Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Ordnungsmäßigkeit der kaufmännischen Buchführung (fortlaufende Verbuchung der Geschäftsvorfälle in Grundbüchern; Erfordernis einer Geschäftskasse).

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, §§ 5, 10a

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige (Stpfl.) betreibt den Biergroßhandel. Streitig ist, ob die Buchführung ordnungsmäßig und der Verlustabzug für in den Wirtschaftsjahren II/1948 und 1949 erlittene Verluste in Streitjahr, dem Jahre 1950, zulässig ist. Bei der Betriebsprüfung für II/1948, 1949 und 1950 wurde die Buchführung des Beschwerdegegners (Bg.) aus folgenden Gründen beanstandet:

Die Buchungen seien verspätet erfolgt,

daraus habe sich teilweise eine falsche Reihenfolge ergeben,

es hätten Kassenfehlbeträge vorgelegen,

es fehlten drei Geschäftsvorfälle: In II/1948 Einnahmen aus dem Verkauf eines Dieselmotors und eine LKW-Anhängers, in 1950 Provisionseinnahmen der A. Brauerei.

Außerdem sei der eigene Verbrauch nicht erfaßt. Die Prüfer erklärten, das Ergebnis müsse geschätzt werden. Als Schätzungsgrundlage dienten die Werte der Handelsbilanz, die in einigen Punkten abgeändert wurden. Der Stpfl. wandte sich im Wege der Sprungberufung gegen die Versagung des Verlustabzugs. Die Buchführung sei trotz kleiner formeller Mängel sachlich in Ordnung. Die Buchungen seien im wesentlichen laufend geführt worden. Lediglich die Abschlußbuchungen hätten sich hinausgezögert. Die Kassenfehlbeträge seien auf eine irrtümliche Auffassung über den privaten Charakter der Verkäufe des Dieselmotors und des Anhängers zurückzuführen.

Das Finanzgericht gab der Berufung statt und begründete seine Entscheidung wie folgt: Nach dem Betriebsprüfungsbericht könne kaum bezweifelt werden, daß die Buchführung ursprünglich starke Mängel aufgewiesen habe. Andererseits weise der Stpfl. mit Recht darauf hin, daß diese Mängel später behoben worden seien. Er könne sich insoweit auf das Ergebnis der Betriebsprüfung stützen. Vergleiche man die Handelsbilanz mit der Prüferbilanz, so seien die Abweichungen sehr geringfügig. Sie kennzeichneten sich als verschiedene Auffassungen einzelner Vorgänge. Es seien vom Stpfl. zwei Verkäufe als privat angesehen worden, die der Prüfer als betriebliche Vorgänge betrachtet habe. Es bleibe übrig der Zusatz des Eigenverbrauchs von 150 DM in II/1948 und 300 DM in 1949. Schließlich sei eine Kürzung der Betriebsausgaben vorgenommen worden, in dem die nichtabzugsfähigen Ausgaben (unbelegte Transport- und Brennstoffkosten, sowie Reise- und private Autokosten) auf 869 DM in II/1948 und auf 5000 DM für 1949 geschätzt worden seien. Es sei demnach in Wirklichkeit keine Schätzung von den Prüfern vorgenommen, sondern das Ergebnis der Buchführung lediglich in einigen Punkten abgeändert worden.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts macht hiergegen folgendes geltend:

Auf Grund der Betriebsprüfung habe sich gezeigt, daß die Bücher nicht laufend geführt worden seien. Die Buchungsarbeiten bis Ende 1948 hätten sich bis Oktober 1949 erstreckt, die Buchungsarbeiten 1949 bis September 1951, die Abschlußarbeiten 1949 hätten erst ab September 1951 begonnen. Der Stand der Buchhaltungsarbeiten zur Zeit der Betriebsprüfung (II. bis 29. Februar 1952) sei der März 1951 gewesen. Durch die nachträglichen Arbeiten seien auch chronologisch unrichtige Buchungen vorgekommen. Eine getrennte Geschäftskasse sei nicht geführt worden. Es hätten sich dadurch für II/1948, 1949 erhebliche Kassenminusbestände ergeben. Solche von Ende August und September 1948 seien durch angebliche Einlagen in Höhe von 1000 DM am 31. August 1948 und in Höhe von 2500 DM am 30. September 1948 ausgeglichen worden. Eine am 31. Juli 1948 gebuchte Einlage von 2550 DM sei nachträglich wieder gestrichen worden. Das Kassenbuch sei vom 1. Januar bis 30. Juni 1949 nicht addiert. Nach Durchführung dieser Arbeiten hätten sich laufende Kassenfehlbeträge in den Monaten Januar und Februar 1949 ergeben. Sie hätten am 31. Januar 1949 1581 DM, am 28. Februar 1949 6195 DM betragen. Eine übereinstimmung zwischen Kassenbuch und Kassenkonto im Journal bestehe nicht, da die Kassenfehlbeträge in beiden Büchern voneinander abwichen. Der buchmäßige Kassenbestand stimme Ende 1949 und 1950 mit dem tatsächlichen Kassenbestand nicht überein. Zum Ausgleich seien am 31. Dezember beider Jahre 6000 DM über Privatkonto verbucht worden. Ein entsprechender Ausgang fehle im Kassenbuch 1949, für 1950 sei er sichtbar nachgebucht worden. Die Betriebsergebnisse hätten geschätzt werden müssen, wobei als Unterlage die Handelsbilanz benutzt worden sei. Eine lange Zeit hindurch seien die Betriebsvorfälle überhaupt nicht gebucht worden, danach zum Teil fehlerhaft in in falscher chronologischer Reihenfolge, zum Teil auch endgültig lückenhaft, in allen anderen Fällen (Einlagen, Stornierungen) willkürlich und nur als Korrekturen gebucht.

Der Stpfl. bemüht sich in seiner Stellungnahme zur Rb., die Mängel der Buchführung durch die besonderen Verhältnisse der Geschäftsjahre II/1948 und 1949 zu erklären. Von besonderer Bedeutung für die Beurteilung sei auch die Tatsache, daß die gesetzlichen Bestimmungen und Anweisungen sehr spät, teilweise erst nach Ablauf der Geschäftsjahre herausgekommen seien.

Die vorgelegten Unterlagen ergeben folgendes: Es liegt doppelte Buchführung nach verschiedenen Durchschreibesystemen vor. Die laufenden Buchungsarbeiten sind nach den Feststellungen der Betriebsprüfer für 1948 bis Oktober 1949, für 1949 vom Frühjahr bis September 1951 durchgeführt worden. Für 1950 sind diese Arbeiten, beginnend ab September 1951, erfolgt. Der Stand der Buchhaltungsarbeiten zur Zeit der Prüfung im März 1952 war: März 1951. über den Zeitpunkt der Durchführung der laufenden Buchführungsarbeiten bestehen erhebliche Meinungsverschiedenheiten. Der Stpfl. gibt an, die Buchführungsarbeiten für 1948 seien bis auf die Abschlußbuchungen laufend in 1948 erfolgt, nur für das Jahr 1949 könnten die Aussagen des Buchhalters X. über die nachträglichen Buchführungsarbeiten zutreffen. Der Stpfl. hat zugegeben, daß die Wareneingangsrechnungen und Warenausgangsrechnungen in Ordnern der Zeitfolge nach aufbewahrt wurden und als Grundlage für die späteren Buchungen dienten.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:

Nach § 38 des Handelsgesetzbuchs erfordert die kaufmännische Buchführung, daß die Handelsgeschäfte in Büchern festgehalten werden und es auf diese Weise möglich ist, das Geschäftsgebaren des Kaufmanns während des Wirtschaftsjahres zu überprüfen. Nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung müssen die Geschäftsvorfälle laufend gebucht werden. Es widerspricht dem Wesen der kaufmännischen Buchführung, sich zunächst auf die Sammlung von Belegen zu beschränken und nach Ablauf einer langen Zeit auf Grund dieser Belege die Geschäftsvorfälle in Grundbüchern einzutragen. Für das Steuerrecht fordert § 162 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) ausdrücklich die fortlaufende Verbuchung der Geschäftsvorfälle. Hinsichtlich der Notwendigkeit der Verbuchung unbarer Geschäftsvorfälle in Grundbüchern gelten gleichartige Grundsätze, wie sie in der Entscheidung IV 174/52 U vom 5. März 1953, Bundessteuerblatt 1954 III S. 106, hinsichtlich der Führung eines Geschäftsfreundebuches dargestellt sind.

