämie und Sonderausgaben bestehenden Kumulierungsverbote ausgegangen (vgl. § 10 Abs. 4 EStG 1975, § 2 b WoPG 1975, § 1 b SparpG 1975). Er hat eine Wahl zwischen diesen Vergünstigungen stets insoweit als unwirksam angesehen, als sie ins Leere geht, weil sie sich nicht auswirken kann (vgl. z. B. Urteile vom 18. August 1972 VI R 320/70, BFHE 107, 335, BStBl II 1973, 90; vom 25. Mai 1973 VI R 59/72, BFHE 109, 249, BStBl II 1973, 585, und vom 7. März 1975 VI R 120/72, BFHE 115, 352, BStBl II 1975, 532). Im Streitfall sind zwar beide Ehepartner bei der Zusammenveranlagung nach § 7 Abs. 2 StAnpG Gesamtschuldner, während bei der getrennten Veranlagung jeder der beiden Ehegatten nur für die von ihm selbst geschuldete Einkommensteuer haften würde. Das kann jedoch eine andere rechtliche Beurteilung nicht rechtfertigen. Denn nach § 7 Abs. 3 StAnpG kann jeder Ehegatte verlangen, daß er nur im Verhältnis seiner Einkünfte für die Einkommensteuer in Anspruch genommen wird.

Ist ein einseitig gestellter Antrag auf getrennte Veranlagung aus den genannten Gründen unwirksam, so sind die Eheleute nach § 26 Abs. 3 EStG zusammenzuveranlagen, wenn nur einer der Ehegatten dies beantragt hat. Der Gesetzgeber unterstelit in einem solchen Fall, daß beide Ehegatten die Zusammenveranlagung gewählt haben.

Die Vorentscheidung entspricht nicht diesen Grundsätzen; sie war daher aufzuheben. Die Sache kann vom Senat nicht abschließend entschieden werden, da das FG nicht festgestellt hat, ob die Ehefrau des Klägers tatsächlich - wie vom Kläger behauptet - im Streitjahr 1970 nur 1 800 DM verdient hat. Da nach der Rechtsprechung des Senats die auf Zusammenveranlagung gerichtete Klage eine Verpflichtungsklage ist (BFH-Urteil vom 17. Mai 1977 VI R 243/74, BFHE 122, 290, BStBl II 1977, 605), beschränkt sich die Entscheidung des Senats darauf, den gegen den Kläger ergangenen Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden (§ 101 Satz 2 FGO). Sollte der Antrag der Ehefrau auf getrennte Veranlagung im Juni 1974 wirksam gestellt worden sein, so wird das FA auch prüfen müssen, ob die Ehefrau nunmehr, wie der Kläger im Revisionsverfahren behauptet, die Zusammenveranlagung will.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72495

BStBl II 1977, 870

BFHE 1978, 172

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge