Leitsatz (amtlich)

1. Die Aufrechnung mit einer gestundeten Steuerforderung setzt voraus, daß der Aufrechnungserklärung ein wirksamer Widerruf der Stundung vorangegangen ist.

2. Die Abtretung einer einzelnen Steuerforderung durch den Bund an ein Land oder umgekehrt zum Zweck der Aufrechnung gegen einen dem Steuerpflichtigen zustehenden Steuererstattungsanspruch verstößt nicht gegen das Grundgesetz, wenn dem Zedenten der Gegenwert der abgetretenen Forderung gutgebracht wird.

 

Normenkette

GG Art. 105 Abs. 1 Nr. 5, Art. 106 Abs. 6; BGB § 387 ff., § 398 ff.; AO §§ 124, 127, 159

 

Tatbestand

Die Klägerinnen und Revisionsbeklagten (Klägerinnen) sind in ungeteilter Erbengemeinschaft Eigentümerinnen des Grundstücks ...

Das FA X übermittelte dem Beklagten und Revisionskläger (FA Y) insgesamt acht Amtshilfeersuchen über die Pfändung von Mieten wegen Hypothekengewinnabgabe-(HGA)-Rückständen. Daraufhin führte das FA Y von August 1963 bis Januar 1969 mehrere Mietpfändungen durch und zog auf diese Weise insgesamt 17 257,88 DM ein. Davon überwies es der beauftragten Stelle, der ..., 16 723,97 DM und behielt 103 DM Vollstreckungskosten ein.

Über den verbliebenen Restbetrag von 430,91 DM erließ das FA Y gegenüber den Klägerinnen unter dem 14. Februar 1969 einen Bescheid, in dem es heißt, daß das FA namens des Landes und der Stadt Z aufgrund der Ermächtigung des BdF vom 23. Januar 1958 bzw. aufgrund der Ermächtigung des Senators für Finanzen vom 25. Juni 1958 die dem Land und der Stadt Z gegen die ungeteilte Erbengemeinschaft der Klägerinnen zustehenden Forderungen an Grundsteuer für das oben bezeichnete Grundstück für das IV. Quartal 1967 in Höhe von 411,75 DM und für das I. Quartal 1968 in Höhe eines Teilbetrages von 19,16 DM zwecks Einziehung an die BRD, vertreten durch das FA, abtrete. Weiter heißt es in dem Schreiben, daß die ungeteilte Erbengemeinschaft der Klägerinnen nunmehr der BRD, vertreten durch das FA, diese Grundsteuer in Höhe von insgesamt 430,91 DM schulde. Die Klägerinnen hätten andererseits eine Geldforderung an die BRD, vertreten durch das FA, aus überzahlter HGA 1968 für das vorbezeichnete Grundstück in Höhe von 430,91 DM. Das FA erkläre namens der BRD die Aufrechnung mit der Grundsteuerforderung gegen die Forderung der Klägerinnen.

Die zunächst ausgesprochene Stundung der Grundsteuer hatte das FA Y durch Bescheid vom 13. Februar 1969 insoweit widerrufen, als der überpfändete Betrag zur Begleichung der Steuerschulden ausreichte.

Gegen den Bescheid vom 14. Februar 1969 legten die Klägerinnen Beschwerde ein, mit der sie geltend machten, die Abtretung und Aufrechnung seien rechtswidrig, insbesondere deshalb, weil die Grundsteuer gestundet gewesen sei. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Die Klage führte zur Aufhebung des Bescheids vom 14. Februar 1969 und der Beschwerdeentscheidung vom 14. April 1969. Das FA wurde verurteilt, den überpfändeten Betrag von 430,91 DM an die Klägerinnen zu erstatten.

Das FG vertrat die Auffassung, daß es an der gemäß § 387 BGB für die Aufrechnung erforderlichen Gegenseitigkeit fehle. Nach Art. 105 Abs. 1 Nr. 5 GG stünden Lastenausgleichsforderungen ausschließlich dem Bund zu, während die Grundsteuer als eine Realsteuer nach Art. 106 Abs. 6 GG der gemeindlichen Steuerhoheit unterliege. Für die Abtretung der Grundsteuerforderung fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Eine Abtretung lediglich zur Einziehung lasse die Stellung des Gläubigers unberührt, so daß eine Aufrechnung nur im Verhältnis zwischen dem Ermächtigenden als Gläubiger und dem Schuldner zulässig sei.

