Leitsatz (amtlich)

Es wird die Entscheidung des BVerfG eingeholt, ob § 4 Abs. 1 Satz 1 des hamburgischen KiStG insoweit verfassungswidrig ist, als er die steuerberechtigten Körperschaften ermächtigt, durch Steuervorschriften Art und Höhe des Kirchgeldes in festen oder gestaffelten Beträgen zu bestimmen.

 

Normenkette

Hamburgisches KiStG § 3 Abs. 1 Buchst. b, § 4 Abs. 1, § 5; KirchStO der Nordelbischen Evangelisch- Lutherischen Kirche § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c, § 9; KirchStB § 5

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

A.

Sachverhalt und Prozeßgeschichte

Streitig ist, ob das beklagte Finanzamt (FA) berechtigt war, die Klägerin für das Kalenderjahr 1979 zu einem Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe heranzuziehen.

Die Klägerin gehört dem Kirchenkreis A. der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche (NELK) an; ihr Ehemann gehört keiner kirchensteuerberechtigten Religionsgesellschaft an. Für das Kalenderjahr 1979 hatten beide Ehegatten die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer gewählt. Die Klägerin (Hausfrau und Mutter dreier minderjähriger Kinder) hatte lediglich negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Das FA setzte gegen die Klägerin eine Kirchensteuer (Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe) für das Kalenderjahr 1979 in Höhe von 480 DM fest; den Einspruch wies es zurück.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin beantragt, den angefochtenen Bescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben, weil er rechtswidrig sei. Die Bemessung des Kirchgelds in glaubensverschiedener Ehe nach dem zu versteuernden Einkommen beider Ehegatten, wie sie durch § 9 Abs. 2 des Kirchensteuergesetzes der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche (Kirchensteuerordnung - KirchStO -) vorgeschrieben sei, sei verfassungswidrig; denn sie bewirke, "daß das Einkommen eines Nichtmitgliedes die Höhe der Kirchensteuer ... des Kirchenmitgliedes maßgeblich beeinflußt". Das verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), ferner auch gegen Art. 14 GG, weil "das Nichtmitglied zur Zahlung verpflichtet ist, da das Kirchenmitglied über keine eigenen Einkünfte verfügt". Schließlich liege ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG darin, daß es für die in § 9 Abs. 2 KirchStO vorgeschriebene Regelung an einer gesetzlichen Ermächtigung i. S. des Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 6 der Weimarer Verfassung (WRV) mangele.

Der Kirchenkreis A. ist dem Verfahren beigetreten.

Das Finanzgericht (FG) hat den angefochtenen Kirchensteuerbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung aufgehoben (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1981, 585). Die Erhebung von Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe nach Maßgabe des gemeinsam zu versteuernden Einkommens beider (also auch des der Kirche nicht angehörenden) Ehegatten verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG und überschreite den Rahmen des durch den Staat verliehenen Besteuerungsrechts.

Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Das FA und der beteiligte Kirchenkreis haben Revision eingelegt. Sie rügen Verletzung des Art. 3 Abs. 1 und des Art. 6 Abs. 1 GG. Die Bemessung des Kirchgeldes in glaubensverschiedener Ehe gemäß § 9 KirchStO sei mit dem GG vereinbar. Das sei dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 14. Dezember 1965 1 BvR 606/60 (BVerfGE 19, 268, 282) zu entnehmen und aus der Tatsache zu schließen, daß das BVerfG die Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) in einer ähnlichen Sache nicht zur Entscheidung angenommen habe (BVerfG-Beschluß vom 30. August 1982 1 BvR 1109/81, HFR 1984, 73). FA und Kirchenkreis beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.

Die Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg ist dem Verfahren über die Revision beigetreten. Sie ist übereinstimmend mit dem Kirchenkreis der Auffassung, daß die Erhebung von Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe nach Maßgabe der einschlägigen kirchlichen Rechtsvorschriften im hamburgischen Bereich der NELK mit dem GG vereinbar ist. Auch die Ermächtigung des § 4 Abs. 1 Satz 1 des Kirchensteuergesetzes (KiStG) sei verfassungsgemäß.

