Leitsatz (amtlich)

Schuldzinsen für einen Kredit zur Finanzierung der Schenkungsteuer, die wegen des unentgeltlichen Erwerbs von GmbH-Anteilen festgesetzt wurde, sind keine Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen.

 

Normenkette

EStG 1975 § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die für das Jahr 1975 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden.

Der Kläger ist technischer Leiter der ... GmbH (GmbH). Im Jahr 1965 hatte der damalige Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH, Herr T, dem Kläger ein aufschiebend bedingtes Schenkungsversprechen gegeben, aufgrund dessen dem Kläger, der das Schenkungsversprechen im Jahr 1973 angenommen hatte, nach dem Tod des T im selben Jahr 9 v. H. des Stammkapitals der GmbH zufielen.

Wegen des unentgeltlichen Erwerbs der GmbH-Anteile wurde gegen den Kläger Schenkungsteuer festgesetzt, zu deren Zahlung er bei der GmbH einen Kredit bis zum Höchstbetrag von 390 000 DM aufnahm.

Die im Streitjahr an die GmbH gezahlten Kreditzinsen (15 597 DM) machten die Kläger als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Im selben Jahr erhielt der Kläger von der GmbH Gewinnausschüttungen als Gesellschafter in Höhe von ... DM und als stiller Gesellschafter in Höhe von ... DM. Ferner erzielte er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte die Kreditzinsen bei der Einkommensteuerveranlagung des Streitjahres nicht als Werbungskosten an.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) mit dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1980, 326 veröffentlichten Urteil der Klage statt.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 9 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger haben keinen Antrag gestellt.

Sie wiederholen, die Schuldzinsen seien auch Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit, weil ohne Annahme des Schenkungsversprechens dessen Arbeitsplatz gefährdet gewesen wäre, da T durch die Schenkung den Kläger auf Dauer an den Betrieb habe binden wollen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen Werbungskosten. Das gilt auch für Schuldzinsen, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG).

Schuldzinsen gehören zu den Werbungskosten bei Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen, wenn objektiv ein Zusammenhang der Aufwendungen mit der Überlassung von Kapital zur Nutzung besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Nutzungsüberlassung gemacht werden. Für das Vorliegen dieser Merkmale ist bei Schuldzinsen und anderen Kreditkosten allein auf den Zweck der Schuldaufnahme abzustellen (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Juli 1981 VIII R 154/76, BFHE 134, 113, BStBl II 1982, 37, und VIII R 128/76, BFHE 134, 119, BStBl II 1982, 36). Besteht dieser Zweck darin, Einkünfte zu erzielen, und werden die aufgenommenen Mittel zweckentsprechend verwendet, dann sind die Kreditkosten Werbungskosten.

2. Im Streitfall sind die Schuldzinsen keine Werbungskosten, weil es an einem objektiven Zusammenhang der Aufwendungen mit der Überlassung von Kapital zur Nutzung fehlt.

a) Zu den Werbungskosten gehören bei den Einkünften aus Kapitalvermögen auch die Kosten eines Kredits zur Finanzierung der Anschaffungs- und Anschaffungsnebenkosten von Anteilen, deren Erträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG steuerbar sind.

