Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit des ab dem VZ 2007 geltenden Abzugsverbots für häusliches Arbeitszimmer ernstlich zweifelhaft

 

Leitsatz (amtlich)

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob das ab Veranlagungszeitraum 2007 geltende Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG betreffend Aufwendungen (hier: eines Lehrers, dem kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht) für ein häusliches Arbeitszimmer, mit Ausnahme der Fälle, in denen das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet, verfassungsgemäß ist.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 5 S. 1, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b; FGO § 69

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG (Entscheidung vom 02.06.2009; Aktenzeichen 7 V 76/09)

 

Tatbestand

I. Streitig ist, ob Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer trotz des in § 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19. Juli 2006 (BStBl I 2006, 432, BGBl I 2006, 1652) --n.F.-- geregelten Abzugsverbots im Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren zu berücksichtigen sind.

Die Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) sind miteinander verheiratet, er ist Schulleiter einer Realschule, sie ist Lehrerin an einer Grundschule. Beide Antragsteller erzielen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und nutzen in ihrem eigenen Einfamilienhaus jeweils ein häusliches Arbeitszimmer. In den Vorjahren (bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2006) berücksichtigte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) die von den Antragstellern insoweit geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Neben anderen unstreitigen, den Arbeitnehmer-Pauschbetrag übersteigenden Werbungskosten macht der Antragsteller bezüglich seines Arbeitszimmers für das Streitjahr 535 € an (voraussichtlichen) Kosten geltend, die Antragstellerin 950 €. Die Antragsteller tragen (unwidersprochen) vor, dass ihnen für die Vor- und Nachbereitung des Schulunterrichts keine geeigneten Arbeitsplätze in der Schule zur Verfügung stehen. Zwar stünde dem Antragsteller zeitweise ein Büro für seine Schulleitertätigkeit zur Verfügung. Dieses Büro könne er aber nur während der vormittäglichen Unterrichtszeit nutzen, weil zum Unterrichtsende hin nach Weisung der vorgesetzten Behörde die Raumtemperatur erheblich gesenkt werde. Gegen den insoweit ablehnenden Bescheid über die Lohnsteuer-Ermäßigung 2009 legten die Antragsteller erfolglos Einspruch ein. Ihren Antrag, wegen der Aufwendungen für ihre Arbeitszimmer höhere Freibeträge im Wege vorläufigen Rechtsschutzes (Aussetzung der Vollziehung --AdV--) auf den Lohnsteuerkarten für 2009 einzutragen, lehnte das FA ab. Nach § 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG n.F. seien ab dem Veranlagungszeitraum 2007 Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur noch zu berücksichtigen, wenn es --anders als im Streitfall-- den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit bilde. Die Antragsteller haben daraufhin beim Finanzgericht (FG) einen Antrag auf AdV gestellt.

Das FG gab dem Antrag auf AdV statt und ließ die Beschwerde zu. Es bestünden ernstliche Zweifel, ob § 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG n.F. insoweit verfassungsgemäß sei, als durch die Vorschrift --mit Ausnahme der sog. Mittelpunktsfälle-- Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer vom Werbungskostenabzug ausgeschlossen werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sei der vorläufige Rechtsschutz zwar ausnahmsweise dann einzuschränken, wenn die Gemeinwohlbelange des Staates (etwa durch drohende staatliche Haushaltsnotlage) berührt seien. Anhaltspunkte hierfür seien im Streitfall jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Aussetzungsbeschluss des FG ist in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2009, 985 veröffentlicht.

Mit seiner Beschwerde bringt das FA vor, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids sei nicht ernstlich zweifelhaft, da die Regelung des § 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG n.F. nicht gegen das Grundgesetz (GG) verstoße. Auch bei Vorliegen ernstlicher Zweifel käme die AdV nicht in Betracht, weil dann das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung höher zu bewerten wäre als das Interesse der Antragsteller an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes.

Das FA beantragt,

die Vorentscheidung aufzuheben und den Antrag auf AdV abzulehnen.

