Leitsatz (amtlich)

Der Begriff des Pflegekindes i.S. des § 32 Abs.1 Nr.2 EStG 1986 setzt --ab dem Veranlagungszeitraum 1986-- u.a. voraus, daß das Kind außerhalb der Obhut und Pflege seiner leiblichen Eltern steht. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn das Kind mit seiner Mutter im Haushalt der Großeltern lebt und diese das Kind pflegen und unterhalten, während die Mutter durch eine Schul- oder Berufsausbildung in der Obhut und Pflege des Kindes beeinträchtigt ist.

 

Orientierungssatz

1. Bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Kinderlastenausgleichs ist nicht nur auf die steuerliche Entlastung abzustellen, sondern es sind auch außersteuerliche, insbesondere sozialrechtliche Förderungsmaßnahmen des Staates in die Betrachtung einzubeziehen. Bei der Prüfung, ob sich der Gesetzgeber noch im Rahmen der Gestaltungsfreiheit gehalten hat, die ihm durch Art. 3 i.V.m. Art. 6 GG eingeräumt ist, ist das Kindergeld unter Zugrundelegung des bestehenden Anfangssteuersatzes von 22 v.H. auf einen steuerlichen Freibetrag umzurechnen (vgl. BVerfG-Rechtsprechung). Ab dem 1. Januar 1986 ist der vollständige oder teilweise Ausfall des Kinderfreibetrags mangels zu versteuernden Einkommens aus verfassungsrechtlicher Sicht durch den Zuschlag zum Kindergeld (§ 11a BKGG) ausreichend berücksichtigt.

2. Der Kläger kann seine Klage nach Erledigung des Verwaltungsakts gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO in der Revisionsinstanz auf einen Feststellungsantrag umstellen (Literatur).

 

Normenkette

EStG 1986 § 32 Abs. 1 Nr. 2; GG Art. 3, 6; FGO § 100 Abs. 1 S. 4; BKGG § 11a

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) machte in seinem Antrag auf Lohnsteuerermäßigung für 1987 u.a. die Eintragung eines zusätzlichen Kinderfreibetrages und eines Freibetrages wegen seiner Aufwendungen für den Unterhalt seines 1985 geborenen Enkelkindes I auf seiner Lohnsteuerkarte für 1987 geltend. Das Kind lebt gemeinsam mit der im Streitjahr 20 Jahre alten Mutter im Haushalt des Klägers. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte den Antrag ab, weil die Mutter des Kindes, die Tochter P des Klägers, Anspruch auf einen Kinderfreibetrag habe.

Zur Begründung seiner Klage führte der Kläger aus, seine Tochter P gehe noch zur Schule und verfüge über kein eigenes Einkommen, so daß sie keinen Anspruch auf einen Kinderfreibetrag geltend machen könne. Mit einer Änderung der Verhältnisse sei in absehbarer Zeit nicht zu rechnen, weil P nach Ablegung des Abiturs beabsichtigte, ein Hochschulstudium aufzunehmen. Er trage den vollen Unterhalt des Enkelkindes. Es könne nicht der Wille des Gesetzgebers sein, einen Steuervorteil, der von einem Steuerpflichtigen mangels eigener Einkünfte nicht in Anspruch genommen werden könne, auch demjenigen zu verweigern, der den gesamten Lebensunterhalt sicherstellen müsse. Falls der Gesetzgeber diesen Fall nicht ausdrücklich geregelt habe, müsse das Gesetz entsprechend ergänzt werden.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, dem Kläger stehe für sein Enkelkind kein Kinderfreibetrag zu; denn es sei nicht als Pflegekind i.S. des § 32 Abs.1 Nr.2 des Einkommensteuergesetzes 1986 (EStG) anzusehen. Ein Pflegekindschaftsverhältnis habe nach dieser Vorschrift u.a. zur Voraussetzung, daß das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr bestehe. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei dies nur anzunehmen, wenn das Kind aus dem natürlichen (oder rechtlich begründeten) Obhuts- und Pflegeverhältnis zu seinen leiblichen Eltern ausgeschieden sei, die Eltern sich um das Kind also nicht mehr kümmerten (Hinweis auf Beschluß vom 25.Januar 1971 GrS 6/70, BFHE 101, 247, BStBl II 1971, 274). Davon könne hier nicht ausgegangen werden, zumal der Kläger selbst nur vortrage, die Unterhaltskosten für das Kind I zu tragen. Anhaltspunkte dafür, daß die im Streitjahr zwanzigjährige Mutter ihr Sorgerecht über das Kind nicht ausgeübt habe, seien weder vorgetragen noch sonstwie ersichtlich.

