Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitunternehmerstellung schenkweise in eine KG aufgenommener Kinder

 

Leitsatz (amtlich)

Ist in dem Gesellschaftsvertrag einer Familienpersonengesellschaft, durch den die minderjährigen Kinder des Hauptgesellschafters als Kommanditisten in die KG aufgenommen werden, bestimmt, dass Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung ―abweichend vom Einstimmigkeitsprinzip des § 119 Abs. 1 HGB― mit einfacher Mehrheit zu fassen sind, steht diese Vertragsklausel der Anerkennung der Kinder als Mitunternehmer nicht entgegen. Eine solche Klausel ist dahin auszulegen, dass sie nur Beschlüsse über die laufenden Geschäfte der KG betrifft (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 11. Oktober 1988 VIII R 328/83, BFHE 155, 514, BStBl II 1989, 762).

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 12 Nr. 2; HGB § 119 Abs. 1, §§ 164, 116 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Hamburg (EFG 1998, 291; LEXinform-Nr. 0144676)

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) waren im Streitjahr 1984 Gesellschafter der im Jahre 1973 gegründeten W-KG (Beigeladene oder KG).

Persönlich haftende Gesellschafter waren der Kläger zu 1 und sein im Streitjahr verstorbener Vater X, der den Betrieb bis zur Gründung der KG als Einzelunternehmen geführt hatte. Einzige Kommanditisten waren die Kinder des Klägers zu 1, die Kläger zu 2 und 3.

Die Kläger zu 2 und 3 hatten ihre Kommanditbeteiligungen aufgrund des notariell beurkundeten Schenkungs- und KG-Vertrages (KGV) vom 27. September 1983 erworben. Nach § 1 dieses Vertrages schenkte der Gesellschafter X seinen Enkeln, den Klägern zu 2 und 3 (geboren 1974 bzw. 1978) von seinem Kapitalkonto je 50 000 DM mit der Bestimmung, diese Beträge als Kommanditeinlage in die KG einzubringen.

Nach § 3 KGV wurde die Gesellschaft auf eine Dauer von zunächst fünf Jahren fest abgeschlossen. Sofern das Gesellschaftsverhältnis nicht mindestens sechs Monate vor Ablauf dieser Frist gekündigt wurde, verlängerte es sich um weitere fünf Jahre mit gleicher Kündigungsfrist und ggf. erneuter Verlängerung.

In § 6 des Vertrages ist bestimmt, dass in allen Angelegenheiten der Gesellschaft Gesellschafterbeschlüsse zulässig sind; die Beschlussfassung erfolgt mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Abzustimmen ist nach Kapitalanteilen.

Die Gewinnverteilung ist gemäß § 8 KGV in der Weise vorzunehmen, dass nach Abzug der Tätigkeitsvergütungen für die persönlich haftenden Gesellschafter X 20 v.H., der Kläger zu 1 60 v.H. und die Kläger zu 2 und 3 je 10 v.H. des verbleibenden Gewinns erhalten; die Verlustverteilung ist nach dem gleichen Schlüssel vorzunehmen, wobei die Kommanditisten nur bis zur Höhe ihrer Kommanditeinlage am Verlust teilnehmen.

Nach § 9 KGV ist das Entnahmerecht der persönlich haftenden Gesellschafter nicht beschränkt. Die Kommanditisten dürfen Entnahmen nur zu Unterhalts- und Ausbildungszwecken tätigen. Der Rest ihrer Kapitalkonten bleibt stehen und ist mit 3 v.H. über dem jeweiligen Bundesbankdiskontsatz zu verzinsen. Über weitergehende Entnahmen der Kommanditisten entscheidet die Gesellschafterversammlung.

Im Falle der Kündigung der Gesellschaft wird diese nicht aufgelöst, sondern nach Ausscheiden des betreffenden Gesellschafters von den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt, falls diese nicht etwas anderes beschließen (§ 10 KGV). Bei einer Auseinandersetzung über das Gesellschaftsvermögen entspricht die Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters seinem nominellen Kapitalkonto bzw. der Kommanditeinlage zuzüglich einer etwaigen Gewinngutschrift des ausscheidenden Gesellschafters, wie sie sich aus der letzten festgestellten Jahresbilanz der KG ergeben. Ein Firmenwert ist nicht zu berücksichtigen (§ 12 KGV).

