Leitsatz (amtlich)

Nachzahlungen von laufendem Arbeitslohn sind keine sonstigen Bezüge, wenn der Gesamtbetrag der Nachzahlung sich nur auf Lohnzahlungszeiträume bezieht, die in dem Kalenderjahr der Zahlung enden. Das gilt auch für Nachzahlungen, die sich auf mehr als drei Kalendermonate beziehen. Die Nachzahlungsbeträge sind für die Berechnung der Lohnsteuer denjenigen Lohnabrechnungszeiträumen zuzuordnen, zu denen sie gehören.

 

Normenkette

Berlinhilfegesetz i.d.F. vom 1. Oktober 1968 (BGBl I 1968, 1049) § 29 Abs. 1; LStR 1966 Abschn. 52 Abs. 3

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hat von seinem Arbeitgeber (Senat von Berlin) im November 1968 eine Nachzahlung von Dienstbezügen erhalten, weil er mit Rückwirkung vom 1. Januar 1968 befördert worden ist. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) lehnte die Gewährung einer Berlin-Zulage nach § 28 BHG in der Fassung vom 1. Oktober 1968 (BGBl I 1968, 1049) für November 1968 ab mit der Begründung, daß die laufenden Dienstbezüge für November und die als sonstiger Bezug zu beurteilende Nachzahlung zusammen mehr als 2 840 DM betrügen, so daß eine Berlin-Zulage nicht mehr in Betracht komme.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das FG führte u. a. aus: Die Beteiligten gingen rechtlich zutreffend davon aus, daß die Entscheidung ausschließlich davon abhänge, ob die dem Kläger im November zugeflossene Nachzahlung für die Monate Januar bis Oktober 1968 als sonstiger Bezug im Sinne des § 28 Abs. 2 BHG 1968 zu charakterisieren sei. Für die Anwendung der Vorschriften über den Steuerabzug vom Arbeitslohn werde das nirgends in Zweifel gezogen. Im Zusammenhang mit der Berlin-Zulage sei dieser Begriff ebenso auszulegen.

Mit der vom FG zugelassenen Revision erstrebt der Kläger, daß die Berlin-Zulage für November 1968 unter Zugrundelegung einer Bemessungsgrundlage von 1 893,79 DM festgesetzt wird.

Das FA führt demgegenüber u. a. aus:

Der Begriff des sonstigen Bezuges sei im BHG nicht besonders erläutert. Auch die LStDV erhalte keine Begriffsbestimmung. Deshalb müsse auf Abschn. 52 LStR zurückgegriffen werden. In seinem Urteil vom 8. März 1957 VI 32/56 U (BFHE 64, 496, BStBl III 1957, 185) führe der BFH aus, daß keine Bedenken bestünden, die Bestimmungen hinsichtlich der sonstigen Bezüge grundsätzlich als dem Gesetz entsprechend anzusehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet.

Nach § 28 Abs. 2 BHG 1968 ist Bemessungsgrundlage für die Zulage der für eine Beschäftigung aus einem gegenwärtigen Dienstverhältnis bezogene Arbeitslohn des Lohnabrechnungszeitraum. Arbeitslohn und Lohnabrechnungszeitraums sind der laufende Arbeitslohn, der für den Lohnabrechnungszeitraum gezahlt wird, und sonstige Bezüge, die in dem Lohnabrechnungszeitraum zufließen. Der Senat stimmt dem FG zu, daß die hier verwendeten Begriffe dem Lohnsteuerrecht entnommen sind und wie im Lohnsteuerrecht ausgelegt werden müssen, sofern sich nicht aus dem Berlinhilfegesetz etwas anderes ergibt. Hierfür spricht auch, daß die mit steigendem Arbeitslohn abnehmende Berlin-Zulage ersichtlich das Ziel hat, die bei geringeren Arbeitslöhnen betragsmäßig nur niedrige Auswirkung der Steuerermäßigung um 30 v. H. auszugleichen. Die Berlin-Zulage muß also als eine Ergänzung der Steuerermäßigung angesehen werden. Schließlich spricht hierfür auch, daß die Zulage vom Arbeitgeber zusammen mit dem Arbeitslohn aus der von ihm einbehaltenen Lohnsteuer zu entrichten ist. Die Vorschrift des § 29 Abs. 1 BHG 1968 regelt nur das anzuwendende Verfahren und steht dem nicht entgegen.