Die Antragsteller beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist unbegründet; sie war daher --ohne Präjudiz für die Hauptsache-- zurückzuweisen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht im Wege der AdV das FA verpflichtet, den beantragten Freibetrag auf den Lohnsteuerkarten der Antragsteller einzutragen.

1. Zu den Beträgen, die im Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte eingetragen werden können, gehören gemäß § 39a Abs. 1 Nr. 1 EStG Werbungskosten, die bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anfallen, soweit sie den Arbeitnehmer-Pauschbetrag übersteigen. Da nach § 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG in der ab 2007 geltenden Fassung --im Gegensatz zu der bis dahin bestehenden Gesetzeslage-- die Aufwendungen des Arbeitnehmers für das häusliche Arbeitszimmer grundsätzlich keine Werbungskosten mehr sind, liegen die einfach-gesetzlichen Voraussetzungen für die Eintragung der geltend gemachten Arbeitszimmerkosten auf den Lohnsteuerkarten der Antragsteller nicht vor.

2. Lehnt das FA die Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte ganz oder teilweise ab, so handelt es sich dabei um einen vollziehbaren Verwaltungsakt, gegen den vorläufiger Rechtsschutz durch AdV in Betracht kommt (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. August 2007 VI B 42/07, BFHE 218, 558, BStBl II 2007, 799, m.w.N.). Auf Antrag soll die AdV erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen (§ 361 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung, § 69 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 FGO). Das ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH dann der Fall, wenn bei einer summarischen Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die (abgesehen von unklaren Tatfragen) Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage bewirken. Die AdV setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen; es genügt, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs ebenso wenig auszuschließen ist wie sein Misserfolg (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Rz 89, m.w.N.). Ist die Rechtslage nicht eindeutig, so ist im Regelfall die Vollziehung auszusetzen. Das gilt auch dann, wenn ernstliche Zweifel daran bestehen, ob die maßgebliche gesetzliche Regelung verfassungsgemäß ist (BFH-Beschlüsse in BFHE 218, 558, BStBl II 2007, 799, und vom 3. Februar 2005 I B 208/04, BFHE 209, 204, BStBl II 2005, 351, m.w.N.). An die Zweifel hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit sind keine strengeren Anforderungen zu stellen als beim Einwand fehlerhafter Rechtsanwendung (BFH-Beschlüsse in BFHE 218, 558, BStBl II 2007, 799, und vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BFHE 140, 396, BStBl II 1984, 454).

3. Im Streitfall ist das FG zutreffend von ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG n.F. ausgegangen, der die Grundlage des angefochtenen Bescheids bildet. Diese Zweifel sind augenscheinlich, da die Frage in der Literatur, wie vom FG in seinem Beschluss wiedergegeben, kontrovers diskutiert wird und in der Rechtsprechung zu unterschiedlichen Entscheidungen geführt hat.