B. Rechtsgrundlagen

I. Die staatlichen Rechtsgrundlagen finden sich (außer in Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 6 WVR)

- im hamburgischen KiStG vom 15. Oktober 1973 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt - GVBl HA - S. 431, vgl. auch BStBl I 1977, 195), zuletzt geändert durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Kirchensteuergesetzes vom 14. November 1977 (GVBl HA 1977, 358, BStBl I 1978, 182),

- in der Verordnung über die Verwaltung von Kirchensteuern durch staatliche Behörden in der Freien und Hansestadt Hamburg vom 14. Dezember 1976 (GVBl HA S. 254, BStBl I 1977, 198).

II. 1. Die kirchlichen Rechtsgrundlagen sind enthalten

- in dem Kirchensteuergesetz der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche (Kirchensteuerordnung) vom 8. Oktober 1978 - KirchStO - (BStBl I 1979, 200), insbesondere in § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c, § 9, § 13, § 15, sowie

- in dem Kirchensteuergesetz über Art und Höhe der Kirchensteuern (Kirchensteuerbeschluß) vom 8. Oktober 1978 - KirchStB - (BStBl I 1979, 205), insbesondere dessen § 5.

2. KirchStO und KirchStB sind am 1. Dezember 1978 vom Senat der Freien und Hansestadt Hamburg genehmigt worden (BStBl I 1979, 205, 207).

 

Entscheidungsgründe

C. Entscheidungserheblichkeit

Die Entscheidung über die Revision hängt davon ab, ob § 4 Abs. 1 Satz 1 KiStG insoweit gültig ist, als er die steuerberechtigten Körperschaften ermächtigt, Art und Höhe des Kirchgeldes zu bestimmen.

Der vorlegende Senat will zwar sowohl bei Gültigkeit der genannten Vorschrift als auch bei ihrer Verfassungswidrigkeit die vorliegenden Revisionen zurückweisen. Die Rechtsfolgen der jeweils zu treffenden Entscheidung sind jedoch wegen der erforderlichen unterschiedlichen Begründung verschieden (Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Ulsamer, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 80 Tz. 246). Die aufgeworfene Verfassungsfrage ist damit entscheidungserheblich.

1. Ist die genannte Ermächtigung (auch im Hinblick auf die Erhebung eines Kirchgeldes in glaubensverschiedener Ehe) gültig, so kommt es für die Entscheidung über die Revision darauf an, ob die kirchenrechtliche Regelung des Kirchgeldes in glaubensverschiedener Ehe mit der Verfassung in Einklang steht. Diese Frage wird vom vorlegenden Senat insoweit verneint, als die Kirchgeldregelung das Vorhandensein von Kindern nicht berücksichtigt.

Im einzelnen:

a) Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 oder Art. 6 Abs. 1 GG, daß ein Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe nur in den Fällen erhoben wird, in denen die nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Nach dem Urteil des BVerfG, durch das der Halbteilungsgrundsatz verworfen wurde, stand der Gesetzgeber vor der Frage, wie ein kirchenangehöriger Ehegatte, dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sich durch die Ehe erhöht hatte, ohne daß er selbst über ein nennenswertes, der Einkommensteuer unterliegendes Einkommen verfügte, in angemessenem Umfang entsprechend seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zur Kirchensteuer herangezogen werden könnte (vgl. BVerfGE 19, 268, 282). Letztlich ging es dabei um die Frage, ob allein das der Einkommensteuer unterliegende Einkommen Grundlage einer Kirchensteuer sein sollte oder ob auch Folgerungen daraus gezogen werden sollten, daß sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Ehegatten aufgrund von eherechtlichen Vorschriften (vgl. §§ 1360, 1360 a, 1361 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) erhöhte. Der vorlegende Senat ist der Auffassung, daß die in diesem Zusammenhang zu treffende Entscheidung, ob ein Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe erhoben werden soll oder nicht, verfassungsrechtlich nicht vorgeprägt ist, daß es vielmehr eine Frage der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit ist, ob eine solche die Kirchensteuer vom Einkommen ergänzende und überlagernde Regelung eingeführt werden soll. Der Gleichheitssatz wird durch eine im Rahmen dieser Gestaltungsfreiheit getroffene Entscheidung nicht berührt (Nachweise bei Leibholz/Rinck, Grundgesetz, Kommentar, Art. 3 Tz. 10).

