Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Vergütungen, die Angestellte eines Notars für die übernahme der Auflassungsvollmacht von den Parteien eines beurkundeten Grundstücksgeschäfts erhalten, können Arbeitslohn aus ihrem Dienstverhältnis mit dem Notar sein.

 

Normenkette

EStG § 19 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.), ein Rechtsanwalt und Notar, ist vom Finanzamt mit 991,83 DM in Anspruch genommen worden, weil er als Arbeitgeber von den Nebeneinkünften zweier Angestellten zu Unrecht den Steuerabzug nicht vorgenommen habe. Mit den Nebeneinkünften hat es die folgende Bewandtnis: Die Verhandlungen mit den Parteien vor der notariellen Beurkundung von Grundstückskaufverträgen wurden vom Bf. selbst oder den langjährigen beiden Angestellten geführt. Wer jeweils mit den Parteien verhandelte, wies sie darauf hin, daß zweckmäßig für die Auflassung und die damit verbundenen Rechtsgeschäfte ein Auflassungsbevollmächtigter benannt werde. Die Parteien erklärten sich gewöhnlich damit einverstanden. Wem im Einzelfall die Vollmacht erteilt wurde, erfuhren die Parteien zunächst durch die Besprechung und ersahen es nachträglich aus der ihnen ausgehändigten Vertragsausfertigung. War einer der beiden Angestellten als Auflassungsbevollmächtigter benannt worden, so erschien in der Kostenrechnung des Bf. ein besonderer Posten "Für Bemühungen des Auflassungsbevollmächtigten". Der Bf. zog den Betrag mit seinen eigenen Gebühren ein und zahlte ihn an den Auflassungsbevollmächtigten aus. Das Entgelt für die Auflassungsbevollmächtigten wurde nach Vereinbarung der Angestellten mit dem Bf. bemessen. Die Nebeneinnahmen des ersten Angestellten betrugen bei einem laufenden Gehalt von 7.500 DM im Jahre 1950 1.755 DM und im Jahre 1951 1.936 DM. Die Nebeneinnahmen der zweiten Angestellten betrugen bei einem laufenden Gehalt von 5.043 DM im Jahre 1951 425 DM.

Das Finanzamt betrachtete die Nebeneinkünfte der beiden Angestellten als Teil des Arbeitslohns aus ihrem Arbeitsverhältnis mit dem Bf. und machte den Bf. haftbar, weil er den Steuerabzug unterlassen hatte. Der Bf. wollte die Nebeneinnahmen als Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit der Angestellten angesehen wissen, weil die Angestellten insoweit in Rechtsbeziehungen nur zu den Auftraggebern getreten seien. Er wies noch darauf hin, daß seit 27 Jahren gemäß einer dem ersten Angestellten früher erteilten Auskunft des Finanzamts die Lohnsteuer auf Grund einer zweiten Lohnsteuerkarte einbehalten worden sei. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht wies die Berufung zurück und begründete seine Entscheidung wie folgt: Die beiden Angestellten seien im Hauptberuf Arbeitnehmer des Bf. Die Nebentätigkeit als Auflassungsbevollmächtigte hänge mit der Haupttätigkeit zusammen. Die Angestellten würden von den Vollmachtgebern nur herangezogen, weil sie Angestellte des Bf. seien. Der Bf. könne sich zwar auch selbst als Auflassungsbevollmächtigten bestellen lassen. In diesem Fall könnte er aber die Auflassung nicht beurkunden, sondern müßte sie vor Gericht erklären. Das sei nicht üblich. Die beiden Angestellten würden bevollmächtigt, weil sie jederzeit zur Entgegennahme der Auflassungserklärung zur Verfügung stünden. Es komme hinzu, daß das Entgelt für die Bevollmächtigung vom Bf. in seiner Kostenrechnung mit angefordert worden sei und die Auflassungsverhandlungen hauptsächlich während der Bürostunden stattgefunden hätten.

Mit der nicht näher begründeten Rechtsbeschwerde rügt der Bf. wesentliche Verfahrensmängel und unter Bezugnahme auf sein früheres Vorbringen unrichtige Rechtsanwendung und Verstoß gegen den klaren Akteninhalt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

Mit der Rüge wesentlicher Verfahrensmängel kann der Bf. nicht gehört werden, da er Tatsachen, die die behaupteten Mängel ergeben, nicht angeführt hat (§ 290 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung - AO -). Es ist auch nicht zu erkennen, inwieweit die angefochtene Entscheidung auf einem Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten beruht (§ 288 Ziff. 1 AO).