Aus den vom Kläger angeführten FG-Entscheidungen (Baden-Württemberg, vom 7.Februar 1984 I 252/81, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1984, 503, und München, vom 4.März 1986 II 78/81 E, EFG 1986, 447) ergebe sich nichts Abweichendes, da es sich dort um andere Sachverhalte gehandelt habe.

Dem Kläger stehe auch ein Freibetrag nach § 33a Abs.1 EStG i.d.F. des Steuersenkungsgesetzes 1986/1988 vom 26.Juni 1985 nicht zu. Denn gemäß § 32 Abs.6 EStG könne nur die Kindesmutter den Kinderfreibetrag für I begehren. Der Umstand, daß sich dieser Anspruch bei der Mutter mangels eigener Einkünfte steuerlich nicht auswirke, sei unerheblich. Sinn der ab 1986 geltenden Gesetzesänderung sei es u.a. gewesen, eine Mehrfachberücksichtigung desselben Kindes durch Gewährung eines Kinderfreibetrages und einer Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung auszuschließen. Daß es in Einzelfällen zu Härten kommen könne, weil weder die eine noch die andere Steuerentlastung zum Zuge komme, müsse im Hinblick auf die notwendige Typisierung hingenommen werden.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Er bringt in formeller Hinsicht vor, das FG habe seine Verpflichtung zur Sachaufklärung verletzt. Er, der Kläger, habe in der Klageschrift ausgeführt, daß sein Enkelkind ganz in seinem Haushalt lebe. Hieraus habe das FG nicht ohne Verletzung seiner Aufklärungspflicht schließen dürfen, daß der Kläger "selbst nur vorträgt, die Unterhaltskosten für das Kind I zu tragen". Im Lichte des Art.6 Abs.5 des Grundgesetzes (GG) und der darin enthaltenen Wertentscheidung zum Schutze nichtehelicher Kinder wäre bei Prüfung des Pflegekindschaftsverhältnisses eine umfassende Aufklärung geboten gewesen. Sie hätte sich insbesondere "auf das familienähnliche und auf die Dauer angelegte Band, die Aufnahme in den Haushalt sowie Obhut- und das Pflegeverhältnis" erstrecken müssen. Dazu hätte sich die Vernehmung der Kindesmutter und die Anhörung des Klägers aufgedrängt. Entsprechendes gelte für die Feststellung des FG, es lägen keine Anhaltspunkte vor, daß die Kindesmutter im Streitjahr ihr Sorgerecht nicht ausgeübt habe. Dies gelte um so mehr, als die Mutter noch zur Schule gehe und deshalb nach der Lebenserfahrung nicht die erforderliche Sorge um das Kind entwickeln könne. Insoweit werde auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend gemacht.

In materieller Hinsicht rügt der Kläger die Verletzung von Art.6 Abs.5 GG i.V.m. § 32 Abs.1 Nr.2 EStG. Er führt aus, im Streitfall komme es zu einer verfassungswidrigen Härte, weil die durch das Kind eintretenden Belastungen weder bei ihm, dem Kläger, berücksichtigt würden noch bei der Kindesmutter, bei der der Kinderfreibetrag mangels eigener Einkünfte ins Leere gehe. Die Versagung der einkommensteuerlichen Vergünstigung bei ihm widerspreche der in Art.6 Abs.5 GG enthaltenen Wertentscheidung zum Schutze der nichtehelichen Kinder. Die steuerlichen Vergünstigungen, die den Unterhalt und die Pflege des Kindes erleichtern sollten, müßten sich wenigstens bei einer der Personen, die zum Unterhalt des Kindes beitrügen, auswirken (Hinweis auf Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 17.Oktober 1973 1 BvL 20/72, BStBl II 1974, 92). Dieses verfassungsrechtlich gebotene Ergebnis habe das FG verfehlt. Die dadurch eintretende Benachteiligung könne nicht mit einer Verweisung auf eine angeblich notwendige Typisierung in gesetzlichen Vorschriften abgetan werden. Vielmehr müsse den hier vorliegenden besonderen Umständen dadurch Rechnung getragen werden, daß der Begriff des Pflegekindes in § 32 Abs.1 Nr.2 EStG verfassungskonform ausgelegt und angewendet werde. Der Anspruch der leiblichen Mutter auf einen Kinderfreibetrag dürfe deshalb nur dann zur Versagung des Freibetrages bei ihm führen, wenn im konkreten Fall eine Mehrfachberücksichtigung desselben Kindes einträte. Das sei hier nicht der Fall.