Mit seiner Revision beantragt das FA Y die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird vorgetragen, das FG habe bei der Beurteilung der Abtretungserklärung offenbar die Ermächtigungen des BdF vom 23. Januar 1958 bzw. des Senators für Finanzen vom 25. Juni 1958 nicht berücksichtigt. Diese Ermächtigungen, auf die in der Verfügung vom 14. Februar 1969 ausdrücklich Bezug genommen werde, ließen deutlich erkennen, daß in ihnen keineswegs lediglich die Voraussetzungen für die Vornahme von Inkassozessionen geregelt werden sollten. Dies ergebe sich sowohl aus dem Zweck der Ermächtigungen als auch aus der in ihnen enthaltenen Regelung. Zweck dieser Verwaltungsanordnungen sei es gerade gewesen, mit Hilfe von Abtretungen die Aufrechnungslage herbeizuführen. Bereits daraus ergebe sich, daß in den Verwaltungsanordnungen Vollabtretungen gemeint gewesen seien, da anders der mit ihnen erstrebte Zweck gar nicht habe erreicht werden können. Die in der Abtretungsverfügung gewählte Formulierung "zwecks Einziehung" enthalte keine Aussage über die Qualität der dort ausgesprochenen Abtretung, sondern bringe lediglich zum Ausdruck, daß "der Zessionar dem abtretenden Gläubiger im Verrechnungswege den Gegenwert der abgetretenen Forderung gutzubringen hätte, sobald durch Aufrechnung Steuerforderung und Gegenanspruch erloschen seien". Das FG habe bei der Ermittlung des der Abtretungserklärung zugrunde liegenden Sachverhalts die hier angesprochenen Ermächtigungen offenbar nicht herangezogen. Es werde insoweit die Verletzung der dem FG obliegenden Aufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 FGO gerügt. Das FG habe in der mündlichen Verhandlung auch nicht zu erkennen gegeben, daß es trotz des in der Verfügung vom 14. Februar 1969 ausdrücklich enthaltenen Hinweises auf die oben genannten Ermächtigungen Zweifel an der rechtlichen Qualität der vom FA erklärten Abtretung als Vollabtretung im Sinne des § 398 BGB habe. Der Inhalt dieser Verwaltungsanordnungen sei deshalb zwischen den Beteiligten auch gar nicht erörtert worden. Das FG habe somit auch die Vorschrift des § 96 Abs. 2 FGO verletzt. Soweit sich das FG auf ein der Wirksamkeit der Abtretungserklärung vom 14. Februar 1969 entgegenstehendes Abtretungsverbot berufe, werde die fehlerhafte Anwendung der Art. 105, 106 GG gerügt. Die in diesen Artikeln getroffene Regelung der Ertragshoheit enthalte kein Verbot der Abtretung von Einzelforderungen durch die mit der Ertragshoheit ausgestattete Gebietskörperschaft. Durch die Einzelabtretung von Steuerforderungen werde die Verteilung der Ertragshoheit zwischen Bund und Ländern nicht berührt, da die mit der Hoheit ausgestattete Gebietskörperschaft über die Einzelforderung verfüge und die ihr von der Verfassung zugeordnete generelle Hoheit des Ertrags aus der jeweiligen Steuerart nicht aufgebe.

Die Klägerinnen beantragen, die Revision kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie machen geltend, eine Übervollstreckung sei stets rechtswidrig. Über einen rechtswidrig erlangten Geldbetrag könne die Behörde nicht anders gesetzmäßig verfügen als durch Rückzahlung an den, zu dessen Lasten gepfändet worden sei. Jede andere Vewendung eines rechtswidrig erlangten Geldbetrages sei erneut ein rechtswidriger Hoheitsakt wie auch die Überpfändung selbst.

Hinzu komme, daß die HGA keine Steuer im eigentlichen Sinne sei, sondern eine öffentliche Abgabe besonderer Art. Daher sei eine Gegenseitigkeit zwischen HGA und Grundsteuer oder deren Gläubigern nicht gegeben. Es mangle aber aus diesem Grunde auch an der Gleichartigkeit. Auch liege keine rechtswirksame Abtretung vor, sondern lediglich eine Einziehungsermächtigung, wie das FG zutreffend ausgeführt habe.