Die Auffassung des Finanzgerichts, daß die Vergütungen für die Vollmacht den beiden Angestellten als Nebeneinkünfte im Rahmen des Dienstverhältnisses mit dem Bf. zugeflossen und darum Arbeitslohn seien (§ 2 Abs. 3 Ziff. 6 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV), ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Angestellten hatten zwar den Anspruch auf die Vergütungen für die Vollmacht nicht gegenüber dem Bf., sondern gegenüber den Auftraggebern. Sie konnten vom Bf. die Vergütungen nur insoweit verlangen, als er sie für ihre Rechnung vereinnahmt hatte. Der Vollmacht lag bürgerlich-rechtlich jeweils ein Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) zugrunde. Auch wenn man annimmt, daß die Angestellten auf Grund des Arbeitsvertrags mit dem Bf. nicht verpflichtet waren, die Geschäftsbesorgungsverträge mit den Auftraggebern abzuschließen, und Arbeitsvertrag und Geschäftsbesorgungsvertrag mit den Vollmachtgebern nebeneinander bestanden, so konnte das Finanzgericht trotz dieser Rechtslage nach bürgerlichem Recht auf Grund seiner tatsächlichen Feststellungen annehmen, daß für die steuerliche Beurteilung die Nebeneinnahmen den Angestellten im Rahmen des Dienstverhältnisses mit dem Bf. zugeflossen und darum Arbeitslohn seien. Nach der das Steuerrecht beherrschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise muß in Grenzfällen der wirtschaftliche Gehalt eines Rechtsverhältnisses gegenüber der bürgerlich-rechtlichen Betrachtung den Ausschlag geben. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise führt nach ständiger Rechtsprechung dazu, die steuerliche Beurteilung der Haupttätigkeit einer Person auch für die Nebentätigkeit maßgebend sein zu lassen, wenn die Nebentätigkeit mit der Haupttätigkeit in engem Zusammenhang steht und gewissermaßen nur ihr Ausfluß ist (vgl. Hartz-Over, Lohnsteuer, Stichwort "Hilfsgeschäft" und die dort angeführte Rechtsprechung). Infolge dieser Betrachtungsweise kann eine Nebentätigkeit, die bei gesonderter Beurteilung als selbständig zu bewerten wäre, steuerlich als unselbständig zu betrachten sein, wie umgekehrt auch eine Tätigkeit, die üblicherweise nicht selbständig ausgeübt wird, selbständig ist, wenn sie als Nebentätigkeit eines selbständig Tätigen erscheint. Im vorliegenden Fall wurde, wie das Finanzgericht festgestellt hat, den Angestellten die Auflassungsvollmacht als Angestellte des Bf. gegeben. Wären sie nicht Angestellte des Bf. gewesen, so wäre ihnen die Vollmacht nicht erteilt worden, wie das Finanzgericht aus den gesamten Umständen unter Zugrundelegung der Lebenserfahrung feststellen konnte. An sich konnten die Vollmachtgeber auch eine dritte Person, die nicht Angestellte des Bf. war, bevollmächtigen. Gewöhnlich werden sie aber, wenn sie überhaupt einen Bevollmächtigten wählen, entsprechend der ihnen gegebenen Anregung die Angestellten des Notars benannt haben. Sie konnten mit gutem Grund davon ausgehen, daß ihre Angelegenheit in den Händen der Angestellten am besten aufgehoben sei, weil sie rechtskundig waren und mit dem beurkundenden Notar eng zusammenarbeiten. Auch dem Bf. selbst ist es sicher erwünscht gewesen, daß seine Angestellten bevollmächtigt wurden, weil er in ihrer Person zuverlässige und erfahrene Mitarbeiter hatte, die an der reibungslosen Abwicklung der Angelegenheit interessiert und auch jederzeit erreichbar waren. Das Finanzgericht konnte auch ohne Rechtsirrtum den engen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsverhältnis und Vollmachterteilung zusätzlich damit begründen, daß der Bf. die Vergütungen für die Vollmacht in der gleichen Kostenrechnung mit seinen eigenen Gebühren einzog und die Angestellten die Höhe der Vergütungen im Einzelfall mit dem Bf. abstimmten. Die Tätigkeit als Auflassungsbevollmächtigter ist - wirtschaftlich betrachtet - demnach ein Ausfluß der unselbständigen Tätigkeit gewesen und stand nicht als gleichwertige selbständige Tätigkeit neben ihr, so daß man etwa eine gemischte Tätigkeit der beiden Angestellten annehmen könnte. Dafür spricht auch, daß die Nebeneinnahmen wesentlich geringer waren als das laufende Gehalt. Die Gesamtumstände lassen erkennen, daß das Arbeitsverhältnis der Angestellten zum Bf. geradezu die Voraussetzung zur Erlangung der in Rede stehenden Nebeneinkünfte bildete.

Der Senat hat im Urteil IV 405/53 U vom 7. Oktober 1954 (Bundessteuerblatt 1955 III S. 17) in Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung und der Verwaltungsübung (vgl. Abschn. 8 Abs. 2 der Lohnsteuer-Richtlinien) entschieden, daß Provisionen der Angestellten im Innendienst einer Versicherungsgesellschaft für die Vermittlung von Versicherungsgeschäften nicht ohne weiteres Arbeitslohn seien. Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt unterschied sich vom vorliegenden Fall insbesondere dadurch, daß die Versicherungsgesellschaft allen Personen, auch wenn sie nicht ihre Angestellten waren, für die Vermittlung von Neugeschäften Provisionen zahlte. Es fehlte infolgedessen der enge wirtschaftliche Zusammenhang der Vermittlungstätigkeit mit dem Arbeitsverhältnis. Im vorliegenden Fall wurden aber, wie festgestellt, die beiden Angestellten gerade wegen ihrer hauptberuflichen Tätigkeit bevollmächtigt.

Da der Bf. als Arbeitgeber zu Unrecht den Steuerabzug von den Nebeneinnahmen unterlassen hatte, konnten die Vorinstanzen ihn gemäß § 38 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG -, § 46 Abs. 1 LStDV in Anspruch nehmen. Auf die Behauptung des Bf., daß früher die Vergütungen für die Vollmacht auf Grund einer dem ersten Angestellten vom Finanzamt erteilten Auskunft nach Massgabe einer zweiten Lohnsteuerkarte versteuert worden seien, braucht nicht eingegangen zu werden, da es in dem der Nachforderung zugrunde liegenden Zeitraum jedenfalls nicht geschehen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408088

BStBl III 1955, 55

BFHE 1955, 141

BFHE 60, 141

StRK, EStG:19/1/1 R 29

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