Wird ein Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe im Einzelfall nicht eingeführt (wie in einer Reihe von Bundesländern), so können die in glaubensverschiedener Ehe lebenden kirchenangehörigen Ehegatten mit eigenem Einkommen gegen ihre Heranziehung zur Kirchensteuer nicht einwenden, sie sei gleichheitswidrig, weil andere ebenfalls in glaubensverschiedener Ehe lebende kirchenangehörige Ehegatten ohne Einkommen, aber mit entsprechenden Unterhaltsansprüchen, keine Kirchensteuer zu zahlen hätten.

In gleicher Weise liegt es innerhalb der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, ob er ein verfassungsrechtlich mögliches Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe für alle kirchenangehörigen Ehegatten oder nur für die nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten einführen will, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden, wie dies in der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche der Fall ist. Auch durch diese Ausübung der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit wird nach Auffassung des vorlegenden Senats weder Art. 3 noch Art. 6 GG berührt.

Die Verhältnisse der dauernd getrennt lebenden Ehegatten und der nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten sind so unterschiedlich, daß der kirchliche Gesetzgeber nicht willkürlich handelt, wenn er ein Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe nur in den Zusammenveranlagungsfällen erhebt. Die zusammenveranlagten Ehegatten unterhalten in aller Regel nur einen Haushalt; ihnen kommt der günstige Splitting-Tarif bei der Einkommensteuer zugute. Die getrennt lebenden Ehegatten unterhalten demgegenüber regelmäßig zwei Haushalte; ihnen kommt der günstige Splitting-Tarif bei der Einkommensteuer nicht zugute.

Verfassungswidrig ist es auch nicht, daß die Nordelbische. Evangelisch-Lutherische Kirche die nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten, die die getrennte Veranlagung zur Einkommensteuer wählen, nicht in die Kirchgeldregelung einbezogen hat. Der kirchliche Gesetzgeber konnte berücksichtigen, daß die getrennte Veranlagung zur Einkommensteuer in diesen Fällen wegen der daraus folgenden Nichtanwendung des günstigen Splitting-Tarifs regelmäßig nur dann gewählt wird, wenn beide Ehegatten etwa gleich hohe Einkünfte erzielen und der kirchenangehörige Ehegatte deshalb eine angemessene Kirchensteuer vom Einkommen zu zahlen hat. Einer ergänzenden Kirchgeldregelung bedurfte es für diese Fälle nicht.

b) Die Kirchgeldregelung für glaubensverschiedene Ehen ist auch nicht deshalb verfassungswidrig, weil sie von dem zu versteuernden Einkommen beider Ehegatten ausgeht (§ 9 KirchStO). Darin ist keine im Hinblick auf Art. 4 Abs. 1 GG unzulässige Heranziehung des Ehegatten zur Kirchensteuer zu sehen, der keiner steuerberechtigten Körperschaft angehört.

Das Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe wird nach § 9 Abs. 2 KirchStO lediglich von dem kirchenangehörigen Ehegatten nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in Anknüpfung an seinen Lebensführungsaufwand erhoben. Dies ist verfassungsrechtlich zulässig (BVerfGE 19, 268, 282). Angesichts der Schwierigkeiten aber, den Lebensführungsaufwand des kirchenangehörigen Ehegatten zu ermitteln, ist es im Sinne einer Typisierung (vgl. BVerfGE 13, 341; 24, 183; 26, 185) als verfassungsrechtlich zulässig anzusehen, die Erhebung des Kirchgeldes nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des kirchenangehörigen Ehegatten auf der Grundlage des Einkommens beider Ehegatten zu regeln. Voraussetzung, ist, daß bei Aufstellung des Tarifes ausreichend berücksichtigt wird, daß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des kirchenangehörigen Ehegatten bei geringerem Einkommen beider Ehegatten stark eingeschränkt ist, daß ein Teil des gemeinsamen Einkommens nicht zur Erhöhung des Lebensführungsaufwandes führt und von einer gewissen Einkommenshöhe an der Lebensführungsaufwand nicht mehr steigen dürfte. Dies alles berücksichtigt die vorliegende kirchliche Regelung in ausreichendem Umfang.