a) Im Schrifttum wird überwiegend die Meinung vertreten, dass die Neuregelung --ganz oder jedenfalls soweit ein beschränkter Abzug bei fehlender Verfügbarkeit eines anderen Arbeitsplatzes (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 Halbsatz 2 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes --JStG-- 1996 vom 11. Oktober 1995, BStBl I 1995, 438, BGBl I 1995, 1250) ausgeschlossen wird-- aufgrund eines Verstoßes gegen das Gebot der Folgerichtigkeit verfassungswidrig sei (Pohl in Bordewin/Brandt, § 4 EStG Rz 2387 f.; Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 837; Blümich/Thürmer, § 9 EStG Rz 567f; Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz Lb 22; Schmidt/Drenseck, EStG, 28. Aufl., § 19 Rz 60 "Arbeitszimmer", Tz. 2; Lang, Steuer und Wirtschaft --StuW-- 2007, 3, 14; Wesselbaum-Neugebauer, Finanz-Rundschau --FR-- 2007, 416, 424; Paus, Der Ertragsteuerberater 2008, 252, 255; Decker, Juristische Arbeitsblätter 2008, 458, 465; wohl auch Kreft, Gestaltende Steuerberatung 2009, 45, 46; Leisner-Egensperger, FR 2006, 1018, 1028). Teilweise wird auch davon ausgegangen, dass die Begründung des Gesetzgebers, soweit sie auf den Bundesrechnungshof Bezug nimmt, fehl geht (Pohl in Bordewin/Brandt, a.a.O., Rz 2388; Greite, Der Betrieb 2006, Beilage 6, 24; Schmidt/Drenseck, a.a.O.). Nur vereinzelt wird die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG angenommen. Dabei wird darauf hingewiesen, dass die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer gemischt veranlasste Aufwendungen seien und der Gesetzgeber eine Grundentscheidung treffen dürfe, mit der er diese Aufwendungen dem abziehbaren oder dem steuerlich nicht beachtlichen Bereich zuordne (Wernsmann, Beihefter zum Deutschen Steuerrecht 2008, Heft 17, 37, 45; wohl auch Frotscher in Frotscher, EStG, 6. Aufl., Freiburg 1998 ff., § 4 Rz 801). Teilweise wird die Regelung als verfassungsgemäß angesehen, da missbräuchliche Inanspruchnahmen nicht überprüfbar seien (Meurer in Lademann, EStG, § 4 EStG Rz 721a). Andere halten die Neuregelung insoweit für verfassungsmäßig, als die Abschaffung des beschränkten Abzugs bei mehr als 50%iger beruflicher oder betrieblicher Nutzung des Arbeitszimmers (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 Halbsatz 1 EStG i.d.F. des JStG 1996) erfolgte (Schmidt/ Drenseck, a.a.O.; wohl auch Blümich/Thürmer, a.a.O.).

b) Die finanzgerichtliche Rechtsprechung stellt sich ebenfalls nicht einheitlich dar. Das FG Münster (Beschluss vom 8. Mai 2009 1 K 2872/08 E) hat in einem mit dem Streitfall vergleichbaren Klageverfahren § 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG n.F. als verfassungswidrig angesehen und nach Art. 100 Abs. 1 GG die Frage dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt (Az. des BVerfG 2 BvL 13/09). Dagegen haben --ebenfalls in Verfahren der Lohnsteuer-Ermäßigung-- das FG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 6. November 2007 13 V 13146/07) und das FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 17. Februar 2009 3 K 1132/07) das weitgehende Abzugsverbot von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer durch das Steueränderungsgesetz 2007 als (noch) mit dem Grundgesetz vereinbar beurteilt. Letzteres Verfahren hat zu einer Revision (VI R 13/09) geführt, die bei dem beschließenden Senat anhängig ist.

Da im Schrifttum beachtliche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung erhoben werden, einander widersprechende Entscheidungen der FG vorliegen und die Streitfrage höchstrichterlicher Klärung bedarf, ist bereits deshalb das Vorliegen von verfassungsrechtlichen Zweifeln als Voraussetzung der AdV zu bejahen.

4. Im Streitfall tritt der Anspruch der Antragsteller auf effektiven Rechtsschutz nicht hinter das öffentliche Interesse an einer geordneten öffentlichen Haushaltswirtschaft zurück.

a) Im Falle von ernstlichen Zweifeln hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift ist nach langjähriger Rechtsprechung des BFH wegen des Geltungsanspruchs jedes verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetzes zusätzlich ein (besonderes) berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes als erforderlich angesehen worden. Danach ist eine Interessenabwägung zwischen der einer AdV entgegenstehenden konkreten Gefährdung der öffentlichen Haushaltsführung und den für eine AdV sprechenden individuellen Interessen des Steuerpflichtigen geboten (z.B. BFH-Beschlüsse vom 20. Juli 1990 III B 144/89, BFHE 162, 542, BStBl II 1991, 104; vom 6. November 2001 II B 85/01, BFH/NV 2002, 508; vom 11. Juni 2003 IX B 16/03, BFHE 202, 53, BStBl II 2003, 663, m.w.N.). Diese vom BVerfG bestätigte (Beschluss vom 3. April 1992 2 BvR 283/92, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1992, 726) und im Schrifttum überwiegend kritisierte (s. BFH-Beschluss in BFHE 202, 53, BStBl II 2003, 663) Rechtsprechung ist allerdings in jüngerer Zeit dahingehend modifiziert worden, dass die staatlichen Haushaltsinteressen in der Abwägung weniger stark berücksichtigt werden (vgl. Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 69 FGO Rz 96; Klein/Brockmeyer, AO, 9. Aufl., § 361 Rz 14; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 69 Rz 113).