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und des angefochtenen Bescheids in der Form der Einspruchsentscheidung festzustellen, daß der Bescheid des FA über die Eintragung eines Freibetrags und die Berücksichtigung von Kindern auf der Lohnsteuerkarte vom 27.Oktober 1986 rechtwidrig war, und hilfsweise, die Sache unter Aufhebung der Vorentscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Nicht zu beanstanden ist, daß der Kläger seine Klage nach Erledigung des Verwaltungsakts gemäß § 100 Abs.1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Revisionsinstanz auf einen Feststellungsantrag umgestellt hat (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13.Aufl., § 100 FGO Anm.19, m.w.N.).

Die Revision ist jedoch unbegründet. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß zwischen dem Kläger und seinem Enkelkind kein Pflegekindschaftsverhältnis besteht.

1. Für Veranlagungszeiträume ab 1986 ist der Begriff des Pflegekindes in § 32 Abs.1 Nr.2 EStG --erstmals-- einkommensteuerrechtlich geregelt worden. Danach sind Pflegekinder Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist und die er in seinen Haushalt aufgenommen hat. Voraussetzung ist, daß das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht und der Steuerpflichtige das Kind mindestens zu einem nicht unwesentlichen Teil auf seine Kosten unterhält.

Im Gegensatz zu der bis einschließlich 1985 geltenden Rechtslage, nach der ein Pflegekind --auch einkommensteuerlich-- nicht außerhalb der Obhut und Pflege seiner leiblichen Eltern stehen mußte, macht das Gesetz die Anerkennung des Pflegekindschaftsverhältnisses jetzt von dieser Voraussetzung abhängig. Die Vorschrift des § 32 Abs.1 Nr.2 Satz 2 EStG ist anläßlich der Erhöhung des Kinderfreibetrages von 432 DM auf 2 484 DM ins Gesetz aufgenommen worden, um der Gefahr einer Doppelberücksichtigung des Freibetrages bei den leiblichen Eltern und den Pflegeeltern entgegenzuwirken (BTDrucks 10/2884 S.102).

Der gesetzgeberische Zweck, eine Doppelberücksichtigung möglichst auszuschließen, ist bei der Auslegung der Vorschrift mithin auch im vorliegenden Zusammenhang zu beachten. Die Gewährung von Kinderfreibeträgen an Großeltern in Fällen, in denen Mutter und Kind zusammen im Haushalt von Großeltern leben, ist in der Vergangenheit, insbesondere für Veranlagungszeiträume bis einschließlich 1985, von den FG unterschiedlich entschieden worden (vgl. Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz und Gewerbesteuergesetz, § 32 EStG Rz.13); der Senat hat für diese Fälle mit dem Urteil vom 9.März 1989 VI R 120/85 (BFHE 157, 60) --bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen-- ein Pflegekindschaftsverhältnis bejaht. Die Gefahr einer Doppelberücksichtigung ist deshalb --für Veranlagungszeiträume bis 1985-- nicht von der Hand zu weisen.

