Entscheidungsstichwort (Thema)

Entwicklung eines EDV-Programms für Steuerbelastungsvergleiche als mehrjährige Sondertätigkeit eines Diplomingenieurs i.S. d. § 34 Abs. 3 EStG

 

Leitsatz (NV)

1. Entwickelt ein angestellter Elektroingenieur für einen anderen Auftraggeber ein EDV-Programm für Steuerbelastungsvergleiche, so kann es sich um eine abgrenzbare selbständige Tätigkeit i.S. der Rechtsprechung zu § 34 Abs. 3 EStG handeln (Anschluß an BFH-Urteil vom 22.5. 1975 IV R 33/72, BFHE 116, 136, 138, BStBl II 1975, 765).

2. § 34 Abs. 3 EStG ist nur anwendbar, wenn der Steuerpflichtige in den Jahren, auf die die Einkünfte verteilt werden, mit Einkunfts- (Gewinnerzielungs-)absicht tätig war.

 

Normenkette

EStG §§ 18, 34 Abs. 3

 

Tatbestand

Der Kläger war in den Jahren 1987 bis 1988 als Diplomingenieur an einer Universität nichtselbständig an einem Forschungsprogramm (digitale Schaltkreise) tätig. Daneben beschäftigte er sich von Januar 1987 bis Oktober 1988 mit dem Entwurf eines EDV-Programms zum Vergleich steuerlicher Belastungen bei verschiedenen Rechtsformen. Die Anregung zu dieser Arbeit entstammte einer Teilnahme an einer studentischen Arbeitsgruppe im Rahmen eines wirtschaftswissenschaftlichen Aufbaustudiums. Erste Gespräche über eine kommerzielle Verwendung dieser Arbeit fanden im September 1988 statt. Der Kläger vereinbarte mit Prof.X, der zu dieser Zeit einen Auftrag für ein EDV-Programm zur Steuerplanungs- und -vergleichsrechnung erhalten hatte, das von ihm bereits erarbeitete EDV-Konzept in dieses Projekt einzubringen. Die Arbeit wurde im Jahr 1988 von Prof.X mit ... DM vergütet. Ab November 1988 gab der Kläger seine nichtselbständige Tätigkeit auf und meldete eine selbständige Tätigkeit an. Ab diesem Zeitpunkt arbeitete er ausschließlich als freiberuflicher Ingenieur und erzielte bis Ende 1988 weitere Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit.

In der Einkommensteuererklärung 1988 beantragte der Kläger, die im Jahre 1988 zugeflossenen Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit ... gemäß § 34 Abs. 3 EStG auch dem Jahre 1987 zuzuordnen, soweit die Einnahmen auf dieses Jahr entfielen ...

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte den Antrag auf Verteilung ab.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage statt.

Das FA stützt seine Revision auf Verletzung des § 34 Abs. 3 EStG.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen zur abschließenden Entscheidung über die Anwendbarkeit des § 34 Abs. 3 EStG 1987 nicht aus.

1. Nach § 34 Abs. 3 EStG 1987 unterliegen Einkünfte, die eine Entlohnung für eine Tätigkeit darstellen, die sich über mehrere Jahre erstreckt, der Einkommensteuer zu den gewöhnlichen Steuersätzen. Zum Zwecke der Einkommensteuerveranlagung können diese Einkünfte auf die Jahre verteilt werden, in deren Verlauf sie erzielt wurden und als Einkünfte eines jeden dieser Jahre angesehen werden, vorausgesetzt, daß die Gesamtverteilung drei Jahre nicht überschreitet.

2. Das FG hat zu Recht angenommen, daß der Kläger Einnahmen aus selbständiger Arbeit i.S. des § 18 EStG erzielte. Nach den Feststellungen des FG übte er im Streitjahr die Tätigkeit eines selbständigen Ingenieurs aus. Die selbständige Tätigkeit eines Diplomingenieurs ist grundsätzlich freiberufliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Ingenieur auf der Grundlage eines ergänzenden betriebswirtschatlichen Studiums ein EDV-Programm über rechtsformabhängige Steuerbelastungsvergleiche für die Arbeit von Steuerberatern erarbeitet und dafür ein Honorar bezieht.