Das Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe (vgl. § 5 KirchStB) setzt erst bei einem gemeinsamen Einkommen von 48 000 DM ein und erreicht seinen Spitzenbetrag von 4 800 DM bei einem gemeinsamen Einkommen von 400 000 DM.

Daß nicht das gesamte Einkommen beider Ehegatten der Sicherstellung des Lebensführungsaufwandes dient, kommt darin zum Ausdruck, daß das Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe erheblich niedriger ist als es eine Kirchensteuer vom Einkommen des kirchenangehörigen Ehegatten nach dem sog. Halbteilungsgrundsatz wäre. Bei einem zu versteuernden Einkommen beider Ehegatten von beispielsweise 48 000 DM ergibt sich eine Einkommensteuer für das Kalenderjahr 1979 nach der Splitting-Tabelle von 9 970 DM. Daraus ergäbe sich für den kirchenangehörigen Ehegatten nach dem sog. Halbteilungsgrundsatz bei einem Kirchensteuersatz von 8 v. H. eine Kirchensteuer vom Einkommen in Höhe von 398,80 DM gegenüber einem Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe von 240 DM. Auch bei höheren Einkommen sind ähnliche Relationen feststellbar.

Der vorlegende Senat ist darüber hinaus der Auffassung, daß auch eine Kirchensteuerregelung in glaubensverschiedener Ehe nach dem Halbteilungsgrundsatz verfassungsmäßig wäre, wenn sie auf die Fälle der Wahl der Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer beschränkt würde (unentschieden: BVerfGE 19, 268, 281; vgl. auch BVerfGE 20, 40, für konfessionsverschiedene Ehen).

Die Bestimmung des Lebensführungsaufwandes des kirchenangehörigen Ehegatten auf der Grundlage des steuerlichen Einkommens beider Ehegatten ist auch nicht deshalb verfassungswidrig, weil dieses Einkommen aus den verschiedensten Gründen von dem wirtschaftlichen Einkommen abweichen kann. Ist die auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen ausgerichtete Einkommensteuer, die an das steuerliche Einkommen anknüpft, verfassungsmäßig, so ist dies auch eine Kirchgeldregelung für glaubensverschiedene Ehen, die durch die Anknüpfung an das steuerliche Einkommen beider Ehegatten die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des kirchenangehörigen Ehegatten berücksichtigen will.

c) Mit dem Gleichheitssatz und Art. 6 Abs. 1 GG ist es aber nicht vereinbar, daß bei der Kirchgeldregelung Kinder unberücksichtigt bleiben. Da das Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in Anknüpfung an den Lebensführungsaufwand bemessen werden soll (vgl. § 9 Abs. 2 KirchStO), darf die Belastung durch Kinder nicht unberücksichtigt bleiben, zumal sich die Kinder auf die Höhe der Kirchensteuer vom Einkommen auswirken (vgl. hierzu § 51 a des Einkommensteuergesetzes - EStG -, § 3 Abs. 2 KiStG, § 1 Abs. 2 KirchStO). Angesichts der engen Verknüpfung zwischen der Kirchensteuer vom Einkommen und dem Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe (die Kirchensteuer vom Einkommen ist auf das Kirchgeld anzurechnen, § 3 Abs. 6 KiStG) ist es gleichheitswidrig, wenn das Vorhandensein von Kindern beim Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe unberücksichtigt bleibt.