Bei Abschluss des Vertrages wurden die minderjährigen Kläger zu 2 und 3 durch ihre Eltern gesetzlich vertreten. Der Vertrag wurde von den noch im selben Jahr für die Kläger zu 2 und 3 bestellten Ergänzungspflegern und vom Vormundschaftsgericht genehmigt.

In ihrer Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns 1984 verteilte die KG die Gewinne entsprechend dem Gewinnverteilungsschlüssel auf die Gesellschafter. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) führte die Gewinnfeststellung für das Streitjahr ―ebenso wie die für das Vorjahr― zunächst entsprechend der eingereichten Erklärung durch. Der Feststellungsbescheid vom 8. Oktober 1986 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im Anschluss an eine Außenprüfung bei der KG , die die Jahre 1984 bis 1988 umfasste, vertrat das FA in Übereinstimmung mit dem Betriebsprüfer die Auffassung, die Kläger zu 2 und 3 seien keine Mitunternehmer der KG, da sie in allen Angelegenheiten der KG von dem Kläger zu 1 überstimmt werden könnten und darüber hinaus nur ein beschränktes Entnahmerecht hätten. In dem gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Feststellungsbescheid vom 3. Mai 1991 rechnete das FA den Gewinn der KG in Höhe von 247 782 DM ausschließlich den persönlich haftenden Gesellschaftern zu; für die Kläger zu 2 und 3 wurden Gewinnanteile von jeweils 0 DM festgesetzt.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1998, 291).

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 15 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―). Der Vertrag, durch den die Kläger zu 2 und 3 als Kommanditisten in die Gesellschaft aufgenommen worden seien, sei veranlasst durch den Willen des Seniorgesellschafters X, rechtzeitig für den Fortbestand des Familienunternehmens zu sorgen. Das FA habe im Übrigen einen Vertrauenstatbestand geschaffen, weil es die Gewinnfeststellung 1983 erklärungsgemäß durchgeführt habe. Es sei deshalb nach dem Grundsatz von Treu und Glauben an seine bisherige Rechtsauffassung gebunden.

Das FA habe am 15. August 1996 erneut einen Feststellungsbescheid für das Streitjahr erlassen und den Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. Damit sei der ursprüngliche Feststellungsbescheid vom 8. Oktober 1986 bestandskräftig geworden.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahin abzuändern, dass den Klägern zu 2 und 3 Gewinnanteile von je 21 452 DM zugerechnet werden, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen, damit geklärt werden könne, ob der Feststellungsbescheid 1984 durch die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung bestandskräftig geworden ist.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Abänderung des Gewinnfeststellungsbescheides 1984 hinsichtlich der Gewinnverteilung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Gewinnfeststellungsbescheid vom 3. Mai 1991 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. September 1992. Durch diesen Bescheid ist der ursprüngliche Feststellungsbescheid vom 8. Oktober 1986, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, in zulässiger Weise nach § 164 Abs. 2 AO 1977 geändert worden. Zwar hat das FA der KG am 15. August 1996 erneut einen mit dem Bescheid vom 3. Mai 1991 inhaltlich übereinstimmenden Feststellungsbescheid 1984 bekannt gegeben. Diesem Bescheid kommt jedoch keine rechtliche Bedeutung für das anhängige Verfahren zu, da es sich hierbei lediglich um eine wiederholende Verfügung handelt. Im Übrigen hat das FA diese Verfügung inzwischen aufgehoben.

2. Den Klägern zu 2 und 3 sind im Streitjahr gewerbliche Einkünfte aus ihren Kommanditbeteiligungen an der KG zuzurechnen (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Entgegen der Ansicht des FG waren die Rechte der Kläger zu 2 und 3 nach dem Gesellschaftsvertrag nicht in einer Weise zugunsten des Klägers zu 1 beschränkt, wie dies bei einer entgeltlich begründeten KG unter Fremden nicht üblich ist. Die Kläger zu 2 und 3 waren im Streitjahr Mitunternehmer der KG.

a) Mitunternehmer ist, wer als Gesellschafter einer Personengesellschaft oder als Teilnehmer einer dieser wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaft Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfalten kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751). Beide Merkmale der Mitunternehmerschaft können im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein; sie müssen jedoch beide vorhanden sein (BFHE 141, 405, 440, BStBl II 1984, 751).