Bei der Schenkungsteuer handelt es sich nicht um Anschaffungs- oder Anschaffungsnebenkosten der GmbH-Anteile. Anschaffungskosten sind die Kosten, die aufgewandt werden, um ein Wirtschaftsgut von einem anderen zu erwerben oder - anders ausgedrückt - um es von der fremden in die eigene wirtschaftliche Verfügungsmacht zu überführen; zu den Anschaffungskosten gehören als Anschaffungsnebenkosten auch solche Aufwendungen, die dazu dienen, das erworbene Wirtschaftsgut in einen dem angestrebten Zweck entsprechenden Zustand zu versetzen (BFH-Beschlüsse vom 12. Juni 1978 GrS 1/77, BFHE 125, 516, 525, 526, BStBl II 1978, 620, 625; vom 2. März 1970 GrS 1/69, BFHE 78, 360, 362, BStBl II 1970, 382, 383; vom 22. August 1966 GrS 2/66, BFHE 86, 792, 794, 795, BStBl III 1966, 672, 674). Im Streitfall hat der Kläger die Anteile unentgeltlich (§ 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) durch eine Zuwendung, der eine Gegenleistung nicht gegenüberstand, erworben. Ebenso wie bei einem Erwerb von Todes wegen Belastungen des Erbes mit Vermächtnissen, Auflagen oder Pflichtteilsansprüchen keine Gegenleistung für den Erwerb der Erbschaft sind, sondern Pflichten, die sich aus dem Erbfall selbst ergeben (BFH-Urteil vom 17. Februar 1965 I 400/62 U, BFHE 82, 269, BStBl III 1965, 354), stellt auch die Schenkungsteuer keine Aufwendung zur Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht an den geschenkten Wirtschaftsgütern dar. Sie ist eine Folge der durch den unentgeltlichen Erwerb erlangten Verfügungsmacht. Insofern unterscheidet sich die Schenkungsteuer von der Grunderwerbsteuer, die zu den Anschaffungskosten eines Grundstücks gehört (BFHE 125, 516, 525, BStBl II 1978, 620, 625), weil sie aufgewandt wird, um das Grundstück von der fremden in die eigene Verfügungsmacht zu überführen (BFH-Urteil vom 26. April 1977 VIII R 196/74, BFHE 122, 458, BStBl II 1977, 714).

Im übrigen geht § 35 EStG 1975, der unter bestimmten Voraussetzungen eine Ermäßigung der Einkommensteuer auf Einkünfte gestattet, die als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben, davon aus, daß die Erbschaftsteuer keine Anschaffungskosten der unentgeltlich erworbenen Wirtschaftsgüter darstellt. Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer unterliegen der gleichen Beurteilung.

b) Unzutreffend ist die Auffassung des FG, die Schuldzinsen seien bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abziehbar, weil Aufwendungen zur Finanzierung der Schenkungsteuer von GmbH-Anteilen ebenso zu behandeln seien wie Aufwendungen zur Finanzierung der Anschaffungskosten solcher Anteile.

Die Schenkungsteuer selbst ist durch die beim Kläger eingetretene Bereicherung ausgelöst. Denn die Schenkungsteuer ist eine Bereicherungssteuer und keine Verkehrsteuer, obwohl sie mit dem "Erwerb" einen Verkehrsvorgang voraussetzt (BFH-Beschlüsse vom 18. Dezember 1972 II R 87-89/70, BFHE 108, 393, 436, BStBl II 1973, 329, 349, und vom 27. Oktober 1970 II S 2-4/70, BFHE 101, 289, BStBl II 1971, 269; vgl. auch § 10 Abs. 1 Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes - ErbStG 1974 -). Zweck der Schuldaufnahme war es daher - anders als bei einem Kredit zur Finanzierung der Anschaffungskosten von Anteilen, deren Erträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG steuerbar sind - nicht, Einkünfte zu erzielen, sondern die Folgen der eingetretenen Bereicherung in Gestalt der Schenkungsteuer zu finanzieren.

Mit den Einkünften aus Kapitalvermögen stehen die Schuldzinsen allenfalls in einem losen und entfernten Zusammenhang, weil die Schenkungsteuer durch den Anfall der GmbH-Anteile ausgelöst wurde. Ein derartiger Zusammenhang reicht aber nicht aus, um die Schuldzinsen als Werbungskosten anzusehen (vgl. BFH-Urteil vom 1. Oktober 1982 VI R 192/79, BFHE 136, 488, BStBl II 1983, 17); denn für den wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Aufwendungen und Einkunftsart i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG ist es erforderlich, daß die Einkünfteerzielung im Vordergrund steht (BFH-Urteil vom 21. Juli 1981 VIII R 32/80, BFHE 134, 124, BStBl II 1982, 41).

3. Die Schuldzinsen sind keine Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, weil die Schenkungsteuer, wie unter 2. näher ausgeführt, Folge der beim Kläger eingetretenen Bereicherung ist.

4. Daß die Schuldzinsen keine Werbungskosten sind, wird dadurch bestätigt, daß die Schenkungsteuer eine weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehbare "sonstige Personensteuer" i. S. des § 12 Nr. 3 EStG ist.