Das Fehlen einer die Kinder berücksichtigenden Regelung kann nicht mit dem Hinweis gerechtfertigt werden, das Kirchgeld sei deutlich niedriger als eine vergleichbare Kirchensteuer vom Einkommen, die nach dem Halbteilungsgrundsatz berechnet worden wäre. Dieses Zurückbleiben des Kirchgeldes gegenüber der vergleichbaren Kirchensteuer vom Einkommen trifft auch für kinderlose Ehen zu und ist im übrigen die Folge der Überlegung, daß sich nicht das gesamte Einkommen beider Ehegatten in ihrem Lebensführungsaufwand niederschlägt. Dieses Zurückbleiben des Kirchgeldes kann deshalb nicht als Argument für die Nichtberücksichtigung von Kindern verwendet werden.

Der vorlegende Senat ist nicht in der Lage, die fehlende Regelung selbst zu schaffen. Wie das Vorhandensein von Kindern bei der Erhebung des Kirchgeldes in glaubensverschiedener Ehe zu berücksichtigen ist, haben die steuerberechtigten Körperschaften zu entscheiden. Es muß deshalb für den angenommenen Fall, daß die Ermächtigung verfassungsmäßig ist, bei der vom FG ausgesprochenen Aufhebung des angefochtenen Bescheides bleiben. Ein neuer Bescheid kann erst erlassen werden, wenn die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche die vorhandene kirchliche Regelung des Kirchgeldes in glaubensverschiedener Ehe mit Rückwirkung entsprechend ergänzt hat.

2. Ist die Ermächtigung des § 4 Abs. 1 Satz 1 KiStG, soweit sie das Kirchgeld in festen oder gestaffelten Beträgen betrifft, wegen fehlender Bestimmtheit verfassungswidrig, so bleibt es auch in diesem Falle bei der Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch das FG. Die Rechtsfolgen sind jedoch andere. Für den erneuten Erlaß eines Bescheides durch das FA würde in diesem Falle jegliche Rechtsgrundlage fehlen. Der erneute Erlaß eines Bescheides könnte nur dann in Betracht kommen, wenn der Landesgesetzgeber mit Rückwirkung (vgl. BVerfGE 13, 261, 272) eine neue gesetzliche Regelung schaffen würde. Trotz gleichen Tenors der Entscheidung (Revision unbegründet) läge wegen einer anderen Begründung mit anderen Rechtsfolgen im Sinne der Entscheidungserheblichkeit der Verfassungsfrage eine andere Entscheidung vor.

3. Die Entscheidungserheblichkeit der Verfassungsfrage läßt sich nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 1 KiStG beseitigen (vgl. unter D 2.).

D. Verfassungsfrage

1. Der vorlegende Senat hält § 4 Abs. 1 Satz 1 KiStG insoweit für ungültig, als er die steuerberechtigten Körperschaften ermächtigt, Art und Höhe des Kirchgeldes in festen oder gestaffelten Beträgen durch Steuervorschriften zu bestimmen.

Die Vorschrift ist insoweit unvereinbar mit dem Rechtsstaatsprinzip. Das Rechtsstaatsprinzip ist ein ungeschriebener Bestandteil des Art. 20 GG (Herzog in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 20 Abschn. VII Rdnr. 35). Es gebietet u. a., daß ein Landesgesetzgeber, der das formelle und materielle Kirchensteuerrecht nicht selbst in allen Einzelheiten regelt, sondern dies zu einem Teil (nämlich hinsichtlich des Kirchgeldes in festen oder gestaffelten Beträgen) den steuerberechtigten Körperschaften überlassen will, diesen eine ausreichend bestimmte Ermächtigung zur eigenen Regelung erteilt. Denn für die Kirchensteuer ist die staatliche Normierung konstitutiv (BVerfGE 19, 206, 217). Die Befugnis zur Erhebung von Kirchensteuer ist demgemäß ein den Kirchen vom Staat verliehenes Hoheitsrecht (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 6 WRV) und in ihrem Inhalt und Umfang durch die landesrechtlichen Bestimmungen begrenzt (BVerfGE 19, 248, 251, 252).