Das Lohnsteuerrecht (Einkommensteuerrecht) gibt keine ausdrückliche Umschreibung der Begriffe "laufender Arbeitslohn" und "sonstiger Bezug". Es setzt diese Begriffe vielmehr voraus (vgl. z. B. § 52 Abs. 1 Satz 2, § 42 a Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 35 LStDV). Die Abgrenzung muß also aus dem systematischen Zusammenhang hergeleitet werden. Die Auffassung der Verwaltungsbehörde war nicht einheitlich. Nach Abschn. 52 Abs. 1 LStR 1952 konnten Nachzahlungen oder Vorauszahlungen von laufendem Arbeitslohn insoweit, als sie für Lohnzahlungszeiträume gezahlt wurden, die im laufenden Kalenderjahr endeten, für die Zwecke der Berechnung der Lohnsteuer auf diese Lohnzahlungszeiträume verteilt werden; der übersteigende Betrag war als sonstiger Bezug zu behandeln. Nach Abschn. 52 Abs. 3 LStR 1966 sind Nachzahlungen und Vorauszahlungen von Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume, die im Kalendermonat der Zahlung und in den vorangehenden oder folgenden beiden Kalendermonaten des laufenden Kalenderjahrs enden, als laufender Arbeitslohn anzusehen und für die Berechnung der Lohnsteuer auf die Lohnzahlungszeiträume zu verteilen, für die sie geleistet werden. In anderen Fällen sollen Nachzahlungen und Vorauszahlungen stets zu den sonstigen Bezügen gehören. Die Bemerkung des Senats in seinem vom FA angeführten Urteil VI 32/56 U, es bestünden keine Bedenken, im Wege der Auslegung die Art der Berechnung der Lohnsteuer auf sonstige, insbesondere einmalige Bezüge, wie sie in Abschn. 52 Abs. 3-5 LStR 1952 vorgesehen sei, grundsätzlich als dem Gesetz entsprechend anzuerkennen, bezog sich auf die Fassung der Lohnsteuer-Richtlinien 1952 und kann nicht ohne weiteres auf die Fassung der Lohnsteuer-Richtlinien 1966, die hier in Frage kommt, übertragen werden.

Der Senat gelangt zu dem Ergebnis, daß Nachzahlungen von laufendem Arbeitslohn nicht zu den sonstigen Bezügen gerechnet werden können, wenn der Gesamtbetrag der Nachzahlung sich nur auf Lohnabrechnungszeiträume bezieht, die in dem Kalenderjahr der Zahlung enden. Diese Auffassung stimmt mit der Regelung in den Lohnsteuer-Richtlinien 1952 überein. Wenn die Lohnsteuer-Richtlinien 1966 Nachzahlungen nur noch dem laufenden Arbeitslohn zurechnen wollen, wenn sie sich auf bis zu drei Kalendermonate beziehen, so entbehrt diese Regelung gegenüber der früher von der Verwaltung vertretenen Auffassung der überzeugenden Begründung, warum die Grenze gerade bei einem Zeitraum von drei Monaten gezogen werden muß. Dies mag für die Lohnsteuerberechnung eine praktische und vertretbare Regelung sein. Als allgemein verbindlich kann sie indessen nicht angesehen werden. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß auch die Lohnsteuer in ihrer derzeitigen Gestalt eine Jahressteuer ist (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 1 EStG) und daß keine zwingenden rechtlichen Gesichtspunkte erkennbar sind, die es rechtfertigen könnten, einen seiner Natur nach zum laufenden Arbeitslohn gehörenden Bezug, der innerhalb des Kalenderjahres zufließt, nicht auch als laufenden Bezug zu behandeln. Dies muß grundsätzlich auch dann gelten, wenn der laufende Arbeitslohn als Nachzahlung (oder auch als Vorauszahlung) nicht im zeitlichen Zusammenhang mit dem Lohnabrechnungszeitraum gezahlt wird, zu dem er gehört.

Aus § 28 BHG 1968 kann keine andere Beurteilung hergeleitet werden. Diese Vorschrift stellt als Bemessungsgrundlage zwar auf den Arbeitslohn des Lohnabrechnungszeitraums ab und läßt einen Ausgleich am Jahresende nach Art des Lohnsteuer-Jahresausgleichs nicht zu. Dies rechtfertigt indessen nicht, den Begriff des sonstigen Bezugs im Zusammenhang mit einer Nachzahlung anders als in dem vorerörterten Sinne auszulegen. Hiernach muß der Arbeitgeber oder, falls es zur Erteilung eines formellen Bescheides kommt, das FA (§ 29 Abs. 2 BHG 1968) im Falle einer Nachzahlung nur für Lohnabrechnungszeiträume, die in dem laufenden Kalenderjahr enden, die Nachzahlungsbeträge denjenigen Lohnabrechnungszeiträumen zuordnen, zu denen sie gehören.

Die Entscheidung der Vorinstanz, die von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war hiernach aufzuheben. Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif. Im Streitfall muß nicht nur die Berlin-Zulage für November 1968, sondern müssen auch die Zulagen für die Vormonate dieses Jahres neu errechnet werden. Die Sache war daher an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71438

BStBl II 1975, 619

BFHE 1975, 310

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