Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung der vom FG ausgesprochenen AdV von UStBescheiden im Beschwerdeverfahren (Vorsteuerabzug aus in Anspruch genommener Arbeitnehmerüberlassung)

 

Leitsatz (NV)

Die Rechtmäßigkeit der Kürzung von Vorsteuer ist nicht ernstlich zweifelhaft, wenn die in Anspruch genommene Leistung in der Überlassung eines Kranführers bestanden hat, die Rechnungen aber über m3 ,,Mauerwerk" lauten.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 2-3; UStG 1980 § 15 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Klin. betreibt ein Bauunternehmen. In den Streitjahren (1982 und 1983) führte sie Rohbauarbeiten aus. In diesem Zusammenhang überließ ihr eine Firma X einen Kranführer. Hierfür erteilte die Firma X der Klin. Rechnungen, die insgesamt Vorsteuerbeträge in Höhe von . . . DM (1982) und . . . DM (1983) ausweisen. Als Leistungsbezeichnung enthalten die Rechnungen die Angabe ,,Mauerwerk". Der Rechnungsbetrag zuzüglich der gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer war jeweils als Produkt aus der Menge des Mauerwerks (Kubikmeterzahl) und einem Kostenfaktor ermittelt. Die Klin. machte die gesondert ausgewiesene Steuer in den Streitjahren als Vorsteuer geltend.

Dies wurde bei einer im Februar 1985 durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung aufgedeckt. Das FA erließ daraufhin geänderte Umsatzsteuerbescheide 1982 und 1983 vom 8. März 1985, in denen es u. a. im erwähnten Umfang den Vorsteuerabzug kürzte.

Die Einsprüche blieben erfolglos. Über die Klage ist noch nicht entschieden.

Nach Ablehnung eines Aussetzungsantrages durch das FA beantragte die Klin. beim FG, die Vollziehung der angefochtenen Bescheide in Höhe von . . . DM bzw. . . . DM auszusetzen. Zur Begründung machte sie geltend, die Kürzung der Vorsteuer sei nicht gerechtfertigt. Die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug lagen vor. Die Rechnungen der Firma X seien ordnungsgemäß und vollständig. Es sei unerheblich, ob die Leistungen als Werkleistungen oder als Arbeitnehmerüberlassung bezeichnet worden seien. Aus der Angabe der hergestellten Werke lasse sich herleiten, daß Leistungen für das Bauunternehmen ausgeführt worden seien.

Das FG gab dem Antrag mit der Begründung statt, die Voraussetzungen des § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 der FGO seien erfüllt. Hinsichtlich der vom FA vorgenommenen Vorsteuerkürzung beständen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide. Auf Grund der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung habe die Klin. den Vorsteuerabzug auch aus den Rechnungen der Firma X geltend machen dürfen. Die Rechnungen entsprächen den Anforderungen des § 15 Abs. 1 UStG 1980.

Abgesehen von der umstrittenen Leistungsbezeichnung seien sämtliche Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG 1980 erfüllt. Es stehe auch fest, daß die Firma X gegenüber der Klin. zum Vorsteuerabzug berechtigende Leistungen erbracht habe. Die bewirkten Leistungen seien jedoch in den Rechnungen unzutreffend bezeichnet. Diese hätten nicht in der Errichtung von Mauerwerk, sondern im Überlassen eines Kranführers bestanden. Eine zutreffende Bezeichnung der erbrachten Leistung sei allerdings nicht ausnahmslos erforderlich (gleicher Ansicht: Beschluß des FG Düsseldorf vom 29. Februar 1984 XV 356/83 A - U -, UR 1985, 37; Beschluß des FG München vom 17. April 1984 III 397/83 Aus - U -, UR 1985, 37; a. A.: Beschluß des FG Düsseldorf vom 27. Mai 1983 XIII 221/83 A - U -, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG 1984, 146; Urteil des FG Münster vom 13. Juni 1984 V 7113/83 U, EFG 1985, 203). Auch in anderen Fällen lasse die Finanzverwaltung den Vorsteuerabzug ohne vollständige Rechnung zu, wenn ausweislich der sonstigen Unterlagen zweifelsfrei eine Leistung erbracht worden sei.

