Entscheidungsstichwort (Thema)

Vom Arbeitgeber abgeführte Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung sind Arbeitslohn

 

Leitsatz (NV)

1. Die Frage, ob die vom Arbeitgeber vom Arbeitslohn einbehaltenen und abgeführten Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung als Arbeitslohn steuerpflichtig sind, ist eindeutig zu bejahen.

2. Höchstrichterlich geklärt ist, dass der Vorwegabzug nach § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V. mit § 3 Nr. 62 EStG zu kürzen ist, obwohl nach der Rechtsprechung des BSG der vom Arbeitgeber geschuldete Gesamtsozialversicherungsbeitrag keine individualisierbaren Ansprüche des einzelnen Arbeitnehmers begründet.

3. Die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des beschränkten Abzugs von Vorsorgeaufwendungen ist nicht mehr klärungsbedürftig.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2; EStG §§ 19, 11, 10 Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Münster (Urteil vom 15.09.2003; Aktenzeichen 11 K 2194/02 E)

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen.

1. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung bei abhängig Beschäftigten steuerbar und bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Einkommensteuer einzubeziehen sind, hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Sie ist nicht klärungsbedürftig. Nach ständiger Rechtsprechung fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit, wenn --wie im vorliegenden Fall-- die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das Finanzgericht (FG) getan hat (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 28, m.w.N.).

Es entspricht der eindeutigen Rechtslage, dass die Arbeitnehmeranteile zur Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung eine Gegenleistung für die Erbringung der Arbeitsleistung sind. Diese Auffassung wird auch einhellig in der Literatur vertreten (vgl. z.B. Giloy in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 19 Rdnr. B 1000, Stichwort: "Sozialversicherung"; Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 19 EStG Anm. 600, Stichwort: "Arbeitnehmerbeiträge"; Barein in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 19 EStG Rz. 192). Solche Arbeitnehmerbeiträge sind beim Arbeitnehmer grundsätzlich als Sonderausgaben berücksichtigungsfähig (siehe dazu Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort: "Sozialversicherung" Rz. 21). § 10 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) setzt mit der --allerdings beschränkten-- Zulassung des Abzugs von Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben gerade voraus, dass die entsprechenden Arbeitnehmeranteile Lohnbestandteile sind.

Es entspricht offensichtlich geltendem Recht, dass der Arbeitslohn mit der Abführung des Anteils der Arbeitnehmerbeiträge durch den Arbeitgeber zugeflossen ist (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Mai 1993 VI R 19/92, BFHE 172, 46, BStBl II 1994, 246).

In diesem Sinn hat auch der VI. Senat des BFH mit Beschluss vom 19. Mai 2004 VI B 120/03 (BFH/NV 2004, 1263) die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage beantwortet.

2. Nicht mehr klärungsbedürftig ist ferner die Rechtsfrage, ob der Vorwegabzug nach § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG zu kürzen ist, obwohl insbesondere durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 29. Juni 2000 B 4 RA 57/98 R, BSGE 86, 262) der vom Arbeitgeber geschuldete Gesamtsozialversicherungsbeitrag keine individualisierbaren Ansprüche des einzelnen Arbeitnehmers begründet. Der erkennende Senat hat sie bereits im Urteil vom 16. Oktober 2002 XI R 75/00 (BFHE 200, 548, BStBl II 2003, 288) bejaht (vgl. auch BFH-Beschluss vom 25. März 2003 X B 212/01, BFH/NV 2003, 1050 a.E.). Die Klägerin hat keine Gründe für eine nochmalige Entscheidung über diese Rechtsfrage dargelegt (vgl. hierzu z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 33, m.w.N.).

3. Soweit die Klägerin aus Gründen der Rechtseinheitlichkeit eine Entscheidung des BFH nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO für erforderlich hält, entspricht ihre Beschwerdebegründung nicht den von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gestellten Anforderungen. Da sie eine Abweichung der Vorentscheidung von der Rechtsprechung des BFH geltend macht, hätte die Beschwerdeführerin abstrakte Rechtssätze im Urteil des FG und in den Divergenzentscheidungen des BFH so genau bezeichnen müssen, dass die Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rdnr. 42, m.w.N.). Die Klägerin hat zwar den bezeichneten BFH-Entscheidungen konkrete Rechtssätze entnommen, diesen aber keine abstrakten Rechtssätze des FG gegenüber gestellt, sondern lediglich beanstandet, dass die urteilstragenden Rechtssätze des FG materiell-rechtlich nicht nachvollziehbar und offensichtlich rechtswidrig seien. Den Ausführungen hierzu lassen sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung widersprechende Rechtssätze nicht entnehmen.

4. Die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des beschränkten Abzugs von Vorsorgeaufwendungen ist nicht mehr klärungsbedürftig (vgl. z.B. Urteil des erkennenden Senats vom 16. Oktober 2002 XI R 41/99, BFHE 200, 529, BStBl II 2003, 179). Auch insoweit wurden keine Gründe für eine erneute Entscheidung zu dieser Rechtsfrage dargelegt. Das von der Klägerin angeführte Urteil des Niedersächsischen FG vom 16. April 2003  7 K 723/98 Ki betrifft die Grenzbetragsregelung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG und enthält keine Aussagen zur begrenzten Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1305426

BFH/NV 2005, 539

NWB 2006, 764

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