Leitsatz (amtlich)

1. Die dem Testamentsvollstrecker nach den Vorschriften der §§ 103 und 104 AO obliegenden Pflichten und die sich aus der Erfüllung dieser Pflichten ergebenden Rechte bestimmen sich nach Maßgabe seines bürgerlich-rechtlichen Verwaltungsrechts.

2. Die Frage, ob das Recht auf Erstattung überzahlter Steuerbeträge den Erben oder dem Testamentsvollstrecker zustehe, beantwortet sich nach den gleichen Grundsätzen, die den Umfang seiner Rechte und Pflichten bestimmen.

 

Normenkette

AO §§ 103-104, 109, 151, 210-211; BGB §§ 2041, 2111, 2203, 2205, 2209, 2213, 2222

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das FA im Falle einer Testamentsvollstreckung mit Dauernachlaßverwaltung die im Steuerfestsetzungsverfahren zu erteilenden Einkommensteuerbescheide neben dem Erben auch dem Testamentsvollstrecker zu erteilen und etwa überzahlte Steuerbeträge dem Erben oder dem Testamentsvollstrecker zu erstatten habe. Die Erstattung hatten FA und FG übereinstimmend abgelehnt. Abweichend vom FA hatte das FG die Erteilung von Duldungsbescheiden (als Informationsgrundlage verstanden) zuerkannt.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des Testamentsvollstreckers ist nicht begründet.

I.

1. Der Testamentsvollstrecker hat nach bürgerlichem Recht gemäß § 2203 BGB die letztwilligen Verfügungen des Erblassers zur Ausführung zu bringen, den Nachlaß zu verwalten (§§ 2205, 2209 BGB) und bis zum Eintritt einer angeordneten Nacherbfolge die Rechte und Pflichten des Nacherben wahrzunehmen (§ 222 BGB). Er handelt dabei kraft eigenen, ihm vom Erblasser übertragenen Rechts.

Verfahrensrechtlich hat der Testamentsvollstrecker deshalb im Zivilprozeß die Stellung einer sogenannten „Partei kraft Amtes” (VII 278/10 vom 4. April 1911, RGZ 76, 125); d. h. er ist berechtigt, fremde Rechte wie eigene im eigenen Namen geltend zu machen und Angriffe gegen sie abzuwehren. Die Wirkungen seines Handelns treten jedoch nicht in seiner Person, sondern für und gegen die insoweit von ihm vertretenen Erben ein.

2. Nach bürgerlichem Recht können Ansprüche, die sich gegen den Nachlaß richten, sowohl gegen den Erben als auch gegen den Testamentsvollstrecker gerichtlich geltend gemacht werden, wenn dem Testamentsvollstrecker die Verwaltung des gesamten Nachlasses zusteht (§ 2213 Abs. 1 BGB). Das Nachlaßvermögen wird, solange es der Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker unterliegt, als Sondervermögen betrachtet, gleichgültig, ob es einer Erbengemeinschaft gehört oder einer Einzelperson (als Alleinerben). Dem entspricht es, daß Ansprüche aus Rechtsgeschäften, die aus Mitteln des Nachlasses erfüllt wurden, wiederum in den Nachlaß fallen (§ 2041 BGB; Urteil des RG IV 295/32 vom 3. November 1932, RGZ 138, 132 [134]). Die Rechte des Erben sind (soweit es hier interessiert) – abgesehen von der Wahrnehmung der Gesellschafterrechte aus einer Kommanditbeteiligung (umstritten) – praktisch auf den Anspruch auf Herausgabe des jährlichen Reinertrags des vom Testamentsvollstrecker verwalteten Vermögens beschränkt (§ 2338 Abs. 1 Satz 2 BGB; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Anm. 1 zu § 2209).

3. Steuerrechtlich hat nach § 104 AO der Testamentsvollstrecker, soweit seine Verwaltung reicht, die gleichen Pflichten wie ein gesetzlicher Vertreter (§ 103 AO) zu erfüllen, da ihm an Stelle des Eigentümers des Nachlaßvermögens oder an Stelle des gesetzlichen Vertreters des Eigentümers die Verwaltung des Nachlaßvermögens kraft letztwilliger Verfügung zusteht. Seine Pflicht reicht nach ausdrücklicher Vorschrift indes nicht weiter als sein Verwaltungsrecht. Seine Stellung ist, unbeschadet gewisser Ähnlichkeiten, der des Konkursverwalters (siehe Urteil des BFH VII 116/62 S vom 22. Juni 1965, BFH 82, 600, BStBl III 1965, 463) und des Zwangsverwalters (siehe BFH-Urteil VI 157/57 vom 22. August 1958 (StRK, Reichsabgabenordnung, § 104, Rechtsspruch 3) nicht vergleichbar.