In der Literatur wird die Schenkung-(Erbschaft-) steuer überwiegend als eine "sonstige Personensteuer" i. S. des § 12 Nr. 3 EStG angesehen (Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 2 EStG Anm. 34 und § 12 EStG Anm. 11; Gericke in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 12 Anm. 45; Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl., § 12 Anm. VI; Heinicke in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 2. Aufl., § 4 Anm. 99 "Steuern"; ebenso Urteil des Hessischen FG vom 18. März 1981 I 333/76, rechtskräftig, EFG 1981, 624; anderer Ansicht Drenseck in Schmidt, a. a. O., § 12 Anm. 12; Klein/Flockermann/Kühr, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 3. Aufl., § 12 Anm. 136).

Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Für die Einordnung der Schenkungsteuer unter die "sonstigen Personensteuern" spricht, daß sie - worauf der BFH bei der Vermögensteuer entscheidend abgestellt hat (Urteil vom 11. Juli 1969 VI R 265/67, BFHE 96, 354, BStBl II 1969, 650) - persönliche Freibeträge kennt (§§ 16 bis 18 ErbStG 1959, §§ 13, 16, 17 ErbStG 1974). Zudem hängt die Höhe der Schenkungsteuer von der Steuerklasse ab, für die ebenfalls die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen maßgebend sind (vgl. §§ 10, 11 ErbStG 1959, §§ 15, 19 ErbStG 1974). Schließlich kennt die Erbschaftsteuer auch eine beschränkte Steuerpflicht (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1959, § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG 1974, § 4 des Außensteuergesetzes), die ebenfalls an die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen anknüpft. Da das Abzugsverbot des § 12 Nr. 3 EStG nach Auffassung des Senats nicht entscheidend auf die Art der Entstehung der Steuer abstellt, sondern den Abzug von privaten Steuern im Gegensatz zu Betriebsteuern und Sachsteuern verhindern will, ist die Schenkungsteuer unbeschadet dessen, daß sie durch den unentgeltlichen Erwerb als einem Verkehrsvorgang ausgelöst wird, eine sonstige Personensteuer i. S. dieser Vorschrift. Das hat zur Folge, daß Aufwendungen im Zusammenhang mit der Finanzierung gesetzlich ausdrücklich für nicht abziehbar erklärter Aufwendungen ebenfalls dem Abzugsverbot unterliegen.

5. Der erkennende Senat setzt sich mit seiner Entscheidung nicht in Widerspruch zu dem Urteil des IV. Senats vom 19. Mai 1983 IV R 138/79 (BFHE 138, 248, BStBl II 1983, 380), in dem dieser entschieden hat, daß Zinsen für einen Kredit, den ein Miterbe beim Erwerb eines Kommanditanteils im Rahmen einer Erbauseinandersetzung im Hinblick auf die an die anderen Miterben zu leistenden Ausgleichszahlungen aufgenommen hat, als Sonderbetriebsausgaben abgezogen werden können. Zwar stellen steuerrechtlich sowohl die Ausgleichszahlungen an die Miterben als auch die gezahlte Schenkungsteuer keine Anschaffungskosten der Kommandit- oder GmbH-Anteile dar. In dem vom IV. Senat entschiedenen Fall handelt es sich jedoch bürgerlich-rechtlich um einen entgeltlichen Erwerb von Kommanditanteilen, der allerdings steuerrechtlich nicht als entgeltliches Anschaffungsgeschäft gewertet wird, während im Streitfall schon zivilrechtlich ein unentgeltlicher Erwerb der GmbH-Anteile vorliegt, der schon aus diesem Grund den Begriff der Anschaffungskosten nicht erfüllen kann und auch eine Gleichbehandlung mit diesen nicht erlaubt. Hinzu kommt, daß im Fall des IV. Senats die Darlehensaufnahme zum Erwerb der Anteile in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit künftigen Einkünften stand, während es im Streitfall daran gerade fehlt.

6. Der erkennende Senat weicht nicht von dem Urteil des VI. Senats vom 6. Juli 1966 VI 124/65 (BFHE 86, 578, BStBl III 1966, 584) ab, da die dort - mittelbar - im Anschluß an die Urteile vom 15. November 1957 VI 79/55 U (BFHE 66, 262, 266, BStBl III 1958, 103, 104) und vom 5. April 1965 VI 339/63 U (BFHE 82, 315, BStBl III 1965, 360) enthaltene Aussage, die Erbschaftsteuer sei keine Personensteuer i. S. des § 12 Nr. 3 EStG, für die Entscheidung nicht tragend war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74825

BStBl II 1984, 27

BFHE 1984, 253

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