Im Streitfall ist davon auszugehen, daß das Kind I nicht außerhalb der Obhut und Pflege seiner Mutter stand. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob das zwischen Mutter und Kind bestehende natürliche Obhuts- und Pflegeverhältnis nur dann nicht mehr gegeben ist, wenn sich die Mutter der Sorge um das Kind vollständig entledigt hat, sich also um ihr Kind überhaupt nicht mehr kümmert, so insbesondere, wenn ein allein bei den Pflegeeltern lebendes Kind gelegentlich von seiner Mutter besucht wird. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Vielmehr handelt es sich beim Kläger um einen offenbar nicht seltenen Sachverhalt, daß eine Kindesmutter zusammen mit ihrem Kind im Haushalt ihrer Eltern lebt und das Kind von den Großeltern voll unterhalten wird. Kennzeichnend für Fälle dieser Art ist weiter, daß sich der Kindesvater, aus welchen Gründen auch immer, nicht um sein Kind kümmert oder kümmern kann, zumindest aber nicht zu seinem Unterhalt beiträgt. In diesen typischen Fällen kann nicht davon ausgegangen werden, daß das Kind außerhalb der Obhut und Pflege seiner Mutter steht. Denn unter solchen Umständen steht der Mutter nicht nur das Personensorgerecht für das Kind zu, sondern sie kann dieses Recht (unter Umständen allein, § 1678 Abs.1 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) aufgrund der räumlichen Nähe auch grundsätzlich jederzeit (an jedem Tag) ausüben. Daß die tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeiten durch häufige Abwesenheit von Zuhause und starke Inanspruchnahme durch eine noch nicht abgeschlossene Schul- bzw. Berufsausbildung eingeschränkt sind, steht dem nicht entgegen. Dieser Umstand unterscheidet die hier vorliegende Mutter-Kind-Beziehung nicht grundsätzlich von Fällen, in denen eine alleinstehende, berufstätige oder in Ausbildung befindliche Mutter ihr Kind tagsüber fremden Menschen zur Betreuung überlassen muß. Deshalb kann es auch nicht darauf ankommen, in welchem Umfang der anderweitig in Anspruch genommenen Mutter noch die (beschränkte) Möglichkeit verbleibt, sich um ihr Kind zu kümmern. Dies gilt jedenfalls so lange, wie der Mutter die Pflege und Obhut des Kindes nicht völlig unmöglich ist, was z.B. bei eigener Pflegebedürftigkeit der Mutter infolge langjähriger oder schwerer Erkrankung der Fall sein mag.

Eine andere Auslegung ist auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Die Bejahung des Obhuts- und Pflegeverhältnisses führt zwar dazu, daß in Fällen der hier vorliegenden Art überhaupt keine steuerliche Entlastung wegen der mit dem Unterhalt des Kindes verbundenen Aufwendungen eintritt. Da der Kindesmutter ein Kinderfreibetrag zusteht, können die Großeltern die für den Unterhalt des Enkelkindes aufgebrachten Leistungen auch nicht nach § 33a Abs.1 EStG als außergewöhnliche Belastung geltend machen. Aber auch der Kinderfreibetrag, der der Mutter des Kindes zusteht, wirkt sich nicht aus, weil die Mutter keine Einkünfte hat. In einem das Streitjahr 1965 betreffenden Vorlageverfahren hat das BVerfG (Beschluß in BStBl II 1974, 92) allerdings entschieden, daß nach dem System des § 32 Abs.2 Nr.3 EStG in der damals geltenden Fassung die Betreuung eines Kindes jedenfalls bei einem der in Betracht kommenden Steuerpflichtigen zur Gewährung des Kinderfreibetrages führen solle, und daß deshalb die Vorschrift verfassungsgemäß dahin ausgelegt werden müsse, daß dem Vater eines nichtehelichen Kindes ein Kinderfreibetrag zustehe, wenn er mit Mutter und Kind in einem gemeinsamen Haushalt lebe und die Mutter kein zu versteuerndes Einkommen habe. Diese Grundsätze sind jedoch auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Dabei ist nach Auffassung des Senats weniger gewichtig, daß der Kinderlastenausgleich im Veranlagungszeitraum 1965 in stärkerem Maße auf der steuerlichen Förderung durch Kinderfreibeträge beruhte als in dem hier zu beurteilenden Veranlagungszeitraum 1987. Entscheidend ist nach Auffassung des Senats, daß der Gesetzgeber zugleich mit Inkrafttreten des § 32 Abs.1 Nr.2 EStG 1986 zum 1.Januar 1986 einen Zuschlag zum Kindergeld für die Fälle eingeführt hat, in denen sich der Kinderfreibetrag mangels zu versteuernden Einkommens nicht oder nicht voll auswirkt. Nach dem unwidersprochenen Vortrag des FA ist dieser Zuschlag im Streitfall --zusammen mit dem Kindergeld-- an die Tochter des Klägers ausgezahlt worden. Aber auch in Fällen, in denen das Kindergeld nicht den leiblichen Eltern zusteht, soll der Zuschlag nach § 11a des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) diesen ausgezahlt werden (§ 11a Abs.4 BKGG; vgl. BTDrucks 10/2886 S.7).