3. Der Kläger übte diese Tätigkeit auch mehrjährig aus. Das Tatbestandsmerkmal mehrjährig ist bereits erfüllt, wenn die Tätigkeit in wenigstens zwei Veranlagungszeiträumen ausgeübt wird (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. Mai 1961 VI 107/59 U, BFHE 73, 364, BSTBl III 1961, 399; Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 12. Aufl., § 34 Anm. 19). Diese Voraussetzung ist erfüllt, da der Kläger das Programm in den Jahren 1987 und 1988 entwickelte.

4. a) Das FG hat ferner ohne Rechtsirrtum grundsätzlich bejaht, daß § 34 Abs. 3 EStG auf Einkünfte aus selbständiger Arbeit anwendbar ist (BFH-Urteil vom 22. Mai 1975 IV R 33/72, BFHE 116, 136, 138, BStBl II 1975, 765). Der Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG auf Einkünfte aus selbständiger Arbeit steht nicht entgegen, daß das Gesetz den Begriff Entlohnung verwendet. Zwar spricht der Begriff Entlohnung dafür, daß nur Vergütungen für nichtselbständige Arbeit als verteilungsfähig anzusehen sind. Das ist jedoch nicht der Fall, wie der BFH aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift abgeleitet hat (BFH in BFHE 116, 136, 139, BStBl II 1975, 765). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an.

b) Allerdings ist § 34 Abs. 3 EStG nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung auf Einkünfte aus selbständiger Arbeit nur anwendbar, wenn der Steuerpflichtige

- sich während mehrerer Jahre ausschließlich der einen Sache gewidmet und die Vergütung dafür in einem Veranlagungszeitraum erhalten hat oder

- wenn eine sich über mehrere Jahre erstreckende Sondertätigkeit, die von der übrigen Tätigkeit des Steuerpflichtigen ausreichend abgrenzbar ist und nicht zum regelmäßigen Gewinnbetrieb gehört, in einem Veranlagungszeitraum entlohnt wird (BFH in BFHE 116, 136, 138, BStBl II 1975, 765 m.w.N.).

Zumindest die zweite Voraussetzung ist gegeben. Der Kläger war während der Beschäftigung mit dem EDV-Programm als Angestellter der Universität mit einem Entwurf digitaler Schaltkreise befaßt. Diese Tätigkeit ist eine Ingenieuraufgabe aus dem Bereich der Mikroelektronik. Sie betrifft den Bereich der sog. Hardware und ist andersgeartet als die Entwicklung eines Software-Programms über rechtsformabhängige Steuerbelastungsvergleiche. Während die Tätigkeit am Entwurf digitaler Schaltkreise eine ingenieurtechnische Aufgabe ist, betrifft der steuerrechtliche Belastungsvergleich den betriebswirtschaftlichen Bereich der Zusatzausbildung des Klägers. Die Abgrenzung beider Tätigkeiten wird zusätzlich dadurch unterstrichen, daß der Kläger das EDV-Programm ohne jegliche Weisung und möglicherweise auch ohne Kenntnis seines Arbeitgebers (Universität Aachen) auf eigene Initiative entwickelte.

