Leitsatz (amtlich)

1. Es ist nicht erforderlich, daß der Träger einer öffentlichen Kasse im Sinne des § 3 Nr. 12 EStG 1957 eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Sollte das Urteil des Senats IV 609/54 U vom 9. Februar 1956 (BFH 62, 493, BStBl III 1956, 183) anders zu verstehen sein, so hält der Senat nicht daran fest.

2. Der Entscheidung VI R 288/66 vom 15. März 1968 (BFH 91, 11, BStBl II 1968, 437) tritt der Senat darin bei, daß öffentliche Dienste im Sinne des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG 1957 auch in der Erfüllung von Aufgaben der schlichten Hoheitsverwaltung bestehen können.

 

Normenkette

EStG § 3 Nr. 12 (11)

 

Tatbestand

Der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtiger) unterhält als selbständiger Blumengärtner in H. einen Gartenbaubetrieb. Er ist seit 1949 ehrenamtlicher Vorsitzender des Hauptausschusses für Landwirtschaft und Gartenbau in H. (HA). Streitig ist, ob die dem Steuerpflichtigen in seiner Eigenschaft als HA-Vorsitzender in den Streitjahren gezahlten Aufwandsentschädigungen, und zwar im Jahre 1956 in Höhe von ... DM und in den Jahren 1957 bis 1959 in Höhe von je ... DM steuerfrei sind.

Der HA wurde aufgrund des Gesetzes vom 12. Juli 1948 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1948 S. 57) bis zur endgültigen Regelung der landwirtschaftlichen Organisation von den Berufsverbänden gebildet. Nach § 4 des Gesetzes besteht der HA aus fünf Vertretern des Bauernverbandes, fünf Vertretern des Zentralverbandes für Obst, Gemüse und Gartenbau und zehn Vertretern der Gewerkschaft für Gartenbau und Forstwirtschaft. Nach § 5 des genannten Gesetzes hat der HA folgende Aufgaben:

a) Beratung der Behörde für Ernährung und Landwirtschaft in allen grundsätzlichen Fragen der Landwirtschaft, insbesondere in Fragen der Erzeugung und Sicherstellung der Ernte;

b) Förderung der Landwirtschaft;

c) Obliegenheiten der berufsständischen Organisation gemäß § 4 Abs. 2 und § 5 Abs. 4 des Gesetzes über die Auflösung des Reichsnährstandes vom 21. Januar 1948 (Gesetz- und Verordnungsblatt des Vereinigten Wirtschaftsgebiets 1948 S. 21).

Zu den unter c) aufgeführten Aufgaben gehören:

landwirtschaftliche Betreuung und Beratung, die nicht pflichtschulmäßige Aus- und Fortbildung, das landwirtschaftliche Ausstellungs- und Vereinswesen, die Herausgabe von Zeitschriften, die Entwicklung der landwirtschaftlichen Technik und des Bauwesens, die Beobachtung der Betriebs- und Preisverhältnisse sowie das landwirtschaftliche Versicherungswesen.

Aufgrund des Fünften Gesetzes zur Verlängerung des Gesetzes vom 12. Juli 1948 vom 14. September 1951 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1951 S. 149) wurde die Gültigkeitsdauer der gesetzlichen Vorschriften und die Bildung des HA zu seiner Aufgabe bis auf weiteres verlängert.

Der HA erhält Zuschüsse des Bundes, des Landes und Umlagemittel, letztere aufgrund des Gesetzes über die Erhebung einer Umlage von den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben und den Betrieben der Binnenfischerei vom 31. März 1952 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1952 S. 51). Die Umlage wird von den Finanzämtern veranlagt und erhoben. Das Umlageaufkommen wird an die Behörde für Ernährung und Landwirtschaft abgeführt. Von dieser werden die bewilligten Mittel nach Bedarf zur Abdeckung fälliger Zahlungen im Rahmen des Verwendungszwecks an den HA angewiesen. Nach § 13 des Gesetzes vom 31. März 1952 ist das Umlageaufkommen für die Zwecke der landwirtschaftlichen Selbstverwaltung einschließlich des Beratungswesens zu verwenden. Über die Verwendung beschließt der Hauptausschuß im Rahmen eines von ihm aufzustellenden und von der Behörde für Ernährung und Landwirtschaft zu genehmigenden Haushaltsplanes.

Das FA behandelte die fraglichen Aufwandsentschädigungen bei der Veranlagung des Steuerpflichtigen zur Einkommensteuer als Betriebseinnahmen und rechnete sie nach Abzug von 25 v. H. geschätzter Betriebsausgaben jeweils den erklärten Gewinnen aus Land- und Forstwirtschaft zu.