Mit der - vom FG zugelassenen - Beschwerde beantragt das FA, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen. Zur Begründung macht das FA geltend, die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide sei nicht ernstlich zweifelhaft. Der Sachverhalt sei nicht streitig. Umstritten sei ausschließlich die Frage, ob die Klin. zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Das FG habe in dem angefochtenen Beschluß abermals seine Auffassung zugrunde gelegt, daß die Angabe des Leistungsgegenstandes in einer Rechnung für den Vorsteuerabzug dann keine Bedeutung habe, wenn feststehe, daß überhaupt keine Leistungen an das Unternehmen erbracht worden seien, die zum Vorsteuerabzug berechtigten. Deutlicher als in dem Beschluß in UR 1985, 37, der Gegenstand des Beschlusses des BFH vom 21. Februar 1985 V B 27/84 (BFHE 143, 171) gewesen sei, weise das FG nunmehr der Rechnung nur noch die Funktion eines Beweisanzeichens zu, das durch andere Nachweise, wie z. B. die Feststellung, daß tatsächlich eine Leistung erbracht worden sei, ersetzt werden könne. Diese Auffassung stehe im Widerspruch zu den klaren gesetzlichen Bestimmungen der §§ 15 und 14 UStG 1980, die in bezug auf den Vorsteuerabzug der Rechnungen sowohl hinsichtlich der Berechtigung als auch hinsichtlich des Nachweises die wesentliche Bedeutung zumäßen. Erst die Rechnung berechtige - nach empfangener Leistung - zum Vorsteuerabzug. Wenn der Rechnung nur die Bedeutung eines Beweises zukäme, der auch anderweitig erbracht werden könnte, so hätte der Gesetzgeber entsprechend der Regelung zu anderen Nachweisen (vgl. z. B. die Regelungen zu den Nachweisen für die Steuerbefreiung der Ausfuhrlieferungen) dies in § 15 UStG 1980 deutlich gemacht. Statt dessen habe er nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift die Vorsteuerabzugsberechtigung vom Vorliegen einer Rechnung i. S. des § 14 UStG 1980 abhängig sein lassen. Im Streitfall komme es im Gegensatz zu den vom BFH in den Beschlüssen in BFHE 143, 171 und vom 4. Juli 1985 V B 15/85 (BFH/NV 1986, 182) entschiedenen Fällen nicht auf die Frage an, ob als Rechnung i. S. von § 15 UStG 1980 die Rechnung nach § 14 Abs. 1 oder Abs. 4 UStG 1980 zu verstehen sei. Denn aus der Sicht beider Vorschriften sei im vorliegenden Fall der Leistungsgegenstand und -umfang nicht in einer von anderen Leistungsbezeichnungen unterscheidbaren Weise beschrieben worden. Die Leistungen hätten unbestritten in der Überlassung eines Kranführers bestanden, während die Rechnungen jeweils über eine bestimmte Anzahl von ,,Kubikmetern Mauerwerk" lauteten. Entgegen der Ansicht des FG könnten die Rechnungen den Leistungen nicht in der Weise zugeordnet werden, daß sie sich als ausreichend für Zwecke des Vorsteuerabzugs ansehen ließen. Die Abweichung der Leistungsbeschreibung in den Rechnungen vom tatsächlichen Leistungsgegenstand sei vielmehr so groß, daß aus ihnen die den Zugang zum Vorsteuerabzug eröffnete Leistung nicht in dem erforderlichen Maße individualisiert und dem geltend gemachten Vorsteuerabzug zugeordnet werden könne. Dies werde u. a. dadurch deutlich, daß der wahre Sachverhalt bei der Umsatzsteuersonderprüfung erst nach längeren und intensiven Ermittlungen und letztlich nur auf Grund des Umstandes bekanntgeworden sei, daß die Firma X außer der Überlassung des Kranführers keine weiteren Leistungen an die Klin. erbracht habe. Selbst ein sachverständiger Dritter hätte - anders als in den beiden vom BFH bereits im Aussetzungsverfahren entschiedenen Fällen - aus den Rechnungen allein keine auch nur annähernd in die Nähe des tatsächlichen Sachverhalts reichenden Rückschlüsse ziehen können. Damit sei aber nachgewiesen, daß hier die Rechnungen nicht den Erfordernissen genügten, die der Gesetzgeber für Zwecke des Vorsteuerabzugs aufgestellt habe (vgl. auch Urteil des FG Münster vom 13. Juni 1984 V 7113/83 U, EFG 1985, 203; Weiß, UR 1985, 25; Schwakenberg, UR 1985, 135).