Bei Verträgen zwischen nahen Angehörigen, insbesondere zwischen Eltern und ihren minderjährigen Kindern, müssen weitere Voraussetzungen erfüllt sein, um sie der Besteuerung zugrunde legen zu können. Denn bei Familienangehörigen fehlt es an dem zwischen Fremden typischerweise bestehenden Interessengegensatz, so dass ein Vertrag trotz des auf geschäftliche oder gesellschaftsrechtliche Beziehungen deutenden äußeren Bildes privat veranlasste Zuwendungen (§ 12 Nr. 2 EStG) zwischen den Vertragsbeteiligten beinhalten kann. Verträge zwischen nahen Angehörigen sind deshalb nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich nur dann steuerrechtlich zu berücksichtigen, wenn sie ernsthaft vereinbart, insbesondere zivilrechtlich wirksam zustande gekommen sind. Die zivilrechtliche Gestaltung muss ferner klar und eindeutig sein und auch tatsächlich entsprechend den getroffenen Vereinbarungen vollzogen werden (vgl. für Gesellschaftsverhältnisse z.B. BFH-Urteile vom 27. Januar 1994 IV R 114/91, BFHE 174, 219, BStBl II 1994, 635; vom 21. Februar 1991 IV R 35/89, BFHE 164, 238, BStBl II 1995, 449; vom 17. Januar 1991 IV R 132/85, BFHE 163, 449, BStBl II 1991, 607; vom 31. Mai 1989 III R 91/87, BFHE 158, 16, BStBl II 1990, 10; vom 10. November 1987 VIII R 166/84, BFHE 152, 325, BStBl II 1989, 758; vom 9. Juli 1987 IV R 95/85, BFHE 150, 539, BStBl II 1988, 245; vom 5. Juni 1986 IV R 53/82, BFHE 147, 139, BStBl II 1986, 798; vom 14. August 1986 IV R 341/84, BFHE 147, 449, BStBl II 1987, 23).

Diese Rechtsprechung ist mit der Verfassung vereinbar. Sie trägt den innerhalb des Familienverbundes typischerweise fehlenden Interessengegensätzen und der hieraus resultierenden Gefahr des steuerlichen Missbrauchs zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten Rechnung (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 7. November 1995 2 BvR 802/90, BStBl II 1996, 34).

In den Fällen, in denen Eltern oder Großeltern ihre Kinder (Enkel) schenkweise in eine KG als Kommanditisten aufnehmen, werden die Kinder nach ständiger Rechtsprechung des BFH nur dann als Mitunternehmer anerkannt, wenn ihnen wenigstens annähernd diejenigen Rechte eingeräumt werden, die einem Kommanditisten nach dem Regelstatut des Handelsgesetzbuchs (HGB) über die KG zukommen. Nur dann sind die Voraussetzungen Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko erfüllt (BFH-Urteile in BFHE 147, 139, BStBl II 1986, 798; in BFHE 152, 325, BStBl II 1989, 758; vom 11. Oktober 1988 VIII R 328/83, BFHE 155, 514, BStBl II 1989, 762; in BFHE 158, 16, BStBl II 1990, 10; in BFHE 174, 219, BStBl II 1994, 635).

b) Im Streitfall ist der Gesellschaftsvertrag, durch den die Kläger in die KG aufgenommen wurden, zivilrechtlich wirksam zustande gekommen. Zwar haben bei Vertragsabschluss für die minderjährigen Kläger zu 2 und 3 keine Ergänzungspfleger mitgewirkt. Der notariell beurkundete Vertrag ist jedoch kurze Zeit später von den gerichtlich bestellten Ergänzungspflegern (§ 1909 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ―BGB―) und vom Vormundschaftsgericht (§ 1643 Abs. 1, § 1822 Nr. 3 BGB) genehmigt worden.