Mit seiner Klage gegen die seinen Einspruch als unbegründet zurückweisende Einspruchsentscheidung hatte der Steuerpflichtige Erfolg. Die Vorinstanz führte im wesentlichen aus: Öffentliche Kassen im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG 1955, § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG 1957 seien solche des Staates oder sonstiger Träger öffentlicher Gewalt, wenn ihr Finanzgebahren einer Prüfung durch die öffentliche Hand unterliege (Urteile des BFH VI 141/60 S vom 26. Januar 1962, BFH 74, 540, BStBl III 1962, 201; IV 609/54 U vom 9. Februar 1956, BFH 62, 493, BStBl III 1956, 183). Der HA sei eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Selbst wenn man dieser Ansicht nicht zustimme, handle es sich bei dem HA auf jeden Fall aber um einen Träger öffentlicher Gewalt, weil er infolge seiner Organisation und der ihm durch Gesetz übertragenen öffentlich-rechtlichen Aufgaben sowie der ihm zugewiesenen öffentlichen Mittel nicht mehr als privatrechtliche Vereinigung angesprochen werden könne. Die in § 2 der Satzung des HA vom 9. September 1949 bezeichnete privatrechtliche Rechtsform als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts sei unerheblich.

Auch das für die Annahme einer öffentlichen Kasse entscheidende Merkmal, nämlich die Prüfung der Kasse durch die öffentliche Hand, sei im Streitfall gegeben. Denn die Kasse des HA unterliege einer öffentlichen Aufsicht und Überprüfung und unterscheide sich damit von einer privaten Kasse. Hinsichtlich der Umlagemittel ergebe sich dies aus § 13 des Gesetzes vom 31. März 1952. Hinsichtlich der übrigen öffentlichen Mittel ergebe sich die Beaufsichtigung durch die öffentliche Hand aus dem Vorbringen des Steuerpflichtigen und dem von ihm überreichten Schriftwechsel betreffend Prüfung des Rechnungsjahres 1963.

Der Steuerpflichtige habe auch öffentliche Dienste im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG 1955 und § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG 1957 geleistet. Es brauche sich bei diesen Diensten nicht um solche obrigkeitlicher Art zu handeln, es genüge auch eine schlicht hoheitliche Tätigkeit, wie sie unter der Bezeichnung schlichte Hoheitsverwaltung üblich geworden sei (vgl. Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., S. 21/22; Nebinger, Verwaltungsrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., S. 3; Kommentar der Reichsgerichtsräte zum BGB, 10. Aufl., § 839 BGB Anm. 1 S. 819; Bochalli, Bundesbeamtengesetz-Kommentar, 2. Aufl., § 4 Anm. 2). Würden, wie im Streitfall, von einem Träger öffentlicher Gewalt die gesetzlich übertragenen Aufgaben durchgeführt und handle es sich um vom öffentlichen Recht her bestimmte und gegebene Aufgaben, die durch die Abstellung auf das Gemeinwohl geprägt seien, so seien diese Aufgaben schon ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur; derartige Aufgaben stellten sich nicht als Wahrnehmung privatrechtlicher Interessen dar. Das gelte ohne weiteres für die dem HA durch § 5 des Gesetzes vom 12. Juli 1948 Buchst. a) und b) übertragenen Aufgaben. Die Mitwirkung des HA an diesen öffentlichen Aufgaben erstrecke sich nicht nur gegenüber der Behörde für Ernährung und Landwirtschaft, sondern auch gegenüber verschiedenen Ausschüssen der öffentlichen Verwaltung, in denen der HA mit Sitz und Stimme vertreten sei (Ausschuß Grüner Plan, Grundstücksverkehrsausschuß, Bewilligungsausschuß für Überbrückungsdarlehen, Bewilligungsausschuß für bäuerliche Betriebe, Ausschuß von ehrenamtlichen Beisitzern der Enteignungsbehörde, Jagdbeirat, Arbeitskreis für Absatzfragen für Obst und Gemüse, Gutachterausschuß für die Einheitsbewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, Verwaltungsrat der Landeszentralbank, Verbraucherausschuß, Fachschulbeirat bei der Landwirtschaftsschule und Wirtschaftsberatungsstelle, Fachbeirat der ländlichen Berufsschulen und Gesamtausschuß der DLG). Aber auch von den unter § 5 Buchst. c) des Gesetzes vom 12. Juli 1948 dem HA zugewiesenen Aufgaben seien insbesondere die landwirtschaftliche Beratung und Betreuung sowie gewisse Aufgaben der nicht pflichtschulmäßigen Aus- und Fortbildung wie Führung der Lehrlingsrolle, An- und Aberkennung als Lehrbetrieb, Abnahme der Gehilfen- und Meisterprüfung, Ausstellung der Prüfungsurkunden als schlichte Hoheitsverwaltung anzusehen. Im Urteil III ZR 227/61 vom 11. Juli 1963 habe der BGH die forstwirtschaftliche Beratung und Betreuung der Privatwaldbesitzer durch Beauftragte der Landwirtschaftskammer ausdrücklich zur schlichten Hoheitsverwaltung gerechnet. Nach Auskunft des HA vom 7. Dezember 1964 entfielen in den Streitjahren auf die unter § 5 Buchst. a) und b) fallenden hoheitlichen Aufgaben etwa 60 % der gesamten Tätigkeit des HA. Da ferner auch ein Teil der unter § 5 Buchst. c) fallenden Aufgaben zur schlichten Hoheitsverwaltung zu rechnen sei, könne zusammenfassend festgestellt werden, daß der Steuerpflichtige sich in den Streitjahren als Vorsitzender des HA überwiegend mit hoheitlichen Aufgaben befaßt habe.

