Leitsatz (amtlich)

Abschlußgebühren für Bausparvorratsverträge, die eine Bank bei Vertragsabschluß an die Bausparkasse zu entrichten hat, sind zu aktivieren.

 

Orientierungssatz

1. Das einheitliche Wirtschaftsgut Bausparvorratsvertrag, dessen unselbständige Bestandteile die Bauspareinlagen, die Abschlußgebühr und die Anwartschaft auf die Gewährung eines Bauspardarlehens sind, ist als Wirtschaftsgut des Umlaufvermögens mit den Anschaffungskosten (AK) bzw. Herstellungskosten (HK) anzusetzen. Die Höhe der AK bzw. HK wird nicht berührt durch den tatsächlichen Wert des Bausparvorratsvertrags, der wesentlich durch die Zuteilungsreife und durch die Kapitalmarktsituation mitbestimmt wird (Ausführungen zum Bausparvorratsvertrag als Handelsobjekt, zum Bausparvertrag als gegenseitig verpflichtenden Vertrag mit aufschiebend bedingtem Rechtsanspruch, zur Übertragbarkeit von Bausparverträgen bzw. Vorratsbausparverträgen, zur Abschlußgebühr als Gegenleistung für den Sparvertrag und den Kreditvertrag, zur Anwartschaft als Wirtschaftsgut und zur Behandlung der Abschlußgebühren bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung).

2. Ein Gegenstand ist als Wirtschaftsgut (Definition) aktivierungsfähig, wenn ein wirtschaftlich ausnutzbarer Vermögensvorteil vorliegt, der als realisierbarer Vermögenswert angesehen werden kann. Dies ist der Fall, wenn ein fremder Dritter bei Fortführung des Unternehmens diesen Gegenstand im Rahmen der Kaufpreisbemessung berücksichtigen würde (BFH-Rechtsprechung).

3. NV: Die vom FA nach Art. 3 § 4 VGFGEntlG vorgenommene Betragsberechnung ist nicht als Steuerbescheid i.S. des § 155 AO 1977 zu werten (vgl. Literatur), wenn das FA in den Erläuterungen zu dieser Berechnung ausdrücklich darauf hingewiesen hat, daß es sich hierbei lediglich um den Vollzug des Urteils und um keine Entscheidung nach § 132 AO 1977 über die Rücknahme, Änderung oder Aufhebung der angefochtenen Bescheide handelt. Im Streitfall umfaßte die Aufhebung des FG-Urteils auch die vom FA vorgenommene Betragsberechnung.

 

Normenkette

EStG §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 2; FGO § 126 Abs. 3 Nr. 1; VGFGEntlG Art. 3 § 4; AO 1977 §§ 132, 155

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG (Entscheidung vom 27.05.1982; Aktenzeichen VI 347/80)

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist ein Kreditinstitut.

Sie schloß in den Streitjahren auf eigene Rechnung Bausparverträge ab, die nicht für eigene Finanzierungszwecke, sondern zur Veräußerung an Kunden bestimmt waren (sog. Bausparvorratsverträge). Dem jeweiligen Erwerber eines Bausparvertrages wurde neben dem Bausparguthaben und einer Zinsausfallentschädigung regelmäßig auch die Abschlußgebühr in Rechnung gestellt.

Während die Klägerin die an die Bausparkasse geleisteten Bauspareinlagen in ihren Bilanzen als Forderungen auswies, behandelte sie die bei Vertragsabschluß fällige Abschlußgebühr in Höhe von 1 v.H. der Bausparsumme als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben.

Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, daß die Abschlußgebühren zu den aktivierungspflichtigen Anschaffungskosten für ein Wirtschaftsgut des Umlaufvermögens gehörten und ließ sie in den auf den Feststellungen der Außenprüfung beruhenden Änderungsbescheiden für die Streitjahre nicht mehr zum sofortigen Abzug zu.

Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) in diesem Punkte statt. Die Entscheidung des FG ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1983, 38 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 6 Abs.1 Nr.2 und 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 6 Abs.1 des Körperschaftsteuergesetzes 1968 (KStG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit der Klage stattgegeben worden ist, und zur Abweisung der Klage auch insoweit (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Die Abschlußgebühren für die Bausparvorratsverträge rechnen ebenso wie die Bauspareinlagen zu den aktivierungspflichtigen Anschaffungskosten für ein Wirtschaftsgut.

1. Nach ständiger Rechtsprechung sind Wirtschaftsgüter nicht nur Gegenstände im Sinne des bürgerlichen Rechts, sondern auch tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und sämtliche Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten läßt und die einen wesentlichen und über die Dauer des einzelnen Steuerabschnitts hinausreichenden Wert für das Unternehmen haben und gesondert bewertbar sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9.Februar 1978 IV R 201/74, BFHE 124, 520, BStBl II 1978, 370, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Für die Frage, ob ein Gegenstand als Wirtschaftsgut in die Bilanz einzustellen und damit aktivierungsfähig ist, ist also maßgebend, ob am Bilanzstichtag ein wirtschaftlich ausnutzbarer Vermögensvorteil vorliegt, der als realisierbarer Vermögenswert angesehen werden kann (BFH-Urteil vom 23.Mai 1984 I R 266/81, BFHE 141, 261, BStBl II 1984, 723). Dies ist der Fall, wenn ein fremder Dritter bei Fortführung des Unternehmens diesen Gegenstand im Rahmen der Kaufpreisbemessung berücksichtigen würde (BFH-Urteil vom 18.Juni 1975 I R 24/73, BFHE 116, 474, BStBl II 1975, 809).