c) Der KGV erfüllt auch inhaltlich die Anforderungen, die an die Mitunternehmerstellung der Kläger zu 2 und 3 zu stellen sind. Durch diesen Vertrag wurden den Klägern zu 2 und 3 annähernd die Rechte eingeräumt, die einem Kommanditisten nach dem Regelstatut des HGB zustehen.

aa) Dass die Kläger zu 2 und 3 ein Mitunternehmerrisiko trugen, kommt nicht nur in ihrer Beteiligung am Gewinn und Verlust der KG zum Ausdruck. Sie sind im Fall der Liquidation der KG nach allgemeinen Grundsätzen auch am Geschäftswert und an den stillen Reserven des Unternehmens zu beteiligen (§ 161 i.V.m. § 155 HGB). Lediglich für den Fall der Kündigung durch einen der Gesellschafter sieht § 12 KGV für die Auseinandersetzung zwischen dem Ausscheidenden und der von den übrigen Gesellschaftern fortgesetzten KG (§ 10 KGV) vor, dass dieser als Abfindung nur seinen Kapitalanteil, wie er sich aus der letzten festgestellten Jahresbilanz ergibt, zuzüglich gutgeschriebener Gewinne beanspruchen kann. Diese Klausel steht der Mitunternehmerschaft der Kläger zu 2 und 3 nicht entgegen. Es genügt für die Annahme eines Mitunternehmerrisikos des Kommanditisten, wenn er im Fall der Auflösung der KG an den stillen Reserven und am Geschäftswert beteiligt wird (BFH-Urteil in BFHE 152, 325, 331, BStBl II 1989, 758); diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt.

Ein Ausschluss des auf Grund eigener Kündigung ausscheidenden Gesellschafters von der Beteiligung an den stillen Reserven und am Geschäftswert des Unternehmens ist im Übrigen keine wesentliche Abweichung vom Regelstatut des HGB für die Kommanditgesellschaft, weil sie auch bei Gesellschaftsverträgen unter Fremden häufig vorkommt. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Regelung in § 12 KGV gleichermaßen für alle Gesellschafter gilt und auch nur dann eingreift, wenn einer der Kläger den Gesellschaftsvertrag von sich aus kündigt (vgl. dazu auch BFH-Urteil in BFHE 158, 16, BStBl II 1990, 10, unter 1. c, bb, 2. a.E.).

Da die Gesellschaft im Fall der Kündigung durch einen Gesellschafter grundsätzlich nicht aufgelöst, sondern von den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt wird (§ 10 KGV), hat der Kläger zu 1 auch nicht die Möglichkeit, die Kläger zu 2 und 3 zum Buchwert aus der Gesellschaft hinauszukündigen. Dieser Gesichtspunkt ist für die Anerkennung der Mitunternehmerstellung der Kläger zu 2 und 3 von erheblichem Gewicht, weil er deutlich macht, dass mit der Aufnahme der Kläger zu 2 und 3 in die KG ein endgültiger Rechtszustand geschaffen werden sollte, den Klägern zu 2 und 3 ihre Rechtsposition also nicht durch den Kläger zu 1 oder X entzogen werden konnte (BFH-Urteil in BFHE 152, 325, BStBl II 1989, 758).

bb) Die Kläger zu 2 und 3 konnten in den Streitjahren auch Mitunternehmerinitiative entfalten. Denn ihnen standen jedenfalls annähernd die Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte zu, die einem Kommanditisten nach dem Regelstatut des HGB eingeräumt sind.

Nach dem Gesellschaftsvertrag hatten die Kläger zu 2 und 3 uneingeschränkt die Kontrollrechte des § 166 HGB. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des Vertrages, aber aus den ergänzend heranzuziehenden Vorschriften des HGB über die Kommanditgesellschaft.