Es sei nicht festgestellt worden, daß die Aufwandsentschädigungen für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt worden seien oder den Aufwand, der dem Steuerpflichtigen erwachsen sei, offenbar überstiegen hätten. Es könne davon ausgegangen werden, daß dem Steuerpflichtigen nach seiner Stellung im HA und im Hinblick auf die von ihm wahrzunehmenden öffentlichen Aufgaben im wesentlichen nur solche Aufwendungen entstanden seien, die als Werbungskosten angesehen werden müßten. Daß die gewährten Aufwandsentschädigungen den Aufwand des Steuerpflichtigen, der durch seine dienstliche Tätigkeit als Vorsitzender des HA entstanden sei, auch der Höhe nach ungefähr abgedeckt hätten, stehe für die Kammer auch deshalb fest, weil die aus Landesmitteln gewährte Aufwandsentschädigung von der Behörde für Ernährung und Landwirtschaft haushaltsplanmäßig genehmigt und durch den Rechnungshof überprüft worden sei.

Mit seiner nunmehr als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde rügt das FA unrichtige Anwendung des § 3 Nr. 11 EStG 1955, § 3 Nr. 12 EStG 1957.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

1. Der Auffassung der Vorinstanz, der Steuerpflichtige habe seine Aufwandsentschädigung aus einer öffentlichen Kasse bezogen, wird beigetreten. Dabei läßt der Senat bei Beantwortung der Frage, ob eine öffentliche Kasse im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG 1955, § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG 1957 vorliegt, dahingestellt, ob die Annahme der Vorinstanz zutrifft, daß der HA eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sei. Das ist nicht allein deshalb zweifelhaft, weil ein ausdrücklicher Verleihungsakt hierzu fehlt (einen solchen verlangt vor allen Dingen Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 1. Band, Allgemeiner Teil, 9. Aufl., S. 458; anderer Ansicht vor allem Turegg-Kraus, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 4. Aufl., S. 84), sondern auch deshalb, weil einmal nicht festgestellt werden kann, daß der HA rechtsfähig ist, weil weiter sich aus § 15 des Gesetzes vom 31. März 1952 über die Erhebung einer Umlage von den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben und den Betrieben der Binnenfischerei ergibt, daß eine Selbstverwaltungseinrichtung der Landwirtschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts erst noch errichtet werden soll und weil schließlich auch die Behörde für Ernährung und Landwirtschaft in ihrer Korrespondenz den HA nicht als öffentlich-rechtliche Körperschaft bezeichnet hat, sondern lediglich als eine durch Gesetz geschaffene öffentlich-rechtliche Institution.

