Leitsatz (amtlich)

Hat das FA einen Steuererstattungsbetrag aufgrund einer ihm angezeigten Abtretung an einen Dritten (Zessionar) ausgezahlt, so richtet sich sein Rückforderungsanspruch wegen rechtsgrundloser Erstattung gegen den Zessionar. Das gilt auch dann, wenn die Abtretung unwirksam ist.

 

Orientierungssatz

1. Für die Finanzverwaltung ergibt sich aus § 37 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 ein öffentlich-rechtlicher Rückforderungsanspruch, wenn der Rechtsgrund für eine Steuererstattung von Anfang an fehlt oder später weggefallen ist. Er ist als Ausdruck eines übergeordneten und allgemein herrschenden Prinzips, daß derjenige, der vom Staat auf Kosten der Allgemeinheit etwas erhalten hat, grundsätzlich verpflichtet ist, das Erhaltene zurückzuzahlen, von der Rechtsprechung und Rechtslehre bereits vor Inkrafttreten der AO 1977 anerkannt worden (vgl. BFH-Urteil vom 12.11.1985 VII R 119/81).

2. Die in § 46 Abs. 3 AO 1977 vorgeschriebene formalisierte Abtretungsanzeige soll die Zedenten --insbesondere Lohnsteuerpflichtige-- davor schützen, ihre Erstattungsansprüche unüberlegt, zu unangemessenen Bedingungen oder an unseriöse Zessionare abzutreten; darüber hinaus soll sie dem FA die Bearbeitung der Erstattungsanträge erleichtern (vgl. BFH-Urteil vom 25.6.1985 VII R 195/82). Dieser auf den Zedenten und das FA beschränkte Schutzzweck ist auch zu beachten, wenn das FA in Kenntnis der Unrichtigkeit der Abtretungsanzeige an den Zessionar leistet.

3. NV: Der öffentlich-rechtliche Erstattungs-(Rückforderungs-) Anspruch ist als Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis in § 37 Abs. 2 AO 1977 eigenständig geregelt. Auf ihn können die bürgerlich-rechtlichen Bereicherungsansprüche weder unmittelbar noch analog angewendet werden (Literatur). Das gilt auch für die auf diesem Rechtsgebiet entwickelten Auslegungsgrundsätze, insbesondere soweit sie --wie die Lehre von der Doppelkondiktion-- den Zweck verfolgen, jedem Glied der Bereicherungskette seine Einwendungen, Aufrechnungsmöglichkeiten und Gegenrechte gegen seinen Vormann zu erhalten. § 37 Abs. 2 AO 1977 begründet ausschließlich einen Erstattungsanspruch gegen den Leistungsempfänger (Literatur).

4. NV: Der Abtretungsempfänger ist am Steuerfestsetzungsverfahren nicht beteiligt; ihm wird nur der reine Zahlungsanspruch, d.h. also die Rechtsstellung des Abtretenden im Erhebungsverfahren, übertragen (vgl. BFH-Rechtsprechung). Dem Zessionar braucht daher ein geänderter Steuerbescheid nicht bekanntgegeben zu werden; er ist auch zu dem diesen Bescheid betreffenden Verwaltungsverfahren nicht beizuladen (Literatur).

 

Normenkette

AO 1977 § 37 Abs. 2 S. 2, § 46 Abs. 2-3, 5

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 01.12.1982; Aktenzeichen X 363/81)

 

Tatbestand

I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) von der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) --einer Bank-- als Zessionarin Steuern zurückverlangen kann, die aufgrund einer --unwirksamen-- Abtretung an die Klägerin ausgezahlt worden waren.

Die Steuerpflichtige Frau S reichte im Zusammenhang mit einer Betriebsübernahme eine Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat September 1980 mit einer negativen Umsatzsteuerschuld in Höhe von 44 590 DM beim FA ein. Sie trat diesen Umsatzsteuererstattungsanspruch an die Klägerin ab. Die dem FA eingereichte Abtretungsanzeige entspricht nicht der in § 46 Abs.3 der Abgabenordnung (AO 1977) vorgeschriebenen Form (amtlich vorgeschriebener Vordruck). Das FA überwies den Erstattungsbetrag unter Hinweis auf die Abtretung seitens Frau S auf dem Überweisungsträger an die Klägerin. Nachdem sich herausgestellt hatte, daß die Betriebsübernahme nicht zur Durchführung gelangen würde, änderte das FA mit Bescheid vom 18.Dezember 1980 gegenüber Frau S die Umsatzsteuervorauszahlungsschuld für September 1980 auf 0 DM ab. Es forderte von der Klägerin durch Rückforderungsbescheid vom 9.Dezember 1980 den ihr überwiesenen Umsatzsteuererstattungsbetrag von 44 590 DM zurück. Der Einspruch und die Klage der Klägerin gegen den Rückforderungsbescheid, mit denen diese geltend machte, die Rückzahlung könne nur von Frau S verlangt werden, blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1983, 388 veröffentlicht.