Der Zuschlag beträgt ein Zwölftel von 22 v.H. des Unterschiedsbetrages zwischen dem zu versteuernden Einkommen und dem maßgeblichen Grundfreibetrag, höchstens 22 v.H. der dem Berechtigten zustehenden Kinderfreibeträge (§ 11a Abs.6 Satz 1 BKGG). Der Zuschlag zum Kindergeld kann danach bis zu 46 DM je Kind betragen; dieser Betrag entspricht der Auswirkung, die der Kinderfreibetrag von 2 484 DM bei Anwendung des Eingangssteuersatzes von 22 v.H. hat. Damit ist der vollständige oder teilweise Ausfall des Kinderfreibetrages aus verfassungsrechtlicher Sicht ausreichend anderweitig berücksichtigt. Der Rechtsprechung des BVerfG entspricht es, bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Kinderlastenausgleichs nicht nur auf die steuerliche Entlastung abzustellen, sondern --der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers entsprechend-- auch außersteuerliche, insbesondere sozialrechtliche Förderungsmaßnahmen des Staates in die Betrachtung einzubeziehen (vgl. Beschluß des BVerfG vom 23.November 1976 1 BvR 150/75, BVerfGE 43, 108, BStBl II 1977, 135 unter C 1 2 c; Nichtannahmebeschluß vom 9.Februar 1988 1 BvR 1166/87). Bei der Prüfung, ob sich der Gesetzgeber noch im Rahmen der Gestaltungsfreiheit gehalten hat, die ihm durch Art.3 i.V.m. Art.6 GG eingeräumt ist, ist das Kindergeld unter Zugrundelegung des bestehenden Anfangsteuersatzes von 22 v.H. auf einen steuerlichen Freibetrag umzurechnen (Beschluß in BVerfGE 43, 108, 122 f.).

Allerdings können von der in § 32 EStG angeordneten Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen beim Steuerpflichtigen neben der Entlastung durch den Kinderfreibetrag selbst noch weitere kindbedingte Ermäßigungen der Einkommensteuer abhängen. So ist das Recht auf Abzug des Kinderfreibetrages insbesondere Voraussetzung für die Gewährung des Haushaltsfreibetrages (§ 32 Abs.7 EStG), des Besucherfreibetrages (§ 33a Abs.1 a EStG), des Ausbildungsfreibetrages (§ 33a Abs.2 EStG), des Körperbehindertenfreibetrages (§ 33b Abs.5 EStG) und für die Berechnung der zumutbaren Belastung gemäß § 33 Abs.3 EStG. Diese Einkommensteuerermäßigungen kämen im Streitfall schon deshalb nicht in Betracht, weil sie von weiteren Voraussetzungen abhängen, die hier nicht vorliegen, oder sich --wie bei der Berechnung der zumutbaren Eigenbelastung im Rahmen des § 33 Abs.3 EStG-- auf Sonderfragen beziehen, die im Rahmen einer den Normalfall betreffenden verfassungsrechtlichen Überprüfung außer Betracht zu bleiben haben.

2. Da es nach den vorstehenden Ausführungen auf den Umfang der Sorgemöglichkeit der Mutter nicht ankommt, sind die darauf gerichteten Sachaufklärungsrügen des Klägers unbegründet.

Auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Denn der Kläger hatte die Möglichkeit, sich zum Gegenstand des Verfahrens, zum Verfahren selbst und zum Vorbringen der Gegenseite umfassend zu erklären (vgl. auch Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2.Aufl., § 96 Anm.29).

 

Fundstellen

Haufe-Index 62673

BFH/NV 1989, 32

BStBl II 1989, 680

BFHE 157, 66

BFHE 1990, 66

BB 1989, 1543-1543 (L)

DB 1989, 1602-1603 (ST)

DStR 1989, 469 (K)

HFR 1989, 550 (LT)

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