Diese Merkmale treffen auf die von der Klägerin abgeschlossenen Bausparvorratsverträge zu. Der in diesen Vertragsverhältnissen verkörperte Vermögenswert, für den die Klägerin Aufwendungen in Form der Abschlußgebühren und der Bauspareinlagen getätigt hat, ist einer besonderen Bewertung zugänglich und bei einer Veräußerung greifbar.

2. Die besondere Bewertungsfähigkeit der Bausparvorratsverträge ergibt sich bereits aus deren Sinn und Zweck. Diese Verträge bilden im Wirtschaftsverkehr ein Handelsobjekt; sie waren auch von der Klägerin mit der Absicht der Weiterveräußerung abgeschlossen worden.

a) Bausparverträge sind gegenseitig verpflichtende Verträge, aufgrund deren der Bausparer das aufschiebend bedingte Recht erhält, nach Leistung von Bauspareinlagen und nach Ablauf einer Wartefrist ein Bauspardarlehen zu erhalten (vgl. die gesetzliche Definition in § 1 Abs.2 des Gesetzes über Bausparkassen vom 16.November 1972, BGBl I 1972, 2097). Mit Abschluß des Bausparvertrages erhält der Bausparer zunächst nur eine Anwartschaft auf Darlehensgewährung, die sich nach Erreichung der Mindestsparsumme zu einem durch die Zuteilung aufschiebend bedingten Rechtsanspruch verdichtet (vgl. Lehmann/Schäfer, Kommentar zum Bausparkassengesetz, 2.Aufl., § 1 Anm.13). Nach Vertragsabschluß ist eine Abschlußgebühr zu entrichten, aus der die Bausparkasse die Werbe- und Abschlußkosten bestreitet (Laux, Die Bausparfinanzierung, 5.Aufl., S.45).

b) Bausparverträge können grundsätzlich auf einen anderen Inhaber übertragen werden. Hierbei werden entweder die Ansprüche aus dem Vertrag abgetreten oder das gesamte Vertragsverhältnis auf den Dritten übertragen (Lehmann/Schäfer, a.a.O., § 5 Anm.36; vgl. zur rechtsgeschäftlichen Übertragung eines Schuldverhältnisses im ganzen auch Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 45.Aufl., § 398 Anm.10).

Während jedoch die Übertragung gewöhnlicher Bausparverträge nach den Allgemeinen Bausparbedingungen erschwert ist und einer Übertragung auf fremde Personen grundsätzlich nicht zugestimmt wird, wird bei Vorratsbausparverträgen bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zwischen Bank und Bausparkasse vereinbart, daß die Verträge spätestens vor Inanspruchnahme des Baudarlehens geteilt und auf Kunden der Bank übertragen werden (Laux, a.a.O., S.65). Die Klägerin unterlag jedoch vor der Übertragung derselben Einschränkung in der Verfügungsfreiheit über die Bausparsumme wie jeder andere Bausparer auch.

3. Das Rechtsverhältnis Bausparvorratsvertrag ist --entsprechend seiner Zweckbestimmung im Betrieb der Klägerin-- als Wirtschaftsgut des Umlaufvermögens zu bilanzieren. Die Bauspareinlagen stellen hierbei lediglich einen unselbständigen Bestandteil dieses Wirtschaftsguts dar.

a) Als Wirtschaftsgut greifbar und damit zum Wirtschaftsgut im ertragsteuerlichen Sinn wird ein Gegenstand spätestens dann, wenn er verwertet werden soll (BFH-Urteil vom 28.Oktober 1982 IV R 73/81, BFHE 137, 32, BStBl II 1983, 106). Das zur Verwertung vorgesehene Wirtschaftsgut besteht im Streitfall nicht aus den Bauspareinlagen der Klägerin bei der Bausparkasse, sondern aus dem Vertragsverhältnis in seiner Gesamtheit. Dieses Rechtsverhältnis bildet im wirtschaftlichen und rechtlichen Verkehr ein besonderes Objekt, das für die Preisbildung in Frage kommt und einen Verkaufswert besitzt. Wird ein Bausparvertrag im Sparstadium veräußert, so enthält der Kaufpreis regelmäßig das Sparguthaben einschließlich der aufgelaufenen Guthabenzinsen und eines Betrages zur Abgeltung der Abschlußgebühr (Laux, a.a.O., S.64).

b) Die Vorratsbausparverträge sind als Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens nach § 6 Abs.1 Nr.2 Satz 1 EStG mit den Anschaffungskosten bzw. Herstellungskosten anzusetzen. Hierzu rechnen alle Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Vertragsschluß angefallen sind, sowie alle Aufwendungen, die dem Wirtschaftsgut einzeln zugeordnet werden können (vgl. BFH-Urteil vom 13.Oktober 1983 IV R 160/78, BFHE 139, 273, BStBl II 1984, 101).