Die Klägerin hat gegen das Urteil Revision eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht das Bestehen eines Rückforderungsanspruchs des FA gegen die Klägerin bejaht.

1. Ist eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, nach § 37 Abs.2 AO 1977 an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrages. Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt (§ 37 Abs.2 Satz 2 AO 1977). Für die Finanzverwaltung ergibt sich aus dieser Vorschrift ein öffentlich-rechtlicher Rückforderungsanspruch, wenn der Rechtsgrund für eine Steuererstattung von Anfang an fehlt oder später weggefallen ist. Er ist als Ausdruck eines übergeordneten und allgemein herrschenden Prinzips, daß derjenige, der vom Staat auf Kosten der Allgemeinheit etwas erhalten hat, grundsätzlich verpflichtet ist, das Erhaltene zurückzuzahlen, von der Rechtsprechung und Rechtslehre bereits vor Inkrafttreten der AO 1977 anerkannt worden (vgl. Urteil des Senats vom 12.November 1985 VII R 119/81, BFH/NV 1986, 642, 643).

Der Rückforderungsanspruch richtet sich gegen den "Leistungsempfänger", der in Fällen, in denen an dem Erstattungsvorgang mehrere Personen beteiligt waren, mit dem Empfänger der Zahlung (Überweisung) nicht identisch sein muß (vgl. BFH-Urteil vom 22.August 1980 VI R 102/77, BFHE 131, 371, BStBl II 1981, 44, 46, 47, und Beschluß des Senats vom 8.April 1986 VII B 128/85, BFHE 146, 229, BStBl II 1986, 511, 513). Der BFH hatte Gelegenheit, über verschiedene Rückforderungssachverhalte, in denen der Erstattungsbetrag an einen Dritten ausgezahlt worden war, zu entscheiden. Er ist dabei hinsichtlich der Person des Leistungsverpflichteten --auch für den hier maßgeblichen Fall der Abtretung-- zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt.

a) In seinem Urteil vom 20.März 1964 (HFR 1964, 462; Steuerrechtsprechung in Karteiform --StRK--, Reichsabgabenordnung, § 150, Rechtsspruch 17) hat der V.Senat des BFH einen Rückforderungsanspruch des FA gegen einen Zessionar, dem vom Steuerpflichtigen (Zedenten) ein nicht bestehender Erstattungsanspruch abgetreten und an den die Auszahlung erfolgt war, abgelehnt. Er hat ausgeführt, der Rückforderungsanspruch betreffe als umgekehrter Erstattungsanspruch das Rechtsverhältnis zwischen dem FA und dem Steuerpflichtigen und müsse daher gegen den Steuerpflichtigen geltend gemacht werden. Dagegen hat der VI.Senat entschieden, daß das FA, das einen durch Fälschung von Lohnsteuerbescheinigungen erschlichenen Erstattungsbetrag an einen Dritten auszahlt, an den der angebliche Erstattungsanspruch abgetreten wurde (Zessionar), seinen Rückforderungsanspruch gegen den Zessionar geltend machen kann (Urteil vom 29.Juni 1978 VI R 20/77, BFHE 125, 343, BStBl II 1978, 608). Das von der vorstehend zitierten Entscheidung des V.Senats des BFH abweichende Ergebnis rechtfertigt der VI.Senat damit, daß im Fall des V.Senats ein wirksames Steuerschuldverhältnis bestanden habe, während in seinem Falle nur ein durch Täuschung vom FA irrig angenommenes Steuerschuldverhältnis vorgelegen habe.