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet; unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wird der Antrag der Klin., die Vollziehung der geänderten Umsatzsteuerbescheide 1982 und 1983 auszusetzen, abgelehnt. Das FG ist von unzutreffend geringen Anforderungen des Vorsteuerabzugs an die Beschreibung des Leistungsgegenstands in entsprechenden Rechnungen ausgegangen.

1. Im Verfahren über die Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung durch das FG wird die finanzgerichtliche Entscheidung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht in vollem Umfang überprüft (vgl. BFH-Beschluß vom 19. April 1968 IV B 3/66, BFHE 92, 314, BStBl II 1968, 538). Dementsprechend war hier vor allem zu untersuchen, ob das FG hat annehmen dürfen, es sei ernstlich zweifelhaft, daß bei einer in der Überlassung eines Kranführers bestehenden Leistung eine ausreichende Leistungsbeschreibung i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 dann nicht vorliege, wenn über die Errichtung von Mauerwerk abgerechnet wird. Hierbei kommt der Senat zum entgegengesetzten Ergebnis dessen, was vom FG im angefochtenen Beschluß angenommen worden ist.

2. Der Senat hat noch nicht durch Urteil entschieden, welche Anforderungen durch § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 an die Leistungsbeschreibung gestellt werden. Er hat sich hierzu in zwei die Aussetzung der Vollziehung betreffenden Beschlüssen geäußert (in BFHE 143, 171, und in BFH/NV 1986, 182). Außerdem hat er in den Urteilen vom 24. April 1986 V R 138/78 (BFHE 146, 489, BStBl II 1986, 581) und vom 12. Juni 1986 V R 75/78 (BFHE 146, 569, BStBl II 1986, 721) entschieden, welche Angaben nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967/73 ein Abrechnungspapier zur Beschreibung des Leistungsgegenstandes enthalten muß.

Geht man davon aus, daß die Anforderungen an den Inhalt des Abrechnungspapiers durch die Änderung des Gesetzeswortlautes nicht verschärft worden sind (,,. . . gesondert in Rechnung gestellte Steuer . . ." - § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967/73 -; ,,. . . die in Rechnungen im Sinne des § 14 gesondert ausgewiesene Steuer . . ." - § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 -), so ist nach wie vor erforderlich, daß das Abrechnungspapier Angaben tatsächlicher Art enthalten muß, welche die Identifizierung der Leistung ermöglichen, über die abgerechnet wird (vgl. Urteile in BFHE 146, 489, BStBl II 1986, 581, und in BFHE 146, 569, BStBl II 1986, 721).

Diesen Anforderungen genügen die Angaben in den umstrittenen Rechnungen nicht. Eine Abrechnung über hergestelltes Mauerwerk ist bei Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 nicht dazu geeignet, die in der Überlassung eines Kranführers bestehende Leistung zu identifizieren; denn sie weist statt auf die ausgeführte auf eine andere, nicht ausgeführte Leistung hin. Dies wird nicht durch den Umstand in Frage gestellt, daß es bei der Umsatzsteuersonderprüfung doch noch gelungen ist, die Rechnungen mit den wirklich ausgeführten Leistungen in Verbindung zu bringen. Darauf, daß letzten Endes die Leistung, über die abgerechnet worden ist, mit Hilfe anderer Nachweismittel hat festgestellt werden können, kommt es, wenn das Gesetz einen Belegnachweis verlangt und dieser nicht geführt wird, nicht an.

3. Die Vorentscheidung hält mithin den Angriffen der Beschwerde nicht stand. Sie war daher aufzuheben. Mangels der erforderlichen ernstlichen Zweifel an der Rechtsmäßigkeit der angefochtenen Bescheide war der Antrag der Klin. auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415498

BFH/NV 1988, 470

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