Entscheidungsstichwort (Thema)

Werbungskosten nach Veräußerung eines Grundstücks

 

Leitsatz (NV)

1. Aufwendungen mit Bezug zu einem Wirtschaftsgut, das beim Steuerpflichtigen nicht der Erzielung von Einnahmen im Rahmen einer Einkunftsart dient, können grundsätzlich keine Werbungskosten sein.

2. Vergeblich sind Werbungskosten, wenn der Zusammenhang der Aufwendungen mit Einnahmen im Rahmen einer Einkunftsart zwar gegeben ist, wenn aber der konkrete Zweck der Aufwendungen nicht erreicht wurde, insbesondere die angestrebten Einnahmen nicht erreicht wurden.

3. Sind Aufwendungen auf mehrere Veranlagungszeiträume verteilt, wie z. B. in Form der AfA, kommt es für die Frage, ob sie durch eine Einkunftsart veranlaßt sind, auf die Nutzung des angeschafften Wirtschaftsguts zur Erzielung von Einkünften im jeweiligen Veranlagungszeitraum an.

4. Unter Veräußerung i. S. des § 82b Abs. 2 EStDV ist nicht nur der Kaufvertrag, sondern dieser in Verbindung mit der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums gemeint.

 

Normenkette

EStG §§ 9, 7; EStDV § 82b Abs. 2

 

Tatbestand

Am 30. September 1981 veräußerte die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ein Grundstück in . . . Das Grundstück war mit einem Haus bebaut, das die Klägerin zuletzt selbst bewohnte. Nach dem Kaufvertrag sollte der Kaufpreis bis zum 20. Dezember 1981 beim Notar hinterlegt werden; damit sollten Besitz, Nutzung, Gefahr und Lasten auf die Erwerberin übergehen. Die Klägerin sollte das Haus bis zum 31. Dezember 1981 räumen, was sie auch tat. Die Erwerberin hinterlegte vertragsgemäß den Kaufpreis und zog am 2. Januar 1982 ein.

Der Ehemann der Klägerin verweigerte die Zustimmung zum Kaufvertrag (§§ 1365 f. des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) bis zur Ehescheidung am . . . 1982. Bis dahin stockte die weitere Abwicklung des Vertrags. Der einem Anderkonto gutgeschriebene Kaufpreis brachte im Streitjahr 1982 Zinsen, die der Klägerin gutgeschrieben wurden. Andererseits konnte die Klägerin ihre mit dem Haus zusammenhängenden Schulden nicht tilgen; sie zahlte 1982 noch . . . DM an Schuldzinsen und Gebühren.

Die Klägerin ist der Auffassung, das Haus habe bei ihr im Jahre 1982 noch zu negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geführt, die sie wie folgt berechnet:

Einnahmen

Umsatzsteuer … DM

Zinseinnahmen … DM

… DM

Werbungskosten

Zinsen und Gebühren … DM

sonstige Kosten … DM

Gas Strom Wasser … DM

Absetzung für Abnutzung (AfA) gemäß § 7b des

Einkommensteuergesetzes (EStG) … DM

Erhöhte Absetzung gemäß § 82a der Einkommen-

steuer-Durchführungsverordnung (EStDV) i. V. m.

§ 82 b Abs. 2 EStDV Rest a/1977 … DM

Rest a/1978 … DM … DM

Verlust … DM.

Bei den gemäß § 82a EStDV geltend gemachten Aufwendungen handelt es sich um Kosten, die mit . . . DM 1977 und mit . . . DM 1978 entstanden und vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) als nach § 82a EStDV absetzbar anerkannt waren.

Das FA erfaßte bei der Einkommensteuerveranlagung 1982 die Zinseinnahmen . . . bei den Einkünften aus Kapitalvermögen und die Umsatzsteuererstattung bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Von den geltend gemachten Werbungskosten berücksichtigte das FA nur . . . DM Stromkosten und setzte die Einkommensteuer in der Einspruchsentscheidung von 25. Mai 1984 unter Zurückweisung des Einspruchs im übrigen auf . . . DM fest.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.