Aber selbst durch eine Abtretung lasse sich die Gegenseitigkeit nicht herbeiführen. Eine Abtretung wäre unwirksam, da zwei verschiedene Steuergläubiger auch nicht durch Abtretung sich wechselseitig ihre Steueransprüche austauschen könnten. Dies wäre ein Verstoß gegen die Rechtsnatur der Steuerhoheit.

Der Widerruf der Grundsteuer-Stundung habe erst wirksam werden können durch Zugang der Widerrufsverfügung bei den Pflichtigen. Gegen diese Widerrufsverfügung hätten die Pflichtigen die Rechtsmittelmöglichkeiten ausschöpfen können. Eine vor dem Zeitpunkt der Rechtskraft liegende Aufrechnungserklärung habe demnach keine Wirkung haben können.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG.

Die Aufrechnung seitens des Steuergläubigers wird allgemein für zulässig erachtet, und es wird angenommen, daß mangels besonderer Vorschriften über die Aufrechnung öffentlich-rechtlicher Forderungen die Vorschriften des BGB über die Aufrechnung (§§ 387 f.) sinngemäß Anwendung finden (vgl. Urteil des BFH vom 12. März 1963 VII 98/61 U, BFHE 76, 678, BStBl III 1963, 247). Nach § 387 BGB kann, wenn zwei Personen einander Leistungen schulden, die ihrem Gegenstande nach gleichartig sind, jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teiles aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann.