Die Kläger zu 2 und 3 konnten in einem gewissen Umfang auch durch ihr Stimmrecht und ihr Widerspruchsrecht (§ 164 HGB) Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft nehmen. Nach dem Regelstatut des HGB kann ein Kommanditist durch Ausübung seines Stimmrechts in der Gesellschafterversammlung in allen Angelegenheiten, für die die Gesellschafterversammlung zuständig ist, mitentscheiden. Nach § 119 Abs. 1 i.V.m. § 161 HGB sind Beschlüsse der Gesellschafterversammlung grundsätzlich einstimmig zu treffen. Diese Regelung ist jedoch nicht zwingend. Statt des einstimmigen Beschlusses aller Gesellschafter kann im Gesellschaftsvertrag ein Mehrheitsbeschluss vorgesehen sein (Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 29. Aufl. 1995, § 119 Rz. 2). Dies ist auch im Streitfall geschehen. Nach § 6 KGV werden die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Diese Vertragsklausel hat zur Folge, dass die Kläger zu 2 und 3 den Kläger zu 1 in keinem Fall daran hindern können, einen Beschluss über die laufenden Geschäfte der Gesellschaft zu treffen, da der Kläger zu 1 im Streitjahr über die Mehrheit der Stimmen in der Gesellschafterversammlung verfügte. Diese Einschränkung der Gesellschafterrechte der Kläger zu 2 und 3 ergibt sich jedoch nicht aus einer wesentlichen Abweichung des Gesellschaftsvertrags vom Regelstatut des HGB, sondern aus der geringen Beteiligung der Kläger zu 2 und 3 am Kapital der KG, wie sie in jeder Personengesellschaft vorkommen kann (Urteil in BFHE 152, 325, 329 f., BStBl II 1989, 758).

Entgegen der Ansicht des FG konnte der Kläger zu 1 aufgrund der in § 6 KGV vereinbarten Mehrheitsklausel nicht ohne Mitwirkung der Kläger zu 2 und 3 über außergewöhnliche Maßnahmen der Geschäftsführung (§ 116 Abs. 2 HGB), über die Änderung des Gesellschaftsvertrags oder über die Auflösung der KG entscheiden. Vertragsklauseln über die Zulassung von Mehrheitsbeschlüssen sind für die Gesellschafter gefährlich und deshalb eng auszulegen. Das ist ein Gebot des sog. Bestimmtheitsgrundsatzes (vgl. dazu Urteile des Bundesgerichtshofs ―BGH― vom 12. November 1952 II ZR 260/51, BGHZ 8, 35; vom 13. Juli 1967 II ZR 72/67, BGHZ 48, 251; vom 10. Mai 1976 II ZR 180/74, Betriebs-Berater ―BB― 1976, 948; vom 15. Juni 1987 II ZR 261/86, Der Betrieb ―DB― 1988, 411; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., 460 ff.). Dem Bestimmtheitsgrundsatz ist nur genügt, wenn eine Auslegung der betreffenden Vertragsklausel unmissverständlich ergibt, ob ein bestimmter Beschlussgegenstand der Mehrheitsentscheidung unterliegt (BGH-Urteil in BGHZ 8, 35, 42; Karsten Schmidt, a.a.O., 461). Eine nicht auf bestimmte Angelegenheiten bezogene Mehrheitsklausel, wie sie im vorliegenden Fall vereinbart wurde, ist deshalb einschränkend dahin auszulegen, dass sie nur Beschlüsse über Angelegenheiten erfasst, die der laufende Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft mit sich bringt (Oberlandesgericht ―OLG― München, Urteil vom 26. April 1991 23 U 5879/90, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1992, 1102; Baumbach/Hopt, a.a.O., Rz. 37). Die Rechtsprechung des BFH zur Notwendigkeit klarer und eindeutiger Verträge unter Familienangehörigen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 16. Mai 1989 VIII R 196/84, BFHE 157, 508, BStBl II 1989, 877, und vom 13. November 1986 IV R 322/84, BFHE 148, 168, BStBl II 1987, 121) schließt eine Auslegung der getroffenen Vereinbarungen nicht aus (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 1991 I R 63/90, BFHE 166, 279, 282, BStBl II 1992, 362). Eine nach ihrem Wortlaut unbestimmte Vertragsklausel ist auch dann klar, wenn ihr Inhalt im Wege der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zweifelsfrei festgestellt werden kann. Im Streitfall ergibt die Auslegung des § 6 KGV, dass Beschlüsse, die nicht die laufende Geschäftsführung der Gesellschaft betreffen, insbesondere solche über die Abänderung des Gesellschaftsvertrags oder die Auflösung der KG, wirksam nur mit Zustimmung der Kläger zu 2 und 3 gefasst werden können. Ungewöhnlichen Handlungen des Geschäftsführers, die ohne ihre Zustimmung vorgenommen wurden, können die Kläger zu 2 und 3 nach § 164 HGB widersprechen.