Das FG erkannte Werbungskosten in folgender Höhe an:

Schuldzinsen … DM

§ 7b-Absetzungen … DM

Restaufwand

§ 82b Abs. 2 EStDV … DM

§ 82a Abs. 1 EStDV … DM

Summe … DM

Es setzte die Einkommensteuer 1982 auf . . . DM fest.

Mit der vom FG zugelassenen Revision (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) rügt das FA Verletzung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977).

Die Erwerberin sei schon am 1. Januar 1982 wirtschaftliche Eigentümerin des Grundstücks geworden, weil sie nach dem Auszug der Klägerin am 31. Dezember 1981 über das Grundstück habe verfügen können (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH -) vom 2. Mai 1984 VIII R 276/81, BFHE 141, 498, BStBl II 1984, 820, 822).

Die Ausführungen zu § 82b EStDV verstießen gegen die Rechtsprechung des BFH (Hinweis auf das Urteil vom 26. Oktober 1977 VIII R 6/75, BFHE 123, 489, BStBl II 1978, 96, und Urteil vom 26. Oktober 1977 VIII R 111/74, BFHE 124, 498, BStBl II 1978, 367). Danach komme eine Nachholung der 1978 bis 1981 nicht in Anspruch genommenen Teilbeträge nicht in Frage.

Die Schuldzinsen könnten nicht im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen als Werbungskosten geltend gemacht werden, weil die Schuld nicht zur Erzielung von Kapitaleinkünften, sondern für das Haus aufgenommen worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage als unbegründet (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

1. Für das Streitjahr 1982 kann die Klägerin die mit dem verkauften Grundstück zusammenhängenden Aufwendungen nicht mehr als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§§ 9, 21 EStG) geltend machen.

a) Aufwendungen mit Bezug zu einem Wirtschaftsgut, das beim Steuerpflichtigen nicht der Erzielung von Einnahmen im Rahmen einer Einkunftsart dient, können grundsätzlich keine Werbungskosten sein. Im Rahmen der Überschußeinkünfte (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG) fehlt ihnen der wirtschaftliche Zusammenhang mit einer Einkunftsart, d. h., sie sind nicht durch eine Einkunftsart veranlaßt. Das gilt auch für Aufwendungen auf Grundstücke und die Berücksichtigung der AfA (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7, § 7 EStG; vgl. BFH-Urteil vom 31. Oktober 1978 VIII R 196/77, BFHE 127, 168, BStBl II 1979, 401) sowie die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG. Im Streitfall ist das Grundstück 1981 verkauft und von der Klägerin endgültig geräumt worden, ferner sind Besitz und Nutzung auf die Erwerberin noch 1981 übergegangen.

Allerdings war die Wirksamkeit des Kaufvertrages von der Zustimmung des damaligen Ehegatten der Klägerin abhängig (§§ 1365, 1366 BGB); zu Beginn des Streitjahres war der Vertrag noch schwebend unwirksam. Das ändert aber nichts daran, daß das Grundstück 1982 tatsächlich von der Klägerin nicht mehr zur Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung genutzt wurde und nach ihrer Vorstellung auch nicht mehr genutzt werden sollte. Nach den Feststellungen des FG war das Wirksamwerden des Kaufvertrags nicht ernstlich in Frage gestellt, weil die Scheidung der Klägerin kurz bevorstand.

Aus diesen Gründen können 1982 weder Zinsen auf Schulden, die mit dem Grundstück zusammenhängen, noch die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG oder die anteiligen nach den §§ 82a und b EStDV verteilten Aufwendungen als Werbungskosten im Rahmen des § 21 EStG berücksichtigt werden.

b) Sie sind auch nicht unter dem Gesichtspunkt der vergeblichen Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.