a) Mit seiner Einschränkung verweist § 104 AO auf das bürgerliche Recht, insbesondere dessen Vorschriften in den §§ 2205 und 2209 BGB. Nach bürgerlichem Recht ist es aber, wenn der Erbe feststeht, nicht Aufgabe des Testamentsvollstreckers, im Rahmen seiner Verwaltung des Nachlaßvermögens die öffentlich-rechtlichen Pflichten des Erben zu erfüllen, insbesondere die den Erben betreffenden einkommensteuerrechtlichen Angelegenheiten hinsichtlich ihrer Beziehung auf den Nachlaß zu überwachen. Denn die einkommensteuerrechtlichen Ansprüche richten sich, auch soweit sie aus Erträgen des Nachlaßvermögens resultieren, gegen den Erben, nicht gegen den Nachlaß. Daher ist für den Testamentsvollstrecker auch die Notwendigkeit, ungerechtfertigte Steueransprüche hinsichtlich der Erträge des Nachlaßvermögens abzuwehren, nicht gegeben. Die im BFH-Urteil II 164/59 S vom 12. Juli 1961 (BFH 73, 343, BStBl III 1961, 391) für die Erbschaftsteuer entwickelten Grundsätze sind auf die Einkommensteuer nicht übertragbar.

Was zu gelten hat, solange die Person des Erben nicht feststeht, ist hier nicht zu entscheiden.

Der (weitergehenden) Ansicht von Becker-Riewald-Koch (Reichsabgabenordnung, Kommentar, Anm. 2 zu § 104 AO), nach der der Testamentsvollstrecker als Dauerverwalter eines Nachlaßvermögens zur Einkommensteuer „nur die Erklärungen abzugeben braucht, die den von ihm verwalteten Teil des Vermögens des Erben betreffen”, kann in dieser Allgemeinheit nicht beigepflichtet werden, da die Steuererklärungspflicht hinsichtlich der Einkünfte aus dem Nachlaßvermögen in erster Linie den Erben selbst trifft. Er ist Steuerpflichtiger im Sinne der AO (§ 97 Abs. 1 AO), da er nach den Steuergesetzen (§§ 1 und 2 EStG, § 3 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1 StAnpG) die Steuer als Steuerschuldner zu entrichten hat, unbeschadet dessen, daß nach § 167 Abs. 1 AO einem Steuerpflichtigen derjenige gleichsteht, der eine Steuererklärung abzugeben verpflichtet ist und daß das Gesetz als Steuerschuldner auch den Haftenden bezeichnet (§ 97 Abs. 2 AO).

b) Der Senat braucht die hier behandelten Fragen im einzelnen nicht weiter zu vertiefen, da bei Feststehen der Eigentumsverhältnisse am Nachlaßvermögen, d. h. der Person des Erben, der Begriff der Steuerpflicht sowohl verfahrensrechtlich (als Steuererklärungspflicht) als auch sachlich-rechtlich (als Einkommensteuerpflicht) als auch im Sinne der Steuerschuldnerschaft (als Steuerzahlungspflicht) in der Person des Erben erfüllt ist. Adressat des Einkommensteuerbescheides – Steuer(festsetzungs)bescheides – im Sinne der Vorschrift des § 210 AO ist in diesem Falle allein der einkommensteuerpflichtige Eigentümer des Nachlaßvermögens (Erbe), nicht (auch) der Testamentsvollstrecker. Ist der Steuerbescheid die Konkretisierung eines bestimmten Steueranspruchs wegen der Erfüllung eines bestimmten Steuertatbestandes in bestimmter Höhe gegenüber einer bestimmten Person, so kann diese Person nur der Erbe sein, dem die Einkünfte aus dem Nachlaßvermögen zufließen. Ein etwa an den Testamentsvollstrecker gerichteter Einkommensteuerbescheid wäre – sofern der Erbe feststeht – nicht rechtmäßig (§ 91 AO; BFH-Urteil II 103/60 vom 28. November 1963, StRK, Grunderwerbsteuergesetz, § 1, Rechtsspruch 121). Daß das vom Testamentsvollstrecker verwaltete Nachlaßvermögen als Vermögensmasse mit eigener Rechtspersönlichkeit anzusehen sei, hat auch der Revisionskläger nicht behauptet.

c) Dem Revisionskläger kann deshalb darin gefolgt werden, daß die Steuererklärungspflicht in jedem Fall das Recht auf die Erteilung eines Steuerbescheides begründe. Ein solches Recht mit der Folge der Berechtigung zur Einlegung von Rechtsbehelfen – begründet in der Erklärungspflicht – könnte dem Testamentsvollstrecker aber nur dann zustehen, wenn die Eigentumsverhältnisse am Nachlaßvermögen noch nicht geklärt sind und er für ein Nachlaßvermögen tätig wird, das – wäre es geschäftsfähig – selbst handeln müßte. Dem Revisionskläger kann auch darin gefolgt werden, daß die vielseitige Verwendung des Begriffs des Steuerpflichtigen als eines verfahrensrechtlichen wie eines sachlich-rechtlichen Begriffs im Abgabenrecht jeden möglichen Steuererklärungspflichtigen (als Steuerpflichtigen) als möglichen Adressaten eines vom sachlichen Recht bestimmten Steuerbescheides legitimiere. Wer aber sachlich-rechtlich Steuerpflichtiger und damit als Adressat eines Steuerbescheides legitimiert ist, wird durch das sachliche Steuerrecht bestimmt. Danach ist Steuerpflichtiger, „wer nach den Steuergesetzen eine Steuer als Steuerschuldner zu entrichten hat” (§ 97 Abs. 1 AO). Das könnte auf den Testamentsvollstrecker nur zutreffen, wenn – wie ausgeführt – der Erbe noch nicht feststeht und er für ein Nachlaßvermögen tätig wird, das – wäre es geschäftsfähig – selbst handeln müßte.

