Entscheidungsstichwort (Thema)

Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Überraschungsentscheidung; Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit bei GmbH-Geschäftsführern

 

Leitsatz (NV)

  1. Zu den Voraussetzungen der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch eine sog. Überraschungsentscheidung des Gerichts.
  2. Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit, die an GmbH-Geschäftsführer gezahlt werden, sind grundsätzlich nicht nach § 3b EStG von der Einkommensteuer befreit.
 

Normenkette

EStG § 3b; FGO § 96 Abs. 2

 

Gründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Die geltend gemachten Verfahrensmängel sind nicht schlüssig dargelegt.

a) Dem Vortrag der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist kein Verstoß des Finanzgerichts (FG) gegen seine Verpflichtung zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) zu entnehmen. Danach lagen dem FG alle entscheidungserheblichen Kontounterlagen vor. Sollte dies tatsächlich nicht der Fall gewesen sein, hätten die Kläger darlegen müssen, welche zusätzlichen Ermittlungen sich dem FG hätten aufdrängen müssen und warum sie ggf. noch vorhandene Unterlagen nicht von sich aus vorgelegt oder entsprechende Beweise nicht von sich aus angeboten haben (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 30. September 1997 VIII B 140/95, BFH/NV 1998, 472, m.w.N.).

b) Die Kläger konnten nicht davon überrascht worden sein, dass das Gericht seiner Entscheidung nur die ihm vorliegenden Kontounterlagen ohne weitere Hinweise zum Sach- und Rechtsstand zugrunde gelegt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH liegt eine Überraschungsentscheidung nur vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der alle oder einzelne Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen mussten (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 24. April 1990 VIII R 170/83, BFHE 160, 256, BStBl II 1990, 539, und vom 31. Juli 1991 VIII R 23/89, BFHE 165, 398, BStBl II 1992, 375; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 119 Rdnrn. 10a und 16, m.w.N.). Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt jedoch nicht, dass das Gericht die maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte mit den Beteiligten umfassend erörtert. Das Gericht ist grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet (vgl. auch BFH-Beschluss vom 26. April 1995 I B 166/94, BFHE 177, 451, BStBl II 1995, 532). Auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, muss ein Verfahrensbeteiligter grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einrichten (vgl. u.a. Bundesverfassungsgericht ―BVerfG―, Beschluss vom 13. Oktober 1994 2 BvR 126/94, Deutsches Verwaltungsblatt ―DVBl― 1995, 34).

c) Die Beschwerde legt auch nicht hinreichend dar, dass das FG das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht berücksichtigt habe (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das FG hat ausgeführt, dass der Klägerin nur diejenigen Beträge auf den Konten nicht zugerechnet werden könnten, deren Verbleib konkret festgestellt werden könne oder die von dem Bruder der Klägerin unterschlagen worden seien. Die unterschlagenen Beträge seien nicht mehr feststellbar und im Schätzungswege gleichmäßig auf die Streitjahre zu verteilen. Die Beschwerde hätte deshalb zur Begründung eines Verstoßes gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO die Unterlagen genau bezeichnen müssen, die eine konkrete Zuordnung zu einem bestimmten Verwendungszweck und der Unterschlagung erkennen lassen; dabei ist von der materiell-rechtlichen Auffassung des FG ―hier insbesondere der Beweislastverteilung bei verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA)― auszugehen (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 9. Januar 1996 VII B 171/95, BFH/NV 1996, 612, m.w.N.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 72, m.w.N.).

d) Die rechtlichen Folgerungen, die das Gericht aus den ihm vorliegenden Kontounterlagen gezogen hat, können im vorliegenden Verfahren nicht überprüft werden. Sowohl die Beweislastverteilung (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 21. Dezember 2002 VIII B 132/00, BFH/NV 2002, 661, m.w.N.) und die Beweiswürdigung (vgl. dazu die Nachweise bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 82) als auch die Beurteilung, ob und in welchem Umfang der Klägerin die auf den Konten gebuchten Beträge als vGA zuzurechnen und zugeflossen sind, sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen.

2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung.

Auszugehen ist von dem im Urteil des FG festgestellten Sachverhalt. Danach hat die S-GmbH das Entgelt für die Geschäftsführertätigkeit der Kläger in vollem Umfang für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gewährt, weil sie nahezu ausschließlich während dieser Zeiten tätig gewesen seien. Die Kläger haben keine Berichtigung dieses Tatbestands nach § 108 FGO beantragt; der erkennende Senat kann deshalb den von ihnen mit der Beschwerde vorgetragenen Sachverhalt nicht mehr berücksichtigen (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 17. März 2000 VII B 1/00, BFH/NV 2000, 1125).

Die Frage, ob Arbeitnehmer, die ausschließlich Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit verrichten, von der Anwendung des § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausgeschlossen sind, ist nicht mehr klärungsbedürftig. Werden neben dem Lohn für diese Tätigkeit keine Nachtzuschläge bezahlt, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 3b Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 EStG, dass die Lohnzahlungen nicht begünstigt sind. Das gilt auch dann, wenn diese Zahlungen als "Zuschläge" bezeichnet werden (BFH-Beschluss vom 29. März 2000 VI B 399/98, BFH/NV 2000, 1093). Im Streitfall kommt hinzu, dass die Kläger Geschäftsführer der S-GmbH waren und auf sie wegen ihrer erweiterten Dienstleistungsverpflichtung § 3b EStG grundsätzlich nicht anwendbar ist. Das gilt sowohl für den Kläger als Fremdgeschäftsführer (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 27. Juni 1997 VI R 12/97, BFH/NV 1997, 849) als auch für die Klägerin als Gesellschafter-Geschäftsführerin (vgl. dazu BFH-Urteil vom 27. März 2001 I R 40/00, BFHE 195, 243, BStBl II 2001, 655, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 19. Juli 2001 I B 14/00, BFH/NV 2001, 1608). Es können aus diesem Lohn auch keine Zuschläge herausgerechnet werden (BFH-Urteil vom 28. November 1990 VI R 144/87, BFHE 163, 79, BStBl II 1991, 296).

3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung der Entscheidung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 962750

BFH/NV 2003, 1309

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