Vergeblich sind Werbungskosten, wenn der Zusammenhang der Aufwendungen mit Einnahmen im Rahmen einer Einkunftsart zwar gegeben ist (und damit alle Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 EStG), wenn aber der konkrete Zweck der Aufwendungen nicht erreicht wurde, insbesondere die angestrebten Einnahmen nicht erzielt wurden (vgl. BFH-Urteil vom 8. März 1974 VI R 198/71, BFHE 112, 58, BStBl II 1974, 407). Werden Einnahmen nicht erzielt, weil der Steuerpflichtige freiwillig darauf verzichtet, z. B., indem er das der Erzielung von Einnahmen dienende Wirtschaftsgut verkauft, fehlt den Aufwendungen objektiv und subjektiv der Zusammenhang mit Einnahmen im Rahmen einer Einkunftsart.

c) Auch nachträgliche Werbungskosten liegen nicht vor. Sie können zwar auch noch anfallen, wenn die Verwendung des Wirtschaftsguts zur Erzielung von Einkünften freiwillig beendet worden ist. Der wirtschaftliche Zusammenhang mit den Einkünften ist dann aber nur gegeben, wenn die Aufwendungen in dem Zeitraum veranlaßt werden, in dem noch Einkünfte im Rahmen der Einkunftsart erzielt wurden. Die auf das Streitjahr entfallenden Zinsen sind keine nachträglichen Werbungskosten, weil 1982 keine Einnahmen aus dem Haus mehr erzielt wurden und auch nicht erzielt werden sollten (BFH-Urteil vom 21. Dezember 1982 VIII R 48/82, BFHE 138, 47, BStBl II 1983, 373).

d) Allerdings hat die Klägerin die Zinsen nur unfreiwillig deshalb zahlen müssen, weil sie den Kredit aufgrund des Verhaltens ihres damaligen Ehemannes nicht 1981 zurückzahlen konnte. Der Zwang zu einer Aufwendung, hier zur Zahlung der Schuldzinsen, schafft aber noch keinen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Aufwendung und einer Einkunftsart, hier also zwischen den Zinszahlungen und den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Dieser Zusammenhang war mit der Veräußerung des Grundstücks unterbrochen. Danach waren die Zinszahlungen entscheidend durch das Verhalten des Ehemannes verursacht. Dieses Verhalten hängt aber mit dem Verkauf des Grundstücks und nicht mehr mit seiner früheren Nutzung zur Erzielung von Einnahmen zusammen.

e) Sind Aufwendungen auf mehrere Veranlagungszeiträume verteilt, wie z. B. in Form der AfA oder gemäß § 82a EStDV, kommt es für die Frage, ob sie durch eine Einkunftsart veranlaßt sind, auf die Nutzung des angeschafften Wirtschaftsguts zur Erzielung von Einkünften im jeweiligen Veranlagungszeitraum an. Der Zusammenhang mit der Einkunftsart ist in jedem Veranlagungszeitraum erneut festzustellen, als ob die anteiligen Aufwendungen erst in diesem Veranlagungszeitraum getätigt worden wären. Das gilt grundsätzlich auch für die nach § 82a EStDV verteilten Aufwendungen.

Ob hinsichtlich der Aufwendungen, die die Klägerin gemäß den §§ 82a und b EStDV geltend gemacht hat, § 82b Abs. 2 EStDV gilt, kann offenbleiben. Der nicht berücksichtigte Teil der Aufwendungen könnte nur im Jahr der Veräußerung des Grundstücks abgesetzt werden. Das Grundstück ist aber nicht im Streitjahr 1982, sondern bereits 1981 veräußert worden.