Die Klägerinnen meinen in Übereinstimmung mit dem FG, daß durch die Abtretung der Grundsteuerforderung an die BRD - vertreten durch das FA - die Gegenseitigkeit der beiden Forderungen nicht herbeigeführt worden sei. Der Senat hat in seinem vorgenannten Urteil VII 98/61 U, in dem er entschieden hat, daß für die Aufrechnung mit oder gegen Steuerforderungen als Steuergläubiger anzusehen ist, wem der Ertrag der Steuer zusteht, auch die Auffassung vertreten, daß gegen eine Abtretung von Steueransprüchen durch den Steuergläubiger zur Ermöglichung der Aufrechnung keine Bedenken bestehen, ebenso in dem weiteren Urteil vom 17. März 1964 VII 144/60 (HFR 1964, 258, StRK, Reichsabgabenordnung, § 120, Rechtsspruch 2 und § 124 Rechtsspruch 17). §§ 398 ff. BGB über die Übertragung von Forderungen beziehen sich, ausgenommen § 411 BGB, unmittelbar nur auf privatrechtliche Forderungen. Inwieweit diese Bestimmungen entsprechend auf öffentlich-rechtliche Ansprüche und Rechte angewendet werden können, hängt von der Art des Rechts und des Rechtsgebiets, dem dieses Recht zugehört, ab (vgl. Löscher in Das Bürgerliche Gesetzbuch, Kommentar, 1960, herausgegeben von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern - BGB-RGRK -, Anm. 5 vor § 398). Daß im Bereich des Steuerrechts Abtretungen zulässig sind, ergibt sich aus § 159 AO, wonach Erstattungs- und Vergütungsansprüche abgetreten werden können (vgl. Eckhardt, Steuerberaterjahrbuch 1961/62 S. 77 [103]). Eine ausdrückliche Regelung, daß auch Steueransprüche abgetreten werden können, enthält die AO nicht. Auch das GrStG - ein Anspruch auf Grundsteuer ist im Steitfalle abgetreten worden - besagt darüber nichts. Das Schweigen des Gesetzes bedeutet aber nicht, daß eine solche Abtretung nicht in sinngemäßer Anwendung der Vorschriften der §§ 398 ff. BGB zulässig wäre. So enthält die AO z. B. in § 124 nur die Regelung, daß der Steuerpflichtige aufrechnen kann, zur Aufrechnung durch den Steuergläubiger ist nichts gesagt (s. oben), weil es sich bei den Vorschriften des BGB über die Aufrechnung um einen Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens handelt (vgl. Mattern-Meßmer, Reichsabgabenordnung, § 124, Anm. 815) und die Reichsabgabenordnung die Aufrechnung durch den Steuerberechtigten daher als selbstverständlich ansieht (vgl. Tipke-Kruse, a. a. O., Rdnr. 5 zu § 124). Dementsprechend kann in Anbetracht dessen, daß eine Abtretung von Steueransprüchen durch das Gesetz nicht ausgeschlossen ist, gefolgert werden, daß eine Abtretung grundsätzlich möglich ist. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob es zulässig ist, daß ein Steuergläubiger einen Steueranspruch an eine Privatperson abtritt; denn im Streitfalle wurde der Grundsteueranspruch nicht an eine Privatperson, sondern an die BRD, also eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, die ebenfalls Steuerhoheit besitzt, abgetreten. Bei einem Schweigen des Gesetzes können hinsichtlich der Zulässigkeit der Abtretung nur das praktische Bedürfnis und die Verträglichkeit mit dem öffentlichen Interesse entscheidend sein (vgl. Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 112). Im Streitfall ist die Grundsteuerforderung, deren Ertrag dem Land Z zusteht (Art. 106 Abs. 6 GG) "zwecks Einziehung" an die BRD abgetreten worden. Das Land Z, dem die Ertragshoheit für die in Rede stehende Grundsteuer zusteht, hat sich also im Ergebnis nicht des Ertrags dieser Grundsteuer begeben, sondern für die Hereinholung dieses Betrages den Weg der Abtretung und gleichzeitigen Aufrechnung durch den Zessionar gewählt. Dies entsprach einem praktischen Bedürfnis und ist auch insofern bedenkenfrei, als das Land Z auch auf anderem Wege zu seinem Ziele hätte kommen können, nämlich durch Pfändung des Rückforderungsanspruchs. Die Abtretung war auch im öffentlichen Interesse geboten, denn durch die anschließende Aufrechnung konnte der nunmehr fällige Grundsteuerbetrag eingezogen werden, wenn die Voraussetzungen dafür vorlagen. Das lag auch im Rahmen der Pflichten des FA. Zur Verwaltung der Steuern gehört auch deren Beitreibung (vgl. §§ 21 und 39a FVG a. F. und Urteil des BFH vom 31. Januar 1958 III 178/55 U, BFHE 66, 475, BStBl III 1958, 184). Es bleibt auch zu beachten, daß durch den hier eingeschlagenen Weg dem Steuerpflichtigen entsprechende Beitreibungskosten erspart bleiben. Im übrigen spricht die Befugnis des FA, Steuern zu stunden (§ 127 AO) und sogar gemäß § 131 AO zu erlassen, dafür, daß es auch einen einzelnen Steueranspruch zwecks Einziehung abtreten kann. Es beeinträchtigt nicht die sich aus dem Grundgesetz ergebende Ertragshoheit, wenn der Steuergläubiger im Einzelfall einen Steueranspruch an den Träger der Verwaltungshoheit abtritt, so daß das Steueraufkommen des Abtretenden nicht geschmälert, sondern gerade gesichert wird. Es ist nicht erkennbar, inwiefern eine solche Maßnahme mit dem föderativen Staatsaufbau der BRD nicht vereinbar wäre, in dessen Rahmen im Grundgesetz eine Verschränkung von Ertrags- und Verwaltungshoheit der verschiedenen öffentlichen Körperschaften vorgesehen ist.