Nach einer neueren Entscheidung des BFH entsteht, wenn das FA ohne rechtlichen Grund an einen am Steuerschuldverhältnis unbeteiligten Dritten leistet, durch die fehlgeleitete Zahlung ein ausschließlich auf Beseitigung der unrechtmäßigen Zahlung gerichtetes Steuerschuldverhältnis und mit dem Zugang der fehlgeleiteten Zahlung ein Anspruch auf Rückzahlung gemäß § 37 Abs.2 AO 1977 (Urteil vom 18.Juni 1986 II R 38/84, BFHE 146, 519, BStBl II 1986, 704). Dagegen wird der Zahlungsempfänger dann nicht als Leistungsempfänger i.S. des § 37 Abs.2 AO 1977 angesehen, wenn er lediglich als Vertreter, Bote oder Zahlstelle für den nach dem Steuerrecht Erstattungsberechtigten aufgetreten ist (Urteil in BFHE 131, 371, BStBl II 1981, 44 --anders beim Strohmann--), oder wenn --worauf sich auch die Revision beruft-- das FA aufgrund einer Zahlungsanweisung des Erstattungsberechtigten an einen Dritten ausgezahlt hat (Beschluß in BFHE 146, 229, BStBl II 1986, 511; Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8.Aufl., § 37 AO 1977 Anm.71). Der Rückforderungsanspruch des FA bei rechtsgrundloser Erstattung richtet sich in den letztgenannten Fällen gegen den Vertretenen bzw. gegen den anweisenden angeblichen Erstattungsberechtigten.

b) Für den im Streitfall vorliegenden Fall der Abtretung eines Steuererstattungsanspruchs und der Auszahlung des Erstattungsbetrages an den Abtretungsempfänger (Zessionar) wird im Schrifttum überwiegend die Auffassung vertreten, daß sich der Rückforderungsanspruch des FA bei rechtsgrundloser Erstattung --auch im Rahmen eines bestehenden Steuerschuldverhältnisses (anders der V.Senat des BFH, vgl. oben)-- gegen den Zessionar richtet. Dieser wird als Leistungsempfänger i.S. des § 37 Abs.2 AO 1977 angesehen, weil das FA willentlich an ihn geleistet hat und er den ohne rechtlichen Grund ausgezahlten Betrag aus eigenem --erworbenen-- Recht erhalten hat (vgl. Tiedtke, Der Rückforderungsanspruch des FA als erneuter Steueranspruch, Finanz-Rundschau --FR-- 1980, 1 ff.; Offerhaus, a.a.O., § 37 AO 1977 Anm.74; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12.Aufl., § 37 AO 1977 Tz.31; Schwarz, Abgabenordnung, § 37 Anm.15 a; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 3.Aufl., § 37 Anm.6; a.A. Drenseck, Das Erstattungsrecht der AO 1977, S.85, 86). Der erkennende Senat schließt sich dieser auch vom FG vertretenen Auffassung an, deren Gültigkeit für den Fall der Wirksamkeit der Abtretung auch von der Klägerin nicht ernsthaft in Zweifel gezogen wird.

Seit dem Inkrafttreten der AO 1977 ist der Rückforderungsanspruch (Erstattungsanspruch des FA) als selbständiger Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis geregelt (vgl. § 37 Abs.1 und 2 AO 1977). Er hat zum Ziel, zu Unrecht auf Kosten der Allgemeinheit erfolgte Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen. Ist eine Steuererstattung ohne rechtlichen Grund an einen Zessionar erfolgt, so besteht kein Grund, diesen vor dem Rückforderungsanspruch des FA zu schützen, denn der Zessionar hatte im Wege der Abtretung von vornherein nur eine vermeintliche Forderung erworben. Da er in die Rechtsstellung des Zedenten eingetreten ist, ist es gerechtfertigt, ihn als Leistungsempfänger i.S. des § 37 Abs.2 AO 1977 anzusehen.