Zugeordnet werden können den Bausparvorratsverträgen nicht nur die Bauspareinlagen, sondern auch die bei Vertragsabschluß zu entrichtenden Abschlußgebühren, ohne die keine Ansprüche gegen die Bausparkasse begründet werden konnten. Ob die Abschlußgebühren für sich allein ein Wirtschaftsgut darstellen, was das FG verneint hat, ist hierbei ebenso unerheblich wie der Umstand, daß diese Gebühren bei vorzeitiger Vertragsauflösung für den Bausparer verloren sind. Entscheidend ist, daß die Abschlußgebühren zusätzlichen Aufwand darstellen, der in den Wert des Wirtschaftsguts Bausparvorratsvertrag eingegangen ist.

c) Dieses Ergebnis wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß der sich hiernach ergebende Wertansatz nicht den tatsächlichen Wert der Bilanzposition Bausparvorratsverträge wiedergibt, der wesentlich durch die Zuteilungsreife wie aber auch durch die Kapitalmarktsituation mitbestimmt wird.

Diese Einflußfaktoren berühren die Höhe der Anschaffungskosten bzw. Herstellungskosten nicht, die nach § 6 Abs.1 Nr.2 EStG die Wertobergrenze bilden. Der Ausweis eines höheren Wertes kommt nach den auch für das Steuerrecht maßgeblichen handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung nicht in Betracht, solange er nicht durch ein Veräußerungsgeschäft verwirklicht ist (vgl. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 4.Aufl., § 5 Anm.60).

d) Zu Unrecht hat das FG für seine Auffassung die Grundsätze über die Bewertung von Forderungen herangezogen. Die Bausparvorratsverträge sind keine reinen Geldwertpositionen mit Nennwertcharakter. Im übrigen kann die Abschlußgebühr auch nicht als Aufwand angesehen werden, der ausschließlich im Zusammenhang mit der Begründung der Forderung "Bauspareinlage" entstanden ist. Die Abschlußgebühr ist vielmehr Gegenleistung sowohl für den Spar-, wie auch für den Kreditvertrag (vgl. hierzu Beschluß des erkennenden Senats vom 3.November 1982 I B 23/82, BFHE 137, 38, BStBl II 1983, 132).

4. Aus der Behandlung der Abschlußgebühren im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung kann, wie auch das FG zutreffend ausgeführt hat, für den Streitfall nichts hergeleitet werden. Für die Frage, ob die Abschlußgebühren Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sind, falls alleiniger Zweck des Vertragsabschlusses die Erlangung des Baudarlehens und die Verwendung der Kreditmittel zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist (so ständige Rechtsprechung, zuletzt BFH-Urteil vom 8.Februar 1983 VIII R 163/81, BFHE 138, 202, BStBl II 1983, 355), kommt es entscheidend darauf an, inwieweit die Abschlußgebühren den Geldbeschaffungskosten des Darlehensnehmers zugerechnet werden können.

Da die Bausparvorratsverträge für die Klägerin keine Finanzierungsfunktion erfüllten, scheidet eine Berücksichtigung dieser Gebühren als Kreditaufwand bereits dem Grunde nach aus.

Schließlich kann im Streitfall offenbleiben, ob die Anwartschaft auf die Gewährung eines Bauspardarlehens für sich genommen ein Wirtschaftsgut darstellt, für das Anschaffungskosten bzw. Herstellungskosten aufgewandt werden können (verneinend Urteil in BFHE 138, 202, BStBl II 1983, 355). Denn die Anwartschaft ist lediglich unselbständiger Bestandteil des einheitlichen Wirtschaftsguts Bausparvorratsvertrag.

5. Die Vorentscheidung war aufzuheben, da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist. ++/ Die Aufhebung des FG-Urteils umfaßt auch die vom FA nach Art. 3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vorgenommene Betragsberechnung. Im Streitfall kann offenbleiben, ob die Betragsberechnung als Steuerbescheid i.S. des § 155 der Abgabenordnung (AO 1977) zu werten ist (vgl. hierzu Wassermeyer in Deutsches Steuerrecht 1985, 76 und 273). Denn das FA hat in den Erläuterungen zu dieser Berechnung ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es sich hierbei lediglich um den Vollzug des Urteils und um keine Entscheidung nach § 132 AO 1977 über die Rücknahme, Änderung oder Aufhebung der angefochtenen Bescheide handelt. Die (angefochtenen) Änderungsbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung treten damit wieder in Kraft. /++

 

Fundstellen

Haufe-Index 61145

BStBl II 1987, 14

BFHE 147, 412

BFHE 1987, 412

BB 1986, 2306-2307 (LT)

DB 1986, 2468-2469

DStR 1986, 834-834 (ST)

HFR 1987, 120-121 (ST)

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