Das FG meint, daß die Abtretung einer Forderung lediglich zur Einziehung keine vollwirksame Abtretung darstelle, was zu bedeuten habe, daß die eigentliche Gläubigerstellung unberührt bleibe und damit eine Aufrechnung nur im Verhältnis zwischen dem Ermächtigenden als Gläubiger und dem Schuldner zulässig sei, weil es im Verhältnis zwischen dem Ermächtigenden und dem Schuldner nach wie vor an der Gegenseitigkeit fehle. Es ist jedoch für den Einzelfall zu beurteilen, welche Bedeutung eine Abtretung haben soll. In der Abtretungserklärung vom 14. Februar 1969 ist zwar ausdrücklich erklärt, daß die Forderungen an Grundsteuer "zwecks Einziehung" an die BRD abgetreten werden. Da aber die Abtretungserklärung mit einer Aufrechnungserklärung verbunden ist, muß die Abtretungserklärung im Streitfall nach ihrem Sinn und Zweck dahin verstanden werden, daß nicht lediglich eine eingeschränkte Abtretung vorgenommen werden sollte. Da dem FA ohnehin die Verwaltung der Grundsteuer zustand (s. oben), konnte die Abtretung nur die Bedeutung haben, eine Aufrechnungslage herbeizuführen. In den Worten "zwecks Einziehung" kann nur die Angabe des Grundes für die Abtretung, die als solche abstrakt, also unabhängig von der der Abtretung zugrunde liegenden Vereinbarung ist, gesehen werden. Aus dieser Angabe geht im übrigen aber hervor, daß der Abtretende auf den ihm zustehenden Ertrag der Steuer nicht verzichten wollte. Bei dieser Rechtslage kann der Senat es dahingestellt sein lassen, ob im Falle einer bloß fiduziarischen Abtretung im Gegensatz zum Ausschluß einer Aufrechnungsmöglichkeit durch den Schuldner gegenüber dem Zessionar (vgl. BGB-RGRK, Anm. 40 zu § 398 und Anm. 13 zu § 387) dieser gegenüber dem Schuldner aufrechnen kann.

Rechtliche Bedenken dagegen, daß das FA sowohl als Vertreter des Landes Z als auch der BRD aufgetreten ist, können nicht erhoben werden. Aus den in der Abtretungserklärung zitierten Ermächtigungen des BdF und des Senators für Finanzen in Z muß gefolgert werden, daß das In-Sich-Geschäft genehmigt war (vgl. den sinngemäß anwendbaren § 181 BGB).

Der Einwand der Klägerinnen, daß das FA gegen die ihnen zustehende Forderung auf Rückzahlung von HGA-Beträgen nicht aufrechnen dürfe, weil der Anspruch auf Überpfändung beruhe, kann nicht durchgreifen. Nach § 343 AO darf die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen, wozu auch Mietforderungen gehören, nicht weiter ausgedehnt werden, als zur Deckung der beizutreibenden Geldbeträge und der Kosten der Zwangsvollstreckung erforderlich ist. Bei dem Verbot der Überpfändung handelt es sich um eine Sollvorschrift (vgl. Schwarz in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Rdnr. 8 zu § 343 AO; Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung, Kommentar, Rdnr. 3 zu § 343). Eine unzulässige Überpfändung macht die Pfändung nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar. Die Anfechtung kann zur Aufhebung der Pfändungsverfügung führen, soweit eine Überpfändung vorliegt. Ist die gepfändete Forderung schon beigetrieben, wie im Streitfalle, in dem es sich um bereits gezahlte Mietforderungen handelt, steht dem Steuerschuldner der Anspruch auf Rückzahlung der durch die Überpfändung dem Gläubiger zugeflossenen Beträge zu. Es bleibt zu prüfen, ob gegen derartige Rückzahlungsansprüche aufgerechnet werden kann. § 393 BGB bestimmt, daß gegen eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung die Aufrechnung nicht zulässig ist. Der Senat läßt dahingestellt, ob eine Überpfändung im Sinne des § 343 AO eine unerlaubte Handlung darstellt. Jedenfalls haben die Beamten des FA nicht vorsätzlich, d. h. mit Wissen und Wollen eine Überpfändung vorgenommen. Aus dem Vortrag des FA im finanzgerichtlichen Verfahren ergibt sich, daß es zur Überpfändung deswegen gekommen ist, weil die Vollstreckungsakten am 25. Oktober 1968 der OFD ... zur Bearbeitung der Beschwerde der Klägerinnen vom 22. August 1968 vorgelegt worden waren und in dieser Zeit die Abrechnung nicht vorgenommen werden konnte. Der Senat vermag in dem Verhalten der Vollstrekkungsbeamten also allenfalls ein fahrlässiges Handeln zu erblicken.