Auch nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts muß die Buchführung des Kaufmanns so beschaffen sein, daß sie ihm oder einem sachverständigen Dritten jederzeit - ohne nennenswerten Zeitverlust - die erforderliche übersicht über den Vermögensstand gewährt. Das ist nur dann möglich, wenn die Bücher stets auf dem laufenden gehalten werden und dafür Sorge getragen wird, daß die im Handelsbetrieb eintretenden Vermögensänderungen möglichst bald danach in den Büchern zur Erscheinung gelangen (Urteil des Reichsgerichts I. Strafsenat vom 1. Dezember 1933 I D 1111/33, Reichssteuerblatt 1934 S. 319). In den Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Bd. 39 S. 217 und Bd. 47 S. 311 wurden Buchführungen als ordnungswidrig angesehen, weil die Verbuchungen der Geschäftsvorfälle erst nach mehreren Monaten (vier Monate bzw. sieben bis acht Monate verspätet) vorgenommen worden waren.

Im vorliegenden Falle bestehen nach den aktenmäßigen Unterlagen Bedenken, ob nicht auch hier wesentlich gegen den Grundsatz der laufenden Verbuchung der Geschäftsvorfälle verstoßen worden ist. Trifft dies zu, so liegt ein Systemfehler vor, der der Buchführung den Charakter der kaufmännischen Buchführung nimmt. Nach der Darstellung des Finanzamts, die sich auf die Ausführungen des Betriebsprüfungsberichts stützt, sind die Geschäftsvorfälle in erheblichem Umfange erst wesentlich nach Ablauf des Wirtschaftsjahres in den Grundbüchern festgehalten worden.

Es bestehen keine Bedenken dagegen, daß sich die Abschlußarbeiten, insbesondere die Aufstellung der Verlust- und Gewinnrechnung und der Bilanz mit Rücksicht auf die besonders gelagerten Verhältnisse, wie sie der Stpfl. wohl mit Recht für II/1948 und 1949 geltend macht, hinausgezogen haben. Hierdurch wird das Festhalten der Geschäftsvorfälle in den Grundbüchern und damit die Gewähr für die ordnungsmäßige Erfassung der Geschäftsvorfälle nicht berührt.

Entscheidend ist für die Anerkennung einer Buchführung insbesondere die ordnungsmäßige Führung des Kassenbuches. Hierbei ist zu beachten, daß auch eine Geschäftskasse vorhanden sein muß, auf Grund deren es möglich ist, den tatsächlichen Bestand mit dem buchmäßigen Bestand laufend zu vergleichen. Es ist nicht angängig, die Geschäftskasse nur buchmäßig zu führen. Auf diese Weise würde ein wesentliches Kontrollmittel zur Nachprüfung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung wegfallen. Eine Kassenbuchführung kann nur dann anerkannt werden, wenn sich die sogenannten Kassendifferenzen auf ein geringes Maß beschränken und angemessen geklärt werden können. Treten in einer Kassenbuchführung Kassendifferenzen in erheblichem Umfange auf, so kann eine solche Buchführung nicht mehr als eine kaufmännische Buchführung angesehen werden. Im Ergebnis fehlt es dann an einem ordnungsmäßigen Kassenbuch. Nach Darstellung des Finanzamts sind im vorliegenden Fall derart große Mängel der Kassenbuchführung gegeben, daß das Kassenbuch nur ein Stückwerk darstellt und damit den Charakter eines ordnungsmäßigen Kassenbuchs verloren hat.

Es ist möglich, daß das Finanzgericht diese Grundsätze verkannt hat. Die Vorentscheidung wird deshalb aufgehoben und die Sache zur nochmaligen Würdigung an das Finanzgericht zurückverwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407952

BStBl III 1954, 298

BFHE 1955, 227

BFHE 59, 227

DB 1954, 816

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