Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Steuerfreistellung von Dividenden als aktive Betriebsstätteneinkünfte nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBA-Schweiz

 

Leitsatz (amtlich)

Dividenden, die eine Schweizer Aktiengesellschaft an eine Schweizer Personengesellschaft ausschüttet, an der ausschließlich unbeschränkt Steuerpflichtige beteiligt sind, sind nicht nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBA-Schweiz von der Besteuerung in Deutschland ausgenommen.

 

Normenkette

DBA CHE Art. 7 Abs. 1 S. 2, Abs. 8, Art. 10 Abs. 1, 5, Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 Buchst. a

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 05.04.2000; Aktenzeichen 12 K 98/98)

 

Tatbestand

I. Die (nur) im Inland wohnhaften Kläger und Revisionsbeklagten zu 1. bis 3. (Kläger) sind Gesellschafter einer Personengesellschaft schweizerischen Rechts (A-KG) mit Sitz und Geschäftsleitung in der Schweiz. Die A-KG ist ihrerseits seit 1977 zu 49 v.H., seit 1981 zu 100 v.H. Gesellschafterin einer vor 1977 gegründeten und ebenfalls in der Schweiz ansässigen Schweizer Aktiengesellschaft (B-AG). Während die B-AG zunächst unverändert vom Gründer geleitet wurde, wird sie seit 1986 vollständig in Personalunion mit der A-KG geführt. Beide Gesellschaften ergänzten sich, weil die A-KG … produziert und vertreibt und hierfür auf die Lizenznahme entsprechender Rechte angewiesen ist, was ihr durch die B-AG, die ihrerseits … vertreibt und über solche Rechte verfügt, ermöglicht wird.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) bezog die von der B-AG an die A-KG (auch) im Streitjahr 1989 ausgeschütteten Dividenden in die Besteuerung der Kläger ein. Die Erträge seien passiver Natur und nicht im Inland gemäß Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (DBA‐Schweiz) steuerbefreit (vgl. Finanzministerium Nordrhein-Westfalen, Erlass vom 17. April 1980 -S 1301- Schweiz 47-V B 5, abgedruckt in Flick/Wassermeyer/Wingert/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, unter 5.24). Die Kläger sehen demgegenüber den Tatbestand der Abkommensregelung aufgrund der tatsächlichen funktionalen Betriebsstättenzugehörigkeit sowohl der in Rede stehenden Beteiligung an der B-AG als auch der daraus resultierenden Dividenden als erfüllt an.

Die gegen den entsprechend geänderten Feststellungsbescheid gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) bejahte die Anwendung des Art. 10 Abs. 5 DBA-Schweiz. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sei geklärt, dass es insoweit auf die tatsächliche Zugehörigkeit und in diesem Zusammenhang auf die funktionale Betrachtungsweise ankomme. Maßgebend sei, wo nach allgemeiner Verkehrsauffassung das wirtschaftliche Schwergewicht liege. Im Urteil vom 21. Juli 1999 I R 110/98 (BFHE 190, 118, BStBl II 1999, 812) seien diese Erkenntnisse weiterentwickelt worden. Dass Beteiligungserträge, wie das FA meine, "genuin" passive Einkünfte seien, sei nur insoweit richtig, als es um reine Finanzerträge gehe. Sichere die Beteiligung dagegen den Bestand der Betriebsstätte, dann gehörten die Dividendenerträge auch zu den "genuin" aktiven Einkünften. So verhalte es sich im Streitfall.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz sind die Dividenden der B-AG im Inland zu besteuern.

1. Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a DBA-Schweiz werden bestimmte aus der Schweiz stammende Einkünfte einer in Deutschland ansässigen Person, die nach Art. 6 bis 21 DBA-Schweiz von der Schweiz besteuert werden dürfen, von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen. Zu diesen Einkünften zählen u.a. Gewinne i.S. des Art. 7 DBA-Schweiz aus eigener Tätigkeit einer Betriebsstätte, soweit diese durch ―im Abkommen selbst näher beschriebene― "aktive" Tätigkeiten erzielt worden sind (Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Schweiz). Aktive Tätigkeiten im Sinne dieser Vorschrift sind, soweit ihnen für den Streitfall Relevanz zukommt, die Herstellung, Bearbeitung und Verarbeitung von Gegenständen, der Handel oder die Erbringung von Dienstleistungen.