Dies gilt nicht nur, wie der BFH in seinem Urteil in BFHE 125, 343, BStBl II 1978, 608 entschieden hat, für Rückforderungsansprüche infolge vorgetäuschter Steuerschuldverhältnisse, sondern auch dann, wenn zwischen dem FA und dem Zedenten (vermeintlichen Erstattungsgläubiger) ein wirksames Steuerschuldverhältnis besteht. Wenn auch der Rückforderungsanspruch als umgekehrter Erstattungsanspruch bezeichnet werden kann, so ist er doch jetzt ein eigenständig geregelter Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis und als solcher nicht identisch mit dem ursprünglichen Steueranspruch (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 37 AO 1977 Tz.30). Es ist deshalb rechtlich nicht zu begründen, daß der Rückforderungsanspruch bei Bestehen eines Steuerschuldverhältnisses nur gegen den ursprünglichen Steuerpflichtigen, den Zedenten, geltend gemacht werden könnte (zum vorstehenden Absatz vgl. Tiedtke, FR 1980, 1 ff., der darauf hinweist, daß auch nach dem Bereicherungsrecht des BGB der Abtretungsempfänger in Anspruch zu nehmen wäre). Die der Rechtsauffassung des Senats entgegenstehende Entscheidung des V.Senats in HFR 1964, 462, StRK, Reichsabgabenordnung, § 150, Rechtsspruch 17 veranlaßt nicht zu einer Vorlage der Rechtsfrage an den Großen Senat des BFH (§ 11 Abs.3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), da sie zur Rechtslage vor der Geltung des § 37 Abs.2 AO 1977 ergangen ist; im übrigen wäre die Anrufung des Großen Senats wegen Divergenz unzulässig, weil die Entscheidung des V.Senats kein sog. S-Urteil war (§ 184 Abs.2 Nr.5 FGO i.V.m. § 64 der Reichsabgabenordnung --AO--; ebenso v. Bornhaupt, Betriebs-Berater --BB-- 1978, 1398, 1399). Der Senat braucht deshalb nicht zu entscheiden, ob der im Streitfall zurückgeforderte Erstattungsbetrag auf einem (wirksamen) Steuerschuldverhältnis zwischen der Zedentin und dem FA beruhte.

2. a) Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin muß in den Fällen der rechtsgrundlosen Erstattung an den Abtretungsempfänger der Rückforderungsanspruch des FA auch dann gegen den Zessionar geltend gemacht werden, wenn die Abtretung --wie im Streitfalle-- wegen Formmangels der Abtretungsanzeige nach § 46 Abs.2 und 3 AO 1977 unwirksam ist (ebenso: Offerhaus, a.a.O., § 37 AO 1977 Anm.74; Tipke/Kruse, a.a.O., § 37 AO 1977 Tz.31). Die Unwirksamkeit der Abtretung ändert nichts daran, daß der Zessionar Leistungsempfänger geworden ist. Er ist, wenn die Abtretung an ihn nicht wirksam geworden ist, gegenüber dem Rückforderungsanspruch des FA um so weniger schutzwürdig, als er nunmehr aus einem doppelten Grund --gegenüber dem FA und gegenüber dem Zedenten-- kein Recht hat, den Erstattungsbetrag zu behalten. Die Revision irrt, wenn sie meint, mangels Wirksamkeit der Abtretung bestehe kein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis zum FA. Ein solches entsteht, wie der BFH im Urteil in BFHE 146, 519, BStBl II 1986, 704 entschieden hat, bereits mit der fehlgeleiteten Zahlung an einen am ursprünglichen Steuerschuldverhältnis unbeteiligten Dritten; es ist in diesem Falle ausschließlich auf die Beseitigung der unrechtmäßigen Vermögensverschiebung gerichtet.

b) Der Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs gemäß § 37 Abs.2 AO 1977 gegen die Klägerin als Zessionarin steht nicht entgegen, daß der zuständige Beamte des FA den Formmangel der Abtretungsanzeige erkannt, das FA also in Kenntnis der Unwirksamkeit der Abtretung des Erstattungsanspruchs an die Klägerin gezahlt hat (ebenso Klein/Orlopp, a.a.O., § 37 Anm.6).

Die in § 46 Abs.3 AO 1977 vorgeschriebene formalisierte Abtretungsanzeige soll die Zedenten --insbesondere Lohnsteuerpflichtige-- davor schützen, ihre Erstattungsansprüche unüberlegt, zu unangemessenen Bedingungen oder an unseriöse Zessionare abzutreten; darüber hinaus soll sie dem FA die Bearbeitung der Erstattungsanträge erleichtern (Urteil des Senats vom 25.Juni 1985 VII R 195/82, BFHE 144, 2, 5, BStBl II 1985, 572, m.w.N.). Dieser auf den Zedenten und das FA beschränkte Schutzzweck ist auch zu beachten, wenn das FA in Kenntnis der Unrichtigkeit der Abtretungsanzeige an den Zessionar leistet. Nach § 46 Abs.5 AO 1977 (ebenso § 409 Abs.1 Satz 1 BGB) müssen Abtretender und Abtretungsempfänger der Finanzbehörde gegenüber die angezeigte Abtretung gegen sich gelten lassen, auch wenn sie nicht erfolgt oder nicht wirksam ist. Das FA braucht also die Wirksamkeit der Abtretung nicht zu prüfen. Es kann, wenn ihm die Abtretung angezeigt ist, grundsätzlich auch dann mit befreiender Wirkung an den Abtretungsempfänger leisten, wenn es positiv weiß, daß die Abtretungsanzeige nicht der vorgeschriebenen Form entspricht oder die Abtretung aus sonstigen Gründen unwirksam ist (vgl. Klein/Orlopp, a.a.O., § 46 Anm.7; Tipke/Kruse, a.a.O., § 46 AO 1977 Tz.7).