Die Frage braucht aber nicht abschließend entschieden zu werden. Nach dem Urteil des BFH IV 609/54 U vom 9. Februar 1956, BFH 62, 493, BStBl III 1956, 183, ist eine Kasse eine öffentliche Kasse, wenn sie einer Dienstaufsicht und Prüfung der Finanzgebarung durch die öffentliche Hand unterliegt (vgl. ebenso Urteil des BFH VI R 288/66 vom 15. März 1968, BFH 91, 11, BStBl II 1968, 437). Diese Voraussetzungen liegen nach den vom FA nicht beanstandeten tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz vor. Die Kasse des HA steht unter der Aufsicht der Behörde für Ernährung und Landwirtschaft und unterliegt der Prüfung des Hamburgischen Rechnungshofes. Daß der HA, wie dargelegt, möglicherweise nicht eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, sondern nur der Vorläufer einer solchen, ist hier um so weniger entscheidend, als er gleichwohl eine wenn auch nicht mit rechtlicher Selbständigkeit ausgestattete öffentlich-rechtliche Einrichtung der Behörde für Ernährung und Landwirtschaft darstellt, gewissermaßen lediglich eine organisatorisch verselbständigte Dienststelle dieser Behörde ist. Huber, Wirtschafts-/Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1. Band S. 234, bezeichnet daher den Hauptausschuß auch als einen bei der Staatsverwaltung gebildeten Beirat. Es handelt sich hier um eine Zwischenform zwischen unmittelbarer Staatsverwaltung und mittelbarer Staatsverwaltung durch selbständig organisierte juristische öffentlich-rechtliche Personen.

Der sich gegen die Anwendung des § 3 Nr. 12 (11) EStG 1957 (1955) im Streitfall richtende Einwand des FA, das Urteil IV 609/54 U gehe in den Gründen davon aus, eine öffentliche Kasse setze voraus, daß der Träger der öffentlichen Gewalt eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sei, führt zu keinem anderen Ergebnis. Eine öffentliche Kasse im Sinn der genannten Vorschriften, von der allein die Rede ist, muß auch dann anerkannt werden, wenn das in Betracht kommende öffentlichrechtliche Gebilde, ohne die volle rechtliche Selbständigkeit der Körperschaft des öffentlichen Rechts zu besitzen, auf Gesetz beruht und als solches öffentliche Aufgaben erfüllt, wenn gleichzeitig die Kasse der Staatsaufsicht und der Prüfung der Finanzgebarung durch die öffentliche Hand untersteht. Das gilt um so mehr, wenn der Haushalt dieses Trägers mittelbarer Staatsverwaltung durch ein Landesparlament festgestellt wird. Diese Auslegung beachtet auch den Sinn des Gesetzes. Dieser besteht darin, Aufwandsentschädigungen aus öffentlichen Kassen von der Einkommensteuer freizulassen, wenn eine gewisse Gewähr dafür gegeben ist, daß die Entschädigung lediglich Dienstaufwand abgilt. Eine großzügige Auslegung der Vorschrift ist um so mehr am Platze, als das Recht und die Pflicht der Verwaltung, Berechtigung und Höhe der Dienstaufwandsentschädigung in den hier in Betracht kommenden Fällen des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG 1957 (Nr. 11 EStG 1955) - vgl. BFH-Urteile VI 107/61 U vom 3. August 1962, BFH 75, 434, BStBl III 1962, 425; VI 282/61 vom 1. März 1963 StRK, Einkommensteuergesetz § 3 Rechtsspruch 54 - nachzuprüfen, nicht berührt werden. Sollte das Urteil IV 609/54 U des Senats mit der Forderung nach Vorliegen einer Körperschaft des öffentlichen Rechts anders zu verstehen sein, so würde ihm der Senat nicht weiter folgen können. Er könnte dies um so weniger, als nicht einmal in der allgemeinen Verwaltungsrechtslehre der Begriff der Körperschaft des öffentlichen Rechts eindeutig bestimmt ist und sich im Zuge der zunehmenden Durchdringung von privatem und öffentlichem Recht auch neue Formen und Gestaltungen bilden, auf die grundsätzlich Rechtssätze der Körperschaften des öffentlichen Rechtes anzuwenden sind. Dies zwingt dazu, bei Auslegung der Vorschriften des § 3 Nr. 12 EStG 1957 (Nr. 11 EStG 1955) den Gesetzessinn im Rahmen des Gesetzeswortlautes besonders zu betonen.

