Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorläufiger Rechtsschutz im Lohnsteuerermäßigungsverfahren

 

Leitsatz (NV)

Lehnt das FA die Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte ab, ist ein Antrag auf vorläufige Eintragung im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung zwar statthaft. Jedoch entfällt das Rechtsschutzinteresse für eine vorläufige Eintragung, wenn sich der Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte wegen Zeitablaufs beim Lohnabzug nicht mehr auswirken kann.

 

Normenkette

EStG §§ 10e, 39b Abs. 2 S. 3, § 42b Abs. 3 S. 1; FGO §§ 69, 100 Abs. 1 S. 4, § 114

 

Tatbestand

Die Kläger, Revisionskläger und Antragsteller (Antragsteller) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 10. Juni 1992 erwarben die Antragsteller ein mit einem Einfamilien-Holz-Haus und einem Carport bebautes Grundstück für 208000 DM, das sie zu eigenen Wohnzwecken nutzen. Das Grundstück liegt in einem ausgewiesenen Sondergebiet für Ferien- und Wochenendhäuser. Die Antragsteller sind dort mit erstem und einzigem Wohnsitz polizeilich gemeldet.

Im Lohnsteuerermäßigungsverfahren für 1992 beantragten die Antragsteller unter anderem, einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 9607 DM sowie Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG in Höhe von 13587 DM als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte des Antragstellers einzutragen. Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) lehnte insoweit die Eintragung eines Freibetrags ab. Der Einspruch der Antragsteller war erfolglos.

Mit der Klage beantragten die Antragsteller, die Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbescheids festzustellen. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte aus, der ablehnende Bescheid des FA sei rechtmäßig gewesen. Die Steuerbegünstigung nach § 10e EStG werde nur für selbstbewohnte Wohnungen gewährt, die keine Ferien- oder Wochenendwohnungen seien (§ 10e Abs. 1 Satz 2 EStG). Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. März 1990 X R 160/88 (BFHE 160, 481, BStBl II 1990, 815) seien Ferien- oder Wochenendwohnungen i.S. des § 10e EStG solche Wohnungen, die sich rechtlich oder tatsächlich nicht zum dauernden Bewohnen eigneten. In einem Sondernutzungsgebiet nach § 10 Abs. 1 der Baunutzungsverordnung - BauNVO - (z.B. Wochenend- oder Ferienhausgebiet) belegene Wohnungen dürften baurechtlich nicht ganzjährig bewohnt werden; sie seien daher nicht nach § 10e EStG begünstigt. Darauf, daß die Gemeinde die ganzjährige Nutzung des Einfamilienhauses durch die Antragsteller dulde, komme es nicht an, weil die Gemeinde insoweit rechtswidrig handle.

Die Antragsteller haben gegen das finanzgerichtliche Urteil Revision eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.

Im vorliegenden Verfahren beantragen sie, im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 114 der Finanzgerichtsordnung (FGO) das FA zu verpflichten, bis zu einer Entscheidung des BFH im Revisionsverfahren die geltend gemachte Lohnsteuerermäßigung für steuerbegünstigten Wohnraum einstweilen zu gewähren.