Was unter der Veräußerung des Gebäudes i. S. des § 82b Abs. 2 EStDV zu verstehen ist, gibt die Vorschrift nicht ausdrücklich an. § 82b Abs. 2 EStDV geht davon aus, daß vom Veranlagungszeitraum der Veräußerung an die weitere Berücksichtigung der nach § 82b Abs. 1 EStDV verteilten und noch nicht berücksichtigten Aufwendungen an sich nicht mehr möglich ist; mit der Veräußerung wird nämlich das Wirtschaftsgut regelmäßig nicht mehr zur Erzielung von Einkünften beim Veräußerer genutzt. Aufgrund dieser Verbindung zwischen Veräußerung und Nutzung des Wirtschaftsguts zur Erzielung von Einkünften (vgl. auch § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG) ist der Senat mit dem FG der Auffassung, daß unter Veräußerung i. S. des § 82b Abs. 2 EStDV nicht nur der Kaufvertrag, sondern dieser in Verbindung mit der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums gemeint ist.

Das wirtschaftliche Eigentum am Grundstück und Gebäude (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977) ist aber bereits 1981 auf die Erwerberin übergegangen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 141, 498, BStBl II 1984, 820 zu II.2. a), und vom 10. April 1973 VIII R 157/72, BFHE 109, 263, BStBl II 1973, 595; weitere Nachweise bei Fischer in Hübschmann / Hepp / Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 39 AO 1977 Rdnr. 54). Nach dem Kaufvertrag war das Nutzungsrecht am 20. Dezember 1981 auf die Erwerberin übergegangen. Nach dem Auszug der Klägerin am 31. Dezember 1981 konnte die Erwerberin von ihrem Recht auch tatsächlich Gebrauch machen (die Klägerin hätte ab 1. Januar 1982 Miete zahlen müssen). Daß die Erwerberin erst am 2. Januar 1982 von ihrem Nutzungsrecht durch Einzug in das Haus Gebrauch gemacht hat, ist für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums unerheblich.

2. Die auf die Zeit nach dem 31. Dezember 1981 entfallenden Zinsen sind auch keine Werbungskosten bei den Einkünften aus Kaptialvermögen (§ 20 EStG); sie stehen nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Einnahmen aus dieser Einkunftsart (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG).

Die Zinsen hängen mit Aufwendungen für das Haus zusammen. Das Haus diente bis Ende 1981 der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Dieser Zusammenhang zwischen Zinsen und Darlehen auf der einen Seite und dem Grundstück (Haus) auf der anderen Seite bleibt auch nach der Veräußerung des Hauses bestehen, es sei denn, die Beteiligten treffen eine Vereinbarung, die auf eine neue Dahrlehensgewährung hinausläuft. Eine solche Vereinbarung ist jedenfalls nicht schon darin zu sehen, daß die Klägerin das Darlehen - gezwungenermaßen - zunächst nicht zurückgezahlt hat. Die Kaufpreisforderung tritt nicht ohne weiteres an die Stelle des Grundstücks (anderer Ansicht FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11. April 1984 6 K 101/82, rkr, Entscheidungen der Finanzgerichte 1984, 612). Der wirtschaftliche Zusammenhang der Zinsen (Darlehen) mit der Einkunftsart (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG) wird durch die Verwendung der Darlehensvaluta geschaffen. Er besteht im Streitfall nicht zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Darüber hinaus fehlt es an jedem Anhaltspunkt dafür, daß das Darlehen subjektiv - d. h. in der Vorstellung der Klägerin - der Finanzierung der Kaufpreisforderung diente (vgl. auch BFH-Urteil vom 15. Januar 1980 VIII R 70/78, BFHE 130, 147, BStBl II 1980, 348; ferner Urteil vom 17. April 1985 I R 101/81, BFHE 143, 563, BStBl II 1985, 510).

3. Die als sonstige Kosten geltend gemachten . . . DM hat das FG zu Recht nicht zum Abzug als Werbungskosten zugelassen, weil die Klägerin den Zusammenhang der Aufwendungen mit einer Einkunftsart nicht dargelegt hat und er auch sonst nicht erkennbar ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417285

BFH/NV 1991, 294

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