2. Der Senat folgt der Vorinstanz auch darin, daß der HA überwiegend hoheitliche Aufgaben zu erfüllen hat, sein Vorsitzender als Repräsentant öffentliche Dienste im Sinne des § 3 Nr. 12 EStG 1957 (im Sinne der Auslegung des § 3 Nr. 11 EStG 1955) leistet. Die Vorinstanz verkannte hierbei nicht, daß der HA auch berufsständische Aufgaben zu erfüllen hat (im Rahmen der ihm nach § 5c des Gesetzes vom 12. Juli 1948 übertragenen Obliegenheiten), die sich vorwiegend auf die Förderung der privatwirtschaftlichen Interessen der Betriebe seines Bereiches richten. Der Senat vermag aber nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz in eingehender Begründung davon ausging, daß die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben überwiege. Die sich hiergegen allgemein wendende Behauptung des FA, es überwöge die berufsständische Aufgabenerfüllung, reicht nicht aus, die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz zu entkräften. Der Hinweis des FA auf verschiedene Entscheidungen des RFH und des BFH bei Staatsbanken, Industrie- und Handelskammern, Landwirtschaftskammern und kassenärztlichen Vereinigungen (vgl. Urteil des RFH, RStBl 1931, 665, 666, 667; BFH-Urteile IV 255/56 U vom 22. August 1957, BFH 65, 424, BStBl III 1957, 395, und VI 141/60 S vom 26. Januar 1962, a. a. O.) sowie auf das nicht veröffentlichte Urteil des BFH IV 421/53 vom 26. Juni 1954, das eine Landwirtschaftskammer betraf, reichen zu einer Widerlegung der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht aus. Dies im Streitfall um so weniger, als aus der schon erwähnten Vorschrift des § 15 des Gesetzes über die Erhebung einer Umlage von den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben und den Betrieben der Binnenfischerei ohne Zwang entnommen werden kann, daß der HA zumindest auch die Aufgaben einer Landwirtschaftskammer in der Form der Körperschaft des öffentlichen Rechtes wahrzunehmen hat, als weiter die schon zitierte Entscheidung des BFH VI R 288/66 gerade auch eine Landwirtschaftskammer betraf und anerkannt wurde, daß vorwiegend hoheitliche Aufgaben erfüllt würden.

Der Senat tritt der Vorentscheidung auch darin bei, daß sie die vorwiegend durch den HA ausgeübte schlichte Hoheitsverwaltung genügen läßt, zu der vor allem auch die Beratung und Betreuung der Betriebe gehört (vgl. das in der Vorentscheidung zitierte Urteil des BGH). Zwar ging die Rechtsprechung des BFH, darin dem RFH folgend, in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß öffentliche Dienste nur dann geleistet würden, wenn es sich um obrigkeitliche Aufgabenerfüllung handle, bei der insbesondere die Ausübung des staatlichen Zwanges im Vordergrund stehe. Das Ausreichen auch in Ausübung schlichter Hoheitsverwaltung ausgeübter öffentlicher Dienste, was eine Änderung der Rechtsprechung bedeutet, wird im Urteil VI R 288/66 anerkannt. Die Anwendung des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG 1957 ist hiernach nicht auf Personen zu beschränken, die obrigkeitliche Aufgaben erfüllen. Dieser Auffassung tritt der erkennende Senat bei. Sie kann dann aber nicht auf die Anwendung des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG 1957 ff. beschränkt bleiben, sie gilt auch schon für die Auslegung des § 3 Nr. 11 EStG 1955.

3. Die Vorentscheidung muß gleichwohl aufgehoben werden. Die Ausführungen der Vorinstanz zur Frage der Angemessenheit der steuerfreien Entschädigung reichen für eine oberstgerichtliche Nachprüfung nicht aus. Die Aufstellung des Steuerpflichtigen vom 18. November 1961 läßt nicht erkennen, inwiefern die dort aufgeführten Termine und Aufgabenerfüllungen im Rahmen seiner Tätigkeit als Vorsitzender des HA wahrzunehmen waren und welche Kosten ihm hierbei erwuchsen. Die Vorinstanz befindet sich darüber hinaus im Rechtsirrtum, wenn die Höhe der steuerfreien Entschädigung auch deshalb für sie "feststeht", weil "die aus Landesmitteln gewährte Aufwandsentschädigung von der Behörde für Ernährung und Landwirtschaft haushaltsmäßig genehmigt und durch den Rechnungshof überprüft" sei. Die Vorinstanz übersieht hierbei das Nachprüfungsrecht und die Nachprüfungspflicht der Verwaltung (vgl. dazu letzter Absatz vor 2), die sich vor allem darauf erstrecken, ob nach den Umständen des Falles nicht auch eine Entschädigung für besondere Nachteile gewährt wurde, die der Steuerpflichtige durch die Ausübung seiner Ehrenämter, insbesondere in bezug auf den Erfolg seiner sonstigen beruflichen Tätigkeit, hat. Die Vorinstanz wird unter diesem Gesichtspunkt die Angemessenheit der steuerfreien Entschädigung an den Steuerpflichtigen noch nachzuprüfen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69477

BStBl II 1971, 519

BFHE 1971, 255

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