d) Etwas anderes folgt schließlich auch nicht aus § 210 Abs. 2 AO, da der im sachlich-rechtlichen Sinne Steuerpflichtige und der für fremde Steuerschuld möglicherweise Haftende (§ 109 AO) nicht ex se Gesamtschuldner im Sinne dieser Vorschrift sind. Sie werden Gesamtschuldner erst nach Ergehen eines Haftungsbescheides nach den Vorschriften der §§ 109 Abs. 1, 118 AO (§ 7 StAnpG). Echte Gesamtschuldner dagegen sind die zusammen veranlagten Personen (§ 7 Abs. 2 StAnpG).

e) Damit erledigt sich auch der Hilfsantrag des Revisionsklägers hinsichtlich der Feststellung seiner im Streitfall angenommenen Rechte und Pflichten zur Abgabe von Steuererklärungen. Hinsichtlich des Hilfsantrags auf Feststellung des Haftungsausschlusses fehlt es nach Lage der Sache an einem Feststellungsinteresse, da der Revisionskläger im vorliegenden Streitfall nicht erklärungspflichtig ist.

II.

1. Da der Erstattungsanspruch die Umkehrung des Steueranspruchs ist, ist erstattungsberechtigt nach § 150 AO grundsätzlich derjenige Steuerpflichtige, gegen den der Steuerbescheid ergangen und für den die Steuerschuld bezahlt worden ist. Dabei kommt es für die Beantwortung der Frage, zu wessen Gunsten eine Steuerzahlung geleistet worden ist, auf den Willen des Zahlenden an, soweit dieser für das FA erkennbar hervorgetreten ist (BFH-Urteil I 383/60 U vom 25. September 1963, BFH 77, 619, BStBl III 1963, 545).

Hat einer von mehreren Gesamtschuldnern die zunächst angeforderte Steuer bezahlt, so steht der Erstattungsanspruch ihm zu (BFH-Urteil V 302/60 vom 20. März 1964, StRK, Reichsabgabenordnung, § 150, Rechtsspruch 17). Haben mehrere Gesamtschuldner gezahlt, so steht ihnen der Erstattungsanspruch quotal nach dem Verhältnis zu, in dem die herabgesetzte Steuerschuld zu der zunächst festgesetzten Steuerschuld steht.

Hat ein Dritter für Rechnung der Gesamtschuldner gezahlt, so kann das FA davon ausgehen, daß die Gesamtschuldner nach Köpfen erstattungsberechtigt sind; es ist nicht Sache des FA, etwaige Ausgleichsansprüche der Gesamtschuldner nach § 426 BGB zu berücksichtigen (BFH-Urteil I 362/62 vom 23. September 1964, StRK, Reichsabgabenordnung, § 151, Rechtsspruch 6).

Ist dagegen ein anderer vom FA als Haftender in Anspruch genommen worden, so hat er eine eigene steuerliche Verpflichtung erfüllt und steht er deshalb im Falle einer Herabsetzung der zunächst angeforderten Steuer einem Steuerpflichtigen gleich (Urteil des RFH III 55/29 vom 4. Dezember 1930, Mrozek, Steuerrechtsprechung, Reichsabgabenordnung, § 127 Abs. 1, Rechtsspruch 6). Daß er, ohne vom FA durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen worden zu sein, in Abwendung einer möglichen Haftungspflicht zahlte, genügt für die Anerkennung eines Erstattungsanspruchs nicht.

2. Wendet man diese Grundsätze auf den Testamentsvollstrecker an, so steht ihm ein Erstattungsanspruch noch nicht deshalb zu, weil er eine fremde Steuerschuld aus Mitteln des von ihm verwalteten Nachlaßvermögens beglichen hat. Daß er nach den Vorschriften der §§ 103 und 104 AO zu ihrer Begleichung verpflichtet sein kann, wenn er nicht für den bekannten Erben, sondern für ein Nachlaßvermögen tätig wurde, das – wäre es geschäftsfähig – selbst hätte zahlen müssen, ändert hieran nichts.

 

Fundstellen

Haufe-Index 557459

BStBl II 1971, 119

BFHE 1971, 346

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