Für die Beurteilung, welchen Grad der Bestimmtheit eine Ermächtigung haben muß, ist die Eigenart des geregelten Sachverhaltes bedeutsam (vgl. BVerfGE 48, 210, 221, 222; 56, 1, 13). Da im vorliegenden Fall die Ermächtigung den Religionsgesellschaften erteilt worden ist, die gemäß Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV berechtigt sind, ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze zu ordnen und zu verwalten, braucht eine Ermächtigung zur Schaffung kirchensteuerrechtlicher Vorschriften zwar nicht so streng begrenzt zu sein, wie dies der (hier ohnehin nicht anwendbare) Art. 80 Abs. 1 GG für die Übertragung rechtsetzender Gewalt an die Exekutive vorschreibt (BVerfGE 19, 253, 267). Die Ermächtigung mußte aber im vorliegenden Fall wenigstens andeutungsweise die Grenzen der Gesetzgebung durch die Kirchen bezeichnen, weil die den Kirchen überlassene Regelung des Kirchgeldes in festen oder gestaffelten Beträgen zugleich eine Ermächtigung beinhaltet, die landesrechtlichen Vorschriften über die Kirchensteuer vom Einkommen entsprechend der für das Kirchgeld zu treffenden Regelung zu verdrängen. Der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zum hessischen Recht (BVerwGE 52, 104, 105) vermag der Senat nicht zu folgen. Die Rechtslage ist im hessischen Recht insoweit anders, als dort der Landesgesetzgeber das Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe ausdrücklich genannt hat (§ 2 Abs. 1 Nr. 5, § 4 KiStG Hessen).

Da die Kirchensteuer vom Einkommen auf das Kirchgeld angerechnet wird (§ 3 Abs. 6 KiStG), um eine unverhältnismäßige Belastung der Steuerpflichtigen oder einzelner Steuerpflichtiger zu vermeiden (vgl. die Drucksache der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg Nr. VII/2567, S. 7 zu § 3 Abs. 4), hängt es von der konkreten Ausgestaltung des Kirchgeldes durch die steuerberechtigten Körperschaften ab, in welchen Fällen die Kirchensteuer vom Einkommen durch das Kirchgeld verdrängt wird. Ein Landesgesetzgeber, der den steuerberechtigten Körperschaften dieses Recht einräumt, beachtet nach Auffassung des vorlegenden Senats nur dann das Rechtsstaatsprinzip in ausreichendem Maße, wenn er die Ermächtigung zu einer das staatliche Kirchensteuerrecht teilweise verdrängenden Regelung durch Kirchenrecht ausreichend konkretisiert. Eine derartige Begrenzung der Ermächtigung der steuerberechtigten Körperschaften ist im vorliegenden Fall aber nicht erkennbar. Es reicht nicht aus, daß lediglich die Begründung (vgl. Drucksache Nr. VII/2567, S. 6 zu § 3 Abs. 1) den allgemeinen Hinweis enthält, den steuerberechtigten Körperschaften solle es weitergehend als bisher ermöglicht werden, auch denjenigen Mitgliederkreis in angemessenem Umfang zur Kirchensteuer heranzuziehen, bei dem dies durch Anknüpfung an die staatliche Steuer nicht zu erreichen sei.

Regelt der Landesgesetzgeber (wie im vorliegenden Fall) die Kirchensteuer vom Einkommen weitgehend selbst, so darf er sich seiner Rechtsetzungsbefugnis zur Regelung einer die Kirchensteuer vom Einkommen ergänzenden und gegebenenfalls verdrängenden Kirchgeldregelung nicht völlig entäußern (vgl. hierzu auch Leibholz/Rinck, a. a. O., Art. 80 Tz. 2).

