Leitsatz (amtlich)

Der Bescheld, mit dem der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wird, ist ein vollziehbarer Verwaltungsakt.

 

Normenkette

AO 1977 § 164; FGO § 69

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) stellte zum 1. Januar 1977 einen Einheitswert des gewerblichen Betriebs fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 der Abgabenordnung (AO 1977) und wurde unanfechtbar. Später hob das FA den Vorbehalt auf. Gegen diesen Bescheid wandte sich die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) zunächst mit dem Einspruch und dann mit der Klage. Sie begehrte, den Einheitswertbescheid ersatzlos aufzuheben, weil zum 1. Januar 1977 ein Gewerbebetrieb noch nicht bestanden habe. Über die Klage ist noch nicht entschieden. Gleichzeitig beantragte die Antragstellerin beim Finanzgericht (FG), die Vollziehung des Aufhebungsbescheids nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen.

Das FA wandte sich gegen den Antrag mit der Begründung, daß der Aufhebungsbescheid kein vollziehbarer Verwaltungsakt sei, da er keine Steuerfestsetzung enthalte. Sein Regelungsinhalt erschöpfe sich in der Aufhebung des Vorbehalts.

Das FG hat die Vollziehung des Aufhebungsbescheids ausgesetzt.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde des FA war erfolglos.

Einer Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO sind nur vollziehbare Verwaltungsakte fähig. Das sind insbesondere auf eine Geldleistung gerichtete Steuerbescheide. Entgegen der Auffassung des FA ist der Aufhebungsbescheid vom 8. Dezember 1981 ebenfalls ein vollziehbarer Verwaltungsakt.

a) Der vorliegende Rechtsstreit betrifft das Verhältnis von Vorbehaltsbescheid und Aufhebungsbescheid. Beide sind selbständige Verwaltungsakte. Der Vorbehaltsvermerk ist eine unselbständige Nebenbestimmung des Steuerbescheids nach § 120 Abs. 1 AO 1977 (vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 164 AO 1977 Anm. 12), also kein selbständiger Verwaltungsakt. Er bildet zusammen mit dem Steuerbescheid eine Einheit. Der Steuerpflichtige kann den Vorbehaltsvermerk nicht selbständig anfechten, er muß vielmehr die Kassation des ganzen Steuerbescheids beantragen (vgl. BFH-Urteil vom 30. Oktober 1980 IV R 168-170/79, BFHE 132, 5, BStBl II 1981, 150). Trotz dieser Unselbständigkeit des Vorbehaltsvermerks ist im Gesetz vorgesehen, daß der Vorbehalt der Nachprüfung von den Finanzbehörden gemäß § 164 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 jederzeit isoliert aufgehoben werden kann -- Aufhebungsbescheid -- (wegen des Wegfalls des Vorbehaltsvermerks durch Zeitablauf vgl. § 164 Abs. 4 AO 1977). Der Senat sieht darin eine Regelung, die der Vereinfachung dient. Ergibt die abschließende Prüfung, daß die Steuer in der richtigen Höhe festgesetzt ist, die Steuerfestsetzung also hinsichtlich ihrer Höhe weder nach oben noch nach unten geändert werden muß (Änderungsbescheid), so braucht der Steuerbescheid nicht mehr in seinem vollen Umfang wiederholt zu werden. Es genügt aus Vereinfachungsgründen vielmehr, den Vorbehaltsvermerk aufzuheben. So wurde in der Vergangenheit auch beim vorläufigen Bescheid (§ 100 der Reichsabgabenordnung -- AO --) verfahren. Die Verwaltungspraxis beschränkte sich darauf, den vorläufigen Bescheid für endgültig zu erklären (vgl. Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung, 7. Aufl., § 225 Anm. 2 unter Buchst. a). Diese Praxis wurde nunmehr in das Gesetz (§ 165 Abs. 2 AO 1977) übernommen. Danach ist, wenn die Ungewißheit beseitigt ist, eine vorläufige Steuerfestsetzung (aufzuheben, zu ändern oder) für endgültig zu erklären.

b) Nach § 164 Abs. 3 Satz 2 erster Halbsatz AO 1977 hat der Aufhebungsbescheid die Wirkung einer endgültigen Steuerfestsetzung. Durch diese gesetzliche Fiktion wird erreicht, daß der Aufhebungsbescheid wie ein Steuerbescheid anzusehen ist. Das hat notwendig zur Folge, daß der Steuerpflichtige gegen den Aufhebungsbescheid Einspruch Einlegen und Anfechtungsklage erheben kann und daß er auch, da § 164 AO 1977 insoweit keine Einschränkung enthält, die Vollziehungsaussetzung beantragen kann. Der Aufhebungsbescheid ist allerdings, und darauf zielt der Einwand des FA ab, ein Steuerbescheid mit einem verkürzten Inhalt. Denn in ihm wird die Steuerfestsetzung nicht wiederholt. Insoweit entfaltet jedoch der Vorbehaltsbescheid noch seine Wirkung, d. h. bezüglich der Steuerfestsetzung nimmt der Aufhebungsbescheid den ursprünglichen Vorbehaltsbescheid in seinen Regelungsinhalt mit auf. Diese Rechtsfolge ergibt sich nunmehr unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung in § 164 Abs. 3 Satz 2 AO 1977, wonach der Aufhebungsbescheid wie ein Steuerbescheid wirkt. (Für die Zeit vor Inkrafttreten der AO 1977 kam der Große Senat des BFH in seinem Beschluß vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231 für das Verhältnis von ursprünglichem und Änderungsbescheid bzw. zwischen Erst- und Zweitbescheid zum gleichen Ergebnis; vgl. für die Endgültigerklärung im Anschluß an einen vorläufigen Bescheid nach altem Recht auch Gräber, Deutsches Steuerrecht -- DStR -- 1974, 131, 133).

Dieses Ergebnis trägt auch, worauf das FG mit Recht hingewiesen hat, der Überlegung Rechnung, daß der Steuerpflichtige den Vorbehaltsbescheid formell bestandskräftig werden und seine Einwendungen erst bei der Anfechtung des endgültigen (Aufhebungs-) Bescheids erheben kann (vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., § 164 AO 1977 Anm. 33