Gegen dieses Ergebnis wird zwar im Schrifttum eingewendet, das FA bedürfe nicht des Schutzes des § 46 Abs.5 AO 1977, wenn es die Fehlerhaftigkeit der Abtretungsanzeige erkannt hat (vgl. Offerhaus, a.a.O., § 46 AO 1977 Anm.32; Urban, Anzeige der Abtretung nach § 46 Abs.2 AO und Schutzwirkung des § 46 Abs.5 AO, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1980, 329). Diese Einwendungen betreffen aber allein das Verhältnis des FA zum Zedenten (Altgläubiger): Diesem gegenüber soll das FA nicht frei werden, wenn es trotz Kenntnis der Unwirksamkeit oder Nichtigkeit der Abtretung an den Zessionar leistet. Der Zessionar kann sich aber --wie das FG zu Recht erkannt hat-- nicht auf eine fehlerhafte Ermessensausübung des FA berufen, wenn der Erstattungsbetrag der Abtretungsanzeige entsprechend an ihn ausgezahlt worden ist. Er ist --wie oben ausgeführt worden ist-- weder in den Schutzzweck der formalisierten Abtretungsanzeige einbezogen noch gilt der Schutzgedanke des § 46 Abs.5 AO 1977, der hier eingeschränkt auszulegen sein mag, ihm gegenüber (vgl. Klein/Orlopp, a.a.O., § 46 Anm.7). Das FA kann deshalb, gerade wenn ihm der Schuldnerschutz nach § 46 Abs.5 AO 1977 nicht zugute kommt, den erstatteten Betrag nach § 37 Abs.2 AO 1977 von dem nicht berechtigten Abtretungsempfänger zurückfordern (vgl. Offerhaus, a.a.O., § 46 AO 1977 Anm.32).

++/ 3. Auch soweit die Klägerin mit der Revision über die vorstehenden Erörterungen hinaus Einwendungen gegen ihre Inanspruchnahme durch den Rückforderungsbescheid des FA erhebt, greifen diese nicht durch.

a) Das FG hat es mit Recht abgelehnt, die unwirksame Abtretung in eine Zahlungsanweisung der Frau S mit der Folge umzudeuten, daß die Klägerin lediglich als Zahlstelle der Frau S und somit diese als Leistungsempfängerin anzusehen sei. Es hat zutreffend auf die unterschiedliche Interessenlage der Beteiligten bei den beiden Rechtsinstituten und auf die Tatsache hingewiesen, daß die Klägerin dem FA gegenüber als Gläubigerin des Erstattungsanspruchs aufgetreten ist. Der Hinweis in der Abtretungsanzeige, daß der abgetretene Betrag nunmehr rechtswirksam nur noch an die Klägerin gezahlt werden könne, betraf diese als Zessionarin und nicht als Anweisungsempfängerin. Für eine Umdeutung (§ 140 BGB) bestand auch kein Anlaß, weil das FA trotz der Unwirksamkeit nach § 46 Abs. 2 und 3 AO 1977 die Abtretung als wirksam behandelt und den abgetretenen Erstattungsbetrag an die Klägerin ausbezahlt hat, wozu es --wie oben ausgeführt-- nach § 46 Abs. 5 AO 1977 berechtigt war. Im übrigen begründet die Anweisung schuldrechtliche Beziehungen zwischen anderen Beteiligten als die Abtretung (vgl. §§ 783 und 398 BGB).

b) Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, daß im zivilrechtlichen Schrifttum für mit dem Streitfall vergleichbarer Dreiecksverhältnisse bei einem "Doppelmangel in der Bereicherungskette", d.h. bei einem Mangel sowohl des Deckungsverhältnisses als auch des Valutaverhältnisses, der unmittelbare Durchgriff des Leistenden gegenüber dem Gläubiger des Valutaverhältnisses (Leistungsempfänger) abgelehnt und eine Doppelkondiktion innerhalb der einzelnen fehlerhaften Rechtsverhältnisse gefordert wird (vgl. Palandt/Thomas, Bürgerliches Gesetzbuch, 46. Aufl., § 812 Anm. 5 B. c, ee, m.w.N.; offengelassen im Urteil des BGH vom 29. Mai 1967 VII ZR 66/65, BGHZ 48, 70, 72). Diese Betrachtungsweise schließt aber im Streitfall den Rückforderungsanspruch des FA gegen die Klägerin nicht aus.

Wie oben ausgeführt ist der öffentlich-rechtliche Erstattungs- (Rückforderungs-)Anspruch als Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis in § 37 Abs. 2 AO 1977 eigenständig geregelt. Auf ihn können die bürgerlich-rechtlichen Bereicherungsansprüche (§§ 812 ff. BGB) weder unmittelbar noch analog angewendet werden (Tipke/Kruse, a.a.O., § 37 AO 1977 Tz. 25, m.w.N.). Das gilt auch für die auf diesem Rechtsgebiet entwickelten Auslegungsgrundsätze, insbesondere soweit sie --wie die Lehre von der Doppelkondiktion-- den Zweck verfolgen, jedem Glied der Bereicherungskette seine (schuldrechtlichen) Einwendungen, Aufrechnungsmöglichkeiten und Gegenrechte gegen seinen Vormann zu erhalten. Im übrigen wird auch im Zivilrecht der unmittelbare Durchgriff gegen den Leistungsempfänger in den Fällen für zulässig angesehen, in denen eine Beeinträchtigung der Rechte des Empfängers sowie der Zwischenperson nicht in Frage steht (Palandt/Thomas, a.a.O., m.w.N.). Im Streitfall ist nicht ersichtlich, welche Rechte der Klägerin und der Zedentin durch die unmittelbare Inanspruchnahme der Klägerin beeinträchtigt werden könnten.

c) Neben dem Rückforderungsanspruch gegen die Klägerin (Zessionarin) besteht kein öffentlich-rechtlicher Anspruch gegen die Zedentin des angeblichen Erstattungsanspruchs. Denn § 37 Abs. 2 AO 1977 begründet ausschließlich einen Erstattungsanspruch gegen den Leistungsempfänger; die Zedentin hat aber den vom FA ausgezahlten Betrag nicht erhalten (ebenso: Offerhaus, a.a.O., § 37 AO 1977 Anm. 74; Klein/Orlopp, a.a.O., § 37 Anm. 3; Tipke/Kruse, a.a.O., § 37 AO 1977 Tz. 31; Tiedtke, FR 1980, 1, 5; a.A. v. Bornhaupt, BB 1978, 1398, 1399).

Der Senat braucht nicht zu prüfen, ob dem FA gegenüber der Zedentin --wie die Klägerin meint-- ein Schadensersatzanspruch nach den Vorschriften über die unerlaubte Handlung --hier nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB-- zusteht (so auch Tiedtke, FR 1980, 6, und Offerhaus, a.a.O., § 37 AO 1977 Anm. 74). Auch wenn das der Fall wäre, müßte die Geltendmachung des öffentlich-rechtlichen Rückforderungsanspruchs durch Verwaltungsakt, mit dem die ungerechtfertigte Vermögensverschiebung unmittelbar beseitigt wird, für das FA als vorrangig angesehen werden gegenüber dem im Wege der Klage vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machenden Anspruch auf Schadensersatz. Der Erlaß des Rückforderungsbescheids gegen die Klägerin stellt also auch unter Berücksichtigung etwaiger zivilrechtlicher Ansprüche gegen die Zedentin keinen Ermessensfehlgebrauch dar. Aus diesem Grunde fehlt es auch an dem von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensfehler, wenn das FG nicht geprüft hat, ob Frau S mit der Geltendmachung des Vorsteuererstattungsanspruchs einen Betrug zu Lasten des FA begangen hat. Das FG hatte ferner keinen Anlaß, den Sachverhalt dahin aufzuklären, ob Vollstreckungshandlungen gegen Frau S erfolgsversprechend gewesen wären.