cc) Die Regelung in § 9 KGV, nach welcher den Kommanditisten ohne zeitliche Begrenzung nur ein eingeschränktes Entnahmerecht zusteht, ist unter Fremden nicht üblich. Der BFH hat jedoch wiederholt entschieden, dass bei Verträgen zwischen Angehörigen nicht jede geringfügige Abweichung einzelner Regelungen vom Fremdüblichen oder vom Regelstatut des HGB die steuerliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses ausschließt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 7. Mai 1996 IX R 69/94, BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196; vom 29. Oktober 1997 I R 24/97, BFHE 184, 482, BStBl II 1998, 573; vom 10. November 1998 VIII R 28/97, BFH/NV 1999, 616). Bei der gebotenen Würdigung der Gesamtumstände des Vertragsverhältnisses beeinträchtigt die Entnahmeregelung die Rechtsstellung der Kläger zu 2 und 3 nicht so wesentlich, dass dem KGV allein deshalb die steuerliche Anerkennung zu versagen wäre.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass § 9 KGV weder ein absolutes Entnahmeverbot noch eine absolute Entnahmebeschränkung enthält. Die Kläger zu 2 und 3 können die für ihren Unterhalt und ihre Ausbildung erforderlichen Beträge entnehmen, ohne hierfür auf die Zustimmung des Klägers zu 1 angewiesen zu sein. Dabei ist unschädlich, dass § 9 KGV nicht betragsmäßig festlegt, in welcher Höhe die Kläger zu 2 und 3 Gewinnanteile entnehmen dürfen; denn die Höhe des Entnahmerechts der Kommanditisten kann im Wege der Auslegung bestimmt werden (BFH-Urteil vom 5. November 1985 VIII R 275/81, BFH/NV 1986, 327). Gegen die Schädlichkeit der Beschränkung des Entnahmerechts spricht auch der Umstand, dass die Kommanditisten durch diese Regelung keine vermögensrechtlichen Nachteile erlitten haben, weil ihre nicht entnommenen Gewinnanteile mit 3 v.H. über dem jeweiligen Bundesbankdiskontsatz zu verzinsen sind (BFH-Urteil in BFHE 152, 325, 331, BStBl II 1989, 758).

3. Das FG ist in seiner Entscheidung zum Teil von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen. Seine Entscheidung war deshalb aufzuheben.

Die Sache ist entscheidungsreif. Der Klage ist insoweit stattzugeben, als die Kläger beantragen, die Kläger zu 2 und 3 im Streitjahr als Mitunternehmer zu behandeln und die Gewinnverteilung entsprechend dem im KGV vereinbarten Gewinnverteilungsschlüssel vorzunehmen.

Da im vorliegenden Verfahren allein über die Mitunternehmerstellung der Kläger zu 2 und 3 und die Gewinnverteilung zu entscheiden ist, hat der Senat seiner Entscheidung den im angefochtenen Feststellungsbescheid festgestellten Gesamtgewinn von 247 782 DM zugrunde zu legen (zum Streitgegenstand im Rechtsstreit über einen Gewinnfeststellungsbescheid vgl. BFH-Urteil vom 10. Februar 1988 VIII R 352/82, BFHE 152, 414, BStBl II 1988, 544).

Danach ist der Gewinn unter Berücksichtigung der von X und dem Kläger zu 1 bezogenen Tätigkeitsvergütungen und der von ihnen geltend gemachten Sonderbetriebsausgaben wie folgt auf die Gesellschafter zu verteilen: …

 

Fundstellen

Haufe-Index 447632

BFH/NV 2001, 369

BStBl II 2001, 186

BFHE 193, 542

BFHE 2001, 542

BB 2001, 186

DB 2001, 234

DStR 2001, 74

DStRE 2001, 127

DStZ 2001, 124

HFR 2001, 330

StE 2001, 34

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