b) Der Senat lässt offen, ob er sich der vorgenannten Rechtsprechung anschließen könnte, die ein besonderes Interesse an der AdV als erforderlich ansieht. Denn jedenfalls steht im Streitfall dem Aussetzungsinteresse der Antragsteller --entgegen der Auffassung des FA-- ein überwiegendes öffentliches Interesse, insbesondere das Interesse an einer geordneten Haushaltsführung, nicht entgegen. Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer, um deren (vorläufige) steuerliche Anerkennung gestritten wird, sind jedenfalls nach bisherigem Verständnis für die Antragsteller gewillkürte Erwerbsaufwendungen, die zwar wegen ihrer Nähe zu den Kosten der allgemeinen Lebensführung nicht in vollem Umfang, aber aus Gründen steuerlicher Lastengleichheit zumindest in Höhe eines realitätsgerecht typisierten Betrages einkünftemindernd zu berücksichtigen sind (BVerfG-Urteil vom 7. Dezember 1999 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297). Das insofern nahe liegende Aussetzungsinteresse der Antragsteller wird dadurch verstärkt, dass das BVerfG, falls es im Sinne des oben genannten Vorlagebeschlusses entscheiden sollte, nach seiner bisherigen Praxis möglicherweise nicht die Nichtigkeit des § 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG n.F. feststellen, sondern die Vorschrift lediglich als grundgesetzwidrig ansehen und dem Gesetzgeber mit geräumiger Frist eine Änderung für die Zukunft aufgeben könnte (BFH-Beschluss in BFHE 218, 558, BStBl II 2007, 799). Anhaltspunkte für eine gemeinwohlbegründete Einschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes sind nicht ersichtlich. Zu Recht ist das FG im Streitfall davon ausgegangen, dass die Größenordnung des vorläufigen Steuerausfalls der mit der Neuregelung verbundenen Steuermehreinnahmen --jedenfalls im Streitfall-- nicht geeignet ist, das öffentliche Interesse als vorrangig zu beurteilen. Das FA hat jedenfalls nicht schlüssig dargelegt, warum ein --unter Umständen lediglich vorübergehender-- Steuerausfall in der Größenordnung von 300 Mio. € (vgl. BTDrucks 16/1545 S. 9) im Hinblick auf das gesamte Haushaltsvolumen die öffentliche Haushaltsführung gefährden könnte. Im Übrigen würde der Haushaltsvorbehalt jeden (legislativen) Verfassungsverstoß mit genügender finanzieller Breitenwirkung sanktionieren. Diese mitunter als "rechtsstaatlich unerträgliches Ergebnis" bezeichnete Folge (so Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 69 FGO Rz 97; s. auch Gräber/Koch, a.a.O., § 69 Rz 113) würde mit zunehmender Breitenwirkung den in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgten individuellen vorläufigen Rechtsschutz immer weiter zurückdrängen. Letztlich werden durch die Gewährung der AdV Risiken für die öffentliche Haushaltswirtschaft, die mit der Verplanung bzw. Verausgabung möglicherweise verfassungswidriger Steuern verbunden sind, geradezu vermieden (Seer, StuW 2001, 3, 17 f., m.w.N.; Gräber/Koch, a.a.O., § 69 Rz 113).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2214454

BFH/NV 2009, 1895

BFH/PR 2009, 408

BStBl II 2009, 826

BFHE 2009, 85

BFHE 226, 85

BB 2009, 2060

BB 2009, 2241

DB 2009, 2074

DStR 2009, 1950

DStRE 2009, 1220

HFR 2009, 1073

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