Zur Begründung ihres Antrags auf einstweilige Anordnung führen die Antragsteller aus: Voraussichtlich werde der BFH über das Revisionsverfahren erst in einigen Jahren entscheiden. Im Interesse der Rechtssicherheit dürften die betroffenen Steuerbürger, Städte und Gemeinden nicht mehrere Jahre über die gebotene rechtliche Vorgehensweise im Unklaren gelassen werden. Für den Fall, daß der BFH nach vorläufiger Prüfung im Verfahren der einstweiligen Anordnung die Revision für unbegründet halte, erhielten die Gemeinden Gelegenheit, sogleich darüber zu entscheiden, ob in die Bebauungspläne eine Ausnahmebestimmung für die Anmeldung des ersten Wohnsitzes in dem Wochenendhausgebiet aufgenommen werden solle. Bei überwiegender Erfolgsaussicht könnten sich die Gemeinden eine Änderung der Bebauungspläne ersparen. Ohne eine Eilentscheidung des BFH bestünde die Gefahr, daß durch die schnelle Einfügung einer Ausnahmebestimmung in den Bebauungsplan in zahlreichen Städten und Gemeinden die Wochenend-hausgebiete und der diese Gebiete umgebende Außenbereich bereits vor einer ab-schließenden Entscheidung des BFH im Revisionsverfahren unabänderlich einen wesentlich anderen Charakter bekomme. Werde mit dem Planänderungsverfahren erst nach der Revisionsentscheidung des BFH begonnen, bliebe die Rechtslage zu Ungunsten der Steuerbürger langjährig in einem ungeklärten Schwebezustand.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf einstweilige Anordnung ist unzulässig. Nach dem BFH-Beschluß vom 29. April 1992 VI B 152/91 (BFHE 167, 152, BStBl II 1992, 752 m.w.N.) ist vorläufiger Rechtsschutz im Lohnsteuerermäßigungsverfahren nicht im Wege der einstweiligen Anordnung, sondern durch Aussetzung der Vollziehung zu gewähren.

Eine Umdeutung des Antrags auf einstweilige Anordnung in einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung kann dem Verfahren ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen.

Lehnt das FA die Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte ab, ist ein Antrag auf vorläufige Eintragung im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung zwar statthaft. Jedoch entfällt das Rechtsschutzinteresse für eine vorläufige Eintragung, wenn sich der Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte beim Lohnabzug nicht mehr auswirken kann. Der Arbeitgeber hat einen Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte bei der Ermittlung der vom Arbeitslohn einzubehaltenden und abzuführenden Lohnsteuer nach Maßgabe der Eintragung auf der Lohnsteuerkarte vom Arbeitslohn abzuziehen (§ 39b Abs. 2 Satz 3 EStG). Am Ende des Kalenderjahres hat der Arbeitgeber das Lohnkonto des Arbeitnehmers abzuschließen und eine Lohnbescheinigung auszustellen (§ 41b Abs. 1 EStG). Bis zu diesem Zeitpunkt kann sich ein Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte beim Lohnabzug auswirken. Da der Arbeitgeber einen Lohnsteuerjahresausgleich für den Arbeitnehmer spätestens bei der Lohnabrechnung für den letzten Lohnzahlungszeitraum durchführen muß, der im Monat März des dem Ausgleichsjahr folgenden Kalenderjahres endet (§ 42b Abs. 3 Satz 1 EStG), besteht spätestens nach Ablauf dieses Zeitpunkts kein Rechtsschutzinteresse mehr für den Steuerpflichtigen auf Eintragung eines Freibetrags (BFH-Urteil vom 1. Dezember 1993 X R 99/91, BStBl II 1994, 305 m.w.N.). Im Klageverfahren kann der Steuerpflichtige nach Ablauf dieses Zeitpunkts zum Fortsetzungsfeststellungsverfahren nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO übergehen. Im Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung ist dagegen ein Übergang zu einem Antrag auf (vorläufige) Feststellung der Rechtswidrigkeit nicht statthaft (BFH-Beschlüsse vom 17. Januar 1985 VII B 46/84, BFHE 142, 564, BStBl II 1985, 302, und vom 13. Februar 1991 IX B 5/90, BFH/NV 1991, 746).

Sollte der Antrag der Antragsteller auf eine vorläufige Eintragung des begehrten Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte 1994 gerichtet sein, wäre der Antrag ebenfalls unzulässig, weil dieser zunächst beim FA (§ 69 Abs. 4 FGO) und nach Ablehnung durch das FA beim FG als zuständigem Gericht der Hauptsache (§ 69 Abs. 3 FGO) gestellt werden müßte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419904

BFH/NV 1994, 783

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