Leitsatz (amtlich)

Notwendige Mehraufwendungen aus Anlaß einer doppelten Haushaltsführung können auch dann beruflich veranlaßt sein, wenn der Arbeitnehmer sich eine Wohnung am Beschäftigungsort nicht bereits bei Antritt der auswärtigen Tätigkeit, sondern erst Jahre danach nimmt.

 

Normenkette

EStG 1975 § 9 Abs. 1 Nr. 5

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute. Sie wohnen in A. Der Ehemann ist seit 1960 als Richter am Landgericht in B tätig. Seine Ehefrau arbeitet als kaufmännische Angestellte in A. Bis Ende 1974 fuhr der Kläger arbeitstäglich mit dem eigenen PKW von A zu seiner 23 km entfernt liegenden Dienststelle in B. Zu Beginn des Streitjahres 1975 bezog er auf ärztliches Anraten in der Nähe seiner Dienststelle in B zunächst ein möbliertes gemietetes Zimmer, später eine Eigentumswohnung. Nach einer privatärztlichen Bescheinigung war der Kläger infolge einer schweren Erkrankung auf die Einnahme von sechs bis sieben Mahlzeiten täglich angewiesen und der Belastung durch die arbeitstäglichen Fahrten zwischen der Wohnung in A und der Dienststelle nicht gewachsen.

In seiner Einkommensteuererklärung 1975 beantragte der Kläger die Anerkennung von Mehraufwendungen anläßlich einer doppelten Haushaltsführung, und zwar u. a. der Kosten für Familienheimfahrten, der Miete am Dienstort und der Mehraufwendungen für Verpflegung.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte es - auch im Einspruchsverfahren - ab, die geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten zum Abzug zuzulassen. Das FA vertrat die Auffassung, die doppelte Haushaltsführung sei nicht beruflich veranlaßt.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage im wesentlichen statt. Es führte aus: Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1975 seien zu bejahen, wenn - wie im Streitfall - die Führung des doppelten Haushalts mit dem Arbeitsverhältnis in einem irgendwie gearteten Zusammenhang stehe. Solange nicht anzunehmen sei, daß der doppelte Haushalt überwiegend aus persönlichen Gründen eingerichtet sei, seien die aus Anlaß der doppelten Haushaltsführung erwachsenen notwendigen Mehraufwendungen als Werbungskosten abziehbar. Im Streitfall sei es dem Kläger nur durch die Begründung der doppelten Haushaltsführung möglich gewesen, seine Leistungsfähigkeit für die weitere Ausübung seines Berufs zu erhalten.

Das FA rügt mit der Revision die Verletzung von § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Notwendige Mehraufwendungen aus Anlaß einer doppelten Haushaltsführung seien nur dann als Werbungskosten abziehbar, wenn sie ausschließlich oder weitaus überwiegend beruflich veranlaßt seien. Das sei nur der Fall, wenn ein Arbeitnehmer eine neue Arbeitsstelle an einem anderen Ort als dem bisherigen Wohn- und Beschäftigungsort antrete. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor, da sich weder die Art der Tätigkeit des Klägers noch der Beschäftigungsort geändert hätten. Im Streitfall sei die alleinige Ursache für die Begründung des zweiten Haushalts in dem schlechten Gesundheitszustand des Klägers, mithin in einem privaten Umstand, zu erblicken.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die streitigen Aufwendungen zu Recht als Werbungskosten zum Abzug zugelassen.

Notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer aus Anlaß einer doppelten Haushaltsfsührung entstehen, können nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG Werbungskosten sein. Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt (§ 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind notwendige Mehraufwendungen infolge einer doppelten Haushaltsführung nur dann als Werbungskosten abziehbar, wenn die doppelte Haushaltsführung beruflich veranlaßt ist (Urteile des Senats vom 14. Februar 1975 VI R 125/74, BFHE 115, 322, BStBl II 1975, 607; zuletzt vom 2. Februar 1979 VI R 108/75, BFHE 127, 37, BStBl II 1979, 338). Eine berufliche Veranlassung ist - entgegen der Auffassung des FA - nicht nur dann gegeben, wenn ein Arbeitnehmer an einem von seinem bisherigen Wohn- und Beschäftigungsort verschiedenen Ort eine neue Tätigkeit aufnimmt. Sie ist vielmehr ohne Wechsel der Arbeitsstätte stets dann zu bejahen, wenn ein Arbeitnehmer aus beruflichen Gründen an dem vom örtlichen Lebensmittelpunkt entfernt liegenden Beschäftigungsort erstmals wohnt und dadurch eine Aufsplitterung der normalerweise gemeinsamen Haushaltsführung eintritt.

Im Streitfall nahm der Kläger erstmals zu Beginn des Streitjahres 1975 in dem von seinem örtlichen Lebensmittelpunkt A entfernt liegenden Beschäftigungsort B eine Wohnung. Dies geschah nach den nicht angegriffenen, den Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindenden Feststellungen des FG, um weiterhin seiner Arbeit nachgehen zu können. Im Streitfall waren es mithin berufliche Gründe, die die Aufsplitterung der bis dahin gemeinsamen Haushaltsführung veranlaßten. Der Kläger hätte nämlich im Streitjahr nicht in B gewohnt, wenn er nicht dort gearbeitet hätte. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, daß die doppelte Haushaltsführung nicht bereits im zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der Berufstätigkeit am auswärtigen Dienstort, sondern erst Jahre danach begründet wurde. Entscheidend ist, daß die berufliche Veranlassung der doppelten Haushaltsführung durch die Tätigkeit selbst veranlaßt worden war und daß durch das hierdurch bedingte Wohnen am auswärtigen Beschäftigungsort die Aufsplitterung der sonst gemeinsamen Haushaltsführung eintrat.

Der Annahme einer beruflichen Veranlassung der doppelten Haushaltsführung stehen schließlich auch die gesundheitlichen Erwägungen des Klägers nicht entgegen. Sie führten nur dazu, daß er nicht mehr die ihrer Natur nach beruflich veranlaßten Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte tätigte, sondern nunmehr aus beruflichem Anlaß einen doppelten Haushalt führte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73158

BStBl II 1979, 520

BFHE 1979, 524

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