Dieser Auffassung stehen die Ausführungen des BVerfG nicht entgegen, wonach sich der Landesgesetzgeber auf die allgemeine Ermächtigung zur Erhebung von Kirchensteuern beschränken und die Einzelregelung des formellen und materiellen Kirchensteuerrechts den steuerberechtigten Religionsgesellschaften innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes überlassen kann (BVerfGE 19, 253, 258). Die genannten Ausführungen des BVerfG sind anläßlich der verfassungsrechtlichen Beurteilung einer beim Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung vorhandenen allgemeinen staatlichen Anerkennung des Besteuerungsrechtes einer Religionsgesellschaft gemacht worden. Sie können nach Auffassung des vorlegenden Senats nicht ohne weiteres auf eine nach dem Inkrafttreten des GG erlassene Ermächtigung übertragen werden. Im übrigen liegen die Umstände im vorliegenden Fall deshalb besonders, weil die steuerberechtigten Körperschaften aufgrund der Ermächtigung zur Erhebung eines Kirchgeldes in festen oder gestaffelten Beträgen in die landesrechtliche Regelung der Kirchensteuer vom Einkommen ergänzend und ändernd eingreifen dürfen.

Eine ausreichende Konkretisierung der Ermächtigung hinsichtlich der Regelung des Kirchgeldes in festen oder gestaffelten Beträgen ergibt sich auch nicht aus anderen landesrechtlichen Bestimmungen, insbesondere nicht aus einem Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und den steuerberechtigten Körperschaften.

Der Genehmigungsvorbehalt des Art. 4 Abs. 1 Satz 2 KiStG ersetzt die fehlende Konkretisierung der Ermächtigung zur Regelung des Kirchgeldes in festen oder gestaffelten Beträgen nicht. Denn die Genehmigung der kirchlichen Regelungen ist Aufgabe der Exekutive (hier: des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg) und nicht der Legislative. Im übrigen fehlt es auch an Vorschriften, nach welchen Gesichtspunkten die Exekutive zu prüfen hat, ob sie eine Genehmigung auszusprechen hat bzw. aussprechen will.

2. Der Senat hat geprüft, ob die Ermächtigung des § 4 Abs. 1 Satz 1 KiStG hinsichtlich der Regelung des Kirchgeldes in festen oder gestaffelten Beträgen nicht verfassungskonform dahin ausgelegt werden kann, daß die steuerberechtigten Körperschaften lediglich zum Erlaß von Vorschriften über ein Kirchgeld geringeren Umfanges (z. B. bis zu einem Höchstbetrage von 100 DM) ermächtigt werden. In diesem Falle würde mangels Verfassungswidrigkeit der Ermächtigung zur Erhebung eines Kirchgeldes in festen oder gestaffelten Beträgen eine Vorlage an das BVerfG entfallen; der Senat könnte die Revision des FA ohne weiteres zurückweisen. Für eine derartige verfassungskonforme Auslegung der Ermächtigung sind aber keine ausreichenden Anhaltspunkte vorhanden. Zwar mag der im Gesetz verwendete Begriff "Kirchgeld" auf eine Abgabe geringeren Umfanges hindeuten. Dies allein reicht aber nicht aus für die Annahme einer ausreichenden Konkretisierung der Ermächtigung im Hinblick auf ein Kirchgeld geringeren Umfanges.

Auch die Äußerungen in der Regierungsbegründung zu § 3 (Drucksache Nr. VII/2567) lassen nur erkennen, daß derjenige Mitgliederkreis in angemessenem Umfang durch ein Kirchgeld zur Kirchensteuer herangezogen werden soll, bei dem dies durch die Anknüpfung an die Kirchensteuer vom Einkommen nicht zu erreichen ist. Die Regierungsbegründung gibt jedoch keinerlei Hinweis darauf, daß nur eine Ermächtigung zur Erhebung eines Kirchgeldes mäßigen Umfanges erteilt werden sollte.

Unter diesen Umständen kann nach Auffassung des vorlegenden Senats nur angenommen werden, daß § 4 Abs. 1 Satz 1 KiStG insoweit mangels ausreichender Konkretisierung der Ermächtigung verfassungswidrig ist, als er die steuerberechtigten Körperschaften zum Erlaß von Vorschriften über ein Kirchgeld in festen oder gestaffelten Beträgen ermächtigt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74787

BStBl II 1984, 332

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