2. Um solche Gewinne handelt es sich bei den Erträgen, die die Kläger im Streitjahr aus der Kapitalbeteiligung an der B-AG erzielt haben, nicht. Das FG hat deshalb für diese Dividenden im Ergebnis zu Unrecht ein Besteuerungsrecht der Schweiz und kein solches Deutschlands angenommen.

a) Das FG ist davon ausgegangen, dass die Kläger sämtlich im Inland wohnhaft und i.S. von Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz ansässig sind. Es ist weiterhin davon ausgegangen, dass sie an der A-KG als einer nach Schweizer Recht errichteten Personengesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in der Schweiz und mit unternehmerischen Tätigkeiten i.S. von Art. 7 Abs. 1 DBA-Schweiz beteiligt waren. Beide Würdigungen sind angesichts der entsprechenden tatrichterlichen Feststellungen nicht zu beanstanden.

b) Die Beteiligungen an der A-KG bildeten insoweit jeweils ein Unternehmen der Kläger i.S. von Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Schweiz, für das eine Betriebsstätte i.S. von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a DBA-Schweiz unterhalten wurde. Die Betriebsstätte der A-KG war zugleich Betriebsstätte der Kläger; sie wird einkommensteuerrechtlich jedem Gesellschafter als Betriebsstätte seines Unternehmens zugerechnet (Senatsurteil vom 26. Februar 1992 I R 85/91, BFHE 168, 52, BStBl II 1992, 937, 938).

c) Die Beteiligung der A-KG an der B-AG unterliegt aus abkommensrechtlicher Sicht der Regelung in Art. 7 DBA-Schweiz. Sie ist einer Schweizer Betriebsstätte der von den Klägern betriebenen Unternehmen zuzuordnen und darf deswegen gemäß Art. 7 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz in der Schweiz besteuert werden.

d) Die Dividenden aus dieser Beteiligung wären jedoch nur dann von der deutschen Besteuerung auszunehmen, wenn sie die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 DBA-Schweiz erfüllen würden. Das ist nicht der Fall.

aa) Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b DBA-Schweiz sind Dividenden, die eine in der Schweiz ansässige Gesellschaft an eine in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaft ausschüttet, unter bestimmten Voraussetzungen von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen. Um eine solche Gestaltung handelt es sich jedoch im Streitfall nicht, da die streitigen Dividenden nicht an eine "Gesellschaft" i.S. des DBA-Schweiz ausgeschüttet worden sind. Unter diesen Begriff fallen nämlich nur juristische Personen und Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden (Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Schweiz); diese Voraussetzung erfüllen weder die Kläger noch die A-KG.

bb) Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a DBA-Schweiz stellt Gewinne aus eigener Tätigkeit einer Betriebsstätte von der deutschen Steuer frei, soweit diese Gewinne nachweislich durch bestimmte ―in der Vorschrift aufgeführte― Tätigkeitsformen erzielt werden. Auch hieraus ergibt sich für den Streitfall jedoch nicht die von der Klägerin erstrebte Steuerbefreiung der Dividenden.

Dabei kann unentschieden bleiben, ob Dividenden unter den Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 5 DBA-Schweiz "Gewinne" i.S. des Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a DBA-Schweiz sind oder ob die Steuerbefreiung für Dividenden für alle Fälle abschließend von Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b DBA-Schweiz geregelt wird. Ebenso muss nicht erörtert werden, ob Dividenden ggf. Gewinne "aus eigener Tätigkeit" einer Betriebsstätte i.S. von Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Schweiz sein können (vgl. dazu Wingert/Strohner in Flick/Wassermeyer/ Wingert/Kempermann, a.a.O., Art. 24 Rz. 66). Beide Fragen können dahinstehen, weil sich die Dividendeneinkünfte jedenfalls nicht den in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a DBA-Schweiz aufgelisteten aktiven Tätigkeitserfordernissen zuordnen lassen. Sie teilen nicht die danach festgestellte tatsächliche funktionale Zuordnung der Beteiligung, sondern sind hiervon als eigenständige passive Einkünfte zu unterscheiden, die keiner der aufgeführten aktiven Betätigungen unterfallen (im Ergebnis ebenso z.B. Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen, 3. Aufl., Art. 23 Rz. 91; Hangarter, Steuer-Revue 1986, 279, 288; s. auch Senatsurteil vom 30. August 1995 I R 77/94, BFHE 179, 39, BStBl II 1996, 122, 124 in Bestätigung der entsprechenden Ausführungen in dem seinerzeit angefochtenen Urteil des FG Baden-Württemberg, Außensenate Stuttgart, vom 19. April 1994 6 K 232/90, Entscheidungen der Finanzgerichte 1994, 955, 956; anders demgegenüber Wingert/Strohner in Flick/Wassermeyer/ Wingert/Kempermann, a.a.O., Art. 24 Rz. 69; Grotherr in Becker/Höppner/Grotherr/Kroppen, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 4). Die diesen Bestätigungen zuzuordnende Beteiligung tritt insoweit lediglich als Quelle passiver Einkünfte in Erscheinung.

3. Da die Vorinstanz eine abweichende Rechtsauffassung vertreten hat, war ihr Urteil aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 848096

BFH/NV 2002, 1633

BStBl II 2002, 848

BFHE 199, 547

BFHE 2002, 547

BB 2002, 2430

DB 2002, 2417

DStRE 2002, 1522

HFR 2003, 12

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