5. Das FG hat zu Unrecht nicht geprüft, ob der Kläger im Jahre 1987 mit Einkunftserzielungsabsicht handelte.

a) Voraussetzung einer Verteilung von Einkünften gemäß § 34 Abs. 3 EStG ist nach dem Wortlaut der Bestimmung, daß die zu verteilenden Einkünfte im Verlauf der Jahre erzielt wurden, auf die sie verteilt werden sollen. Die vom Kläger beantragte Verteilung auf die Jahre 1987 und 1988 setzt somit voraus, daß die zu verteilenden Einkünfte in diesen Jahren erzielt wurden. Dabei ist das Wort erzielen nicht mit beziehen oder zufließen gleichzusetzen. Wenn die Einkünfte in den einzelnen Jahren zugeflossen wären, bestünde kein Anlaß, sie zur Milderung der Progression auf mehrere Jahre zu verteilen. Vielmehr fließen die nach § 34 Abs. 3 EStG zu verteilenden Einkünfte gerade nicht in den Jahren der zugrundeliegenden Tätigkeit zu, sondern in einem einheitlichen Betrag in einem in der Regel späteren Veranlagungszeitraum.

b) Der Begriff des Erzielens steht in enger Beziehung mit der Tätigkeit, die letztlich zur Vergütung führt. Diese Tätigkeit darf aber nicht nur ein reines Tun außerhalb des Bereichs der Einkunftserzielung sein. Da die zu verteilenden Einkünfte in den Jahren der Verteilung erzielt sein müssen, müssen die Grundvoraussetzungen einer Einkunftserzielung in diesen Jahren gegeben sein. Eine der Grundvoraussetzungen der Erzielung von Einkünften aus selbständiger Arbeit ist jedoch nach dem Beschluß des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 766) eine Gewinnerzielungsabsicht. Gewinnerzielungsabsicht in diesem Sinne ist das Streben nach Betriebsvermögensmehrung in Gestalt eines Totalgewinns (BFH in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 766). Die Gewinnerzielungsabsicht muß vom Beginn bis zum Ende der steuerrechtlich relevanten Tätigkeit vorliegen (BFH in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 766). Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung konnte der Kläger in den Jahren 1987 und 1988 Einkünfte somit nur erzielen, wenn seine Tätigkeit während der gesamten in Betracht kommenden Zeit auf Mehrung eines Betriebsvermögens gerichtet war, d.h., wenn er sich von einer Gewinnerzielungsabsicht leiten ließ.

c) Das FG hat die diesem Tatbestandsmerkmal entsprechenden tatsächlichen Feststellungen nicht getroffen. Es hat dahinstehen lassen, ob der Kläger ab dem Beginn seiner Tätigkeit am EDV-Programm eine Gewinnerzielungsabsicht besaß. Diese Frage konnte jedoch nicht dahinstehen, da eine Verteilung der Einkünfte auf das Jahr 1987 eine Gewinnerzielungsabsicht in diesem Jahr voraussetzte. Für eine Gewinnerzielungsabsicht spricht, daß das vom Kläger konzipierte Programm über eine Übung zu Ausbildungszwecken hinausgehen dürfte. Rechtsformabhängige Steuerbelastungsvergleiche erfordern neben einer intensiven Einarbeitung in die erforderliche Programmiertechnik eine umfassende und eingehende Befassung mit Fragen des Steuerrechts.

Das FG wird die entsprechenden Feststellungen über das anhand äußerlicher Merkmale zu beurteilende subjektive Tatbestandsmerkmal noch treffen müssen.

6. Sollte der Kläger das EDV-Programm in den Jahren 1987/1988 ohne Gewinnerzielungsabsicht erstellt haben, kommt eine Veräußerung im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit in Betracht. Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß der Kläger das fertige Programm als immaterielles Wirtschaftsgut in das dieser Tätigkeit zuzuordnende Betriebsvermögen eingelegt und danach veräußert hat. Allerdings könnte die Einlage entgegen der Auffassung des Klägers nicht zum Teilwert bewertet werden, da das Programm innerhalb von drei Jahren vor der Zuführung hergestellt wurde (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG 1987). Eine Einlage könnte nur zu den Herstellungskosten bewertet werden, zu deren Höhe das FG in diesem Fall noch Feststellungen treffen müßte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419504

BFH/NV 1994, 775

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