d) In Rechtsprechung und Schrifttum ist umstritten, ob der Rückforderungsanspruch des FA bereits dadurch entsteht, daß der Erstattungsbetrag materiell-rechtlich ohne rechtlichen Grund ausgezahlt wird, oder ob es hierfür der Aufhebung oder Änderung des der Erstattung zugrunde liegenden Bescheides bedarf (wegen der hierzu vertretenen unterschiedlichen Meinungen vgl. die Zitate im BFH-Urteil vom 18. Dezember 1986 I R 52/83, BFHE 149, 440, 444, das der formellen Auffassung folgt). Der Senat kann im Streitfall diese Rechtsfrage dahingestellt lassen, denn Frau S (Zedentin) stand mangels entsprechender Umsätze der abgetretene Vorsteuererstattungsanspruch nicht zu und das FA hat auch einen geänderten Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid gegen sie erlassen, mit dem die Umsatzsteuer für September 1980 auf 0 DM festgesetzt worden ist. Die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs gegen die Klägerin als Zessionarin des Erstattungsanspruchs scheitert nicht daran, daß der Rückforderungsbescheid vom 9. Dezember 1980 bereits vor der Bekanntgabe des geänderten Umsatzsteuervorauszahlungsbescheides (vom 18. Dezember 1980) an die Klägerin ergangen ist.

Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens ist der Rückforderungsbescheid in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den gegen ihn eingelegten Einspruch gefunden hat (§ 44 Abs. 2 FGO). Im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung über den Rückforderungsbescheid (18. September 1981) war aber die Bekanntgabe des geänderten Vorauszahlungsbescheids erfolgt. Einer Heilung des Rückforderungsbescheids bedurfte es nicht, weil diese nur für Verfahrens- und Formfehler in Betracht kommt (vgl. §§ 126, 127 AO 1977). Bei der Änderung des Erstattungsbescheids handelt es sich aber --nach formeller Auffassung-- um eine materiell-rechtliche Voraussetzung des Rückforderungsanspruchs. Diese lag im Streitfall in dem für die Anfechtungsklage maßgeblichen Zeitpunkt (§ 44 Abs. 2 FGO) jedenfalls vor. Im übrigen weist das FA mit Recht darauf hin, daß der Erstattungsbetrag von der Klägerin ohne Rücksicht auf die Änderung des Umsatzsteuervorauszahlungsbescheids als fehlgeleitete Zahlung auch deshalb zurückgefordert werden konnte, weil die Abtretung an sie unwirksam war.

e) Der angefochtene Rückforderungsbescheid ist schließlich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht deshalb fehlerhaft, weil die Klägerin an dem Verwaltungsverfahren, das zur Berichtigung des Umsatzsteuervorauszahlungsbescheids gegenüber Frau S geführt hat, nicht beteiligt war. Der Senat folgt der ständigen Rechtsprechung des BFH, nach der der Abtretungsempfänger am Steuerfestsetzungsverfahren nicht beteiligt ist; ihm wird nur der reine Zahlungsanspruch, d.h. also die Rechtsstellung des Abtretenden im Erhebungsverfahren, übertragen (BFH-Urteile vom 21. März 1975 VI R 238/71, BFHE 115, 413, BStBl II 1975, 669; vom 25. April 1978 VII R 2/75, BFHE 125, 138, BStBl II 1978, 464; vom 23. Januar 1985 I R 64/81, BFHE 143, 252, BStBl II 1985, 330). Dem Zessionar braucht daher ein geänderter Steuerbescheid nicht bekanntgegeben zu werden, und er ist auch zu dem diesem Bescheid betreffenden Verwaltungsverfahren nicht beizuladen (vgl. Klein/Orlopp, a.a.O., § 46 Anm. 5; Halaczinsky in Koch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 46 Rdnr. 4; a.A. Tipke/Kruse, a.a.O., § 46 AO 1977 Tz. 11). /++

 

Fundstellen

Haufe-Index 62415

BFH/NV 1989, 5

BStBl II 1989, 223

BFHE 155, 40

BFHE 1989, 40

BB 1989, 550-551 (LT1)

DStR 1989, 532 (K)

HFR 1989, 227 (LT)

WPg 1989, 275 (S)

StRK, R.22 (LT)

NJW 1989, 2912

NJW 1989, 2912 (L)

DStZ/E 1989, 101 (K)

NVwZ 1989, 799-800 (LT)

ZfZ 1989, 116 (KT)

HV-INFO 1989, 2098 (LT)

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