Auch der Einwand der Klägerinnen, die beiderseitigen Forderungen seien deswegen nicht gleichartig, weil die HGA keine Steuer im eigentlichen Sinne sei, sondern einen finanziellen Ausgleich zugunsten der Kriegsgeschädigten ermöglichen solle, kann nicht durchgreifen. Zwar kann, auch wenn die beiden sich gegenüberstehenden Forderungen Geldforderungen sind, die Gleichartigkeit fehlen, wenn eine Forderung zweckgebunden ist (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 32. Aufl., Anm. 5 zu § 387). Der erkennende Senat kann aber dahingestellt sein lassen, ob der Anspruch auf HGA in diesem Sinne einer ihr gegenüberstehenden Geldforderung nicht gleichartig ist, denn im Streitfalle handelt es sich nicht um einen Anspruch auf Zahlung der HGA, mit dem oder gegen den aufgerechnet wurde, sondern um einen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter HGA. Dieser keinerlei Zweckbindung unterliegende Rückzahlungsanspruch der Klägerinnen ist aber dem Anspruch auf Zahlung von Grundsteuer gleichartig.

Die Klägerinnen meinen, daß der Widerruf der Stundung der Grundsteuer erst durch den Zugang der Widerrufsverfügung bei den Pflichtigen habe wirksam werden können. Offensichtlich wollen sie damit sagen, daß die Steuerforderung noch nicht fällig gewesen sei. Das FG hat infolge seiner abweichenden Rechtsauffassung die Frage der Fälligkeit der abgetretenen Grundsteuerbeträge dahingestellt sein lassen.

Der Senat folgt zwar der in dem Urteil des RFH vom 26. März 1936 III A 117/35 (RFHE 39, 180, RStBl 1936, 308) vertretenen Auffassung, daß eine Aufrechnungsmöglichkeit zum Widerruf der Stundung berechtigt, falls dieser vorbehalten war, und daß die Aufrechnungsmöglichkeit eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 96 AO herbeiführt (vgl. v. Wallis in Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., Rdnr. 13 zu § 124; Tipke-Kruse, a. a. O., Rdnr. 5 zu § 124). Er vermag aber aus rechtsstaatlichen Erwägungen nicht die Ansicht zu teilen, daß die Aufrechnung mit gestundeten Forderungen deshalb möglich sei, weil in der Aufrechnungserklärung der Widerruf der Stundung liege. Der Steuerpflichtige hat einen Anspruch darauf, daß eine ihm bewilligte Stundung, soll sie widerrufen werden, ihm gegenüber auch ausdrücklich widerrufen wird, sofern daran Rechtsfolgen geknüpft werden sollen. Das bedeutet, daß im Falle der Stundung einer Steuerforderung die Stundung zunächst wirksam widerrufen werden muß, wenn mit der dann fälligen Steuerforderung aufgerechnet werden soll. Diesem Erfordernis des ausdrücklichen Widerrufs der Stundung hätte im Streitfall allenfalls dadurch entsprochen werden können, daß die Abtretungs- und Aufrechnungsverfügung vom 14. Februar 1969 an erster Stelle den Widerruf der Stundung enthalten hätte. Den Klägerinnen war durch Verfügung des FA vom 17. Januar 1969 die Grundsteuer IV/1967 - IV/1968 bis zum 1. März 1969 jederzeit widerruflich gestundet worden. Diese Stundung ist hinsichtlich des Teilbetrages von 430,91 DM mit Verfügung des FA vom 13. Februar 1969 aufgehoben worden. Es ist jedoch nicht ersichtlich, wann die Verfügung über den Widerruf der Stundung den Klägerinnen zugegangen ist. Aus einem Vermerk auf dem bei den Akten befindlichen Entwurf ist zu entnehmen, daß sie mit Postzustellungsurkunde den Klägerinnen zugestellt wurde. Ob das mit der Postzustellungsurkunde geschehen ist, mit der die Abtretungs- und Aufrechnungserklärung vom 14. Februar 1969 zugestellt wurde, ist nicht eindeutig ersichtlich. Eine gesonderte Postzustellungsurkunde ist in den Akten nicht enthalten, so daß die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, daß die Verfügung über den Widerruf der Stundung vom 13. Februar 1969 erst nach dem Zugang der Abtretungs- und Aufrechnungserklärung vom 14. Februar 1969 zugegangen ist. Das würde bedeuten, daß der Grundsteuerbetrag im Zeitpunkt der Aufrechnung noch nicht fällig (§ 390 BGB) und damit die Aufrechnung nicht wirksam war. Da das FG insoweit keine Feststellungen getroffen hat und der BFH in dieser Hinsicht keine Feststellungen treffen darf, mußte die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden, damit es die erforderlichen Ermittlungen vornimmt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70435

BStBl II 1973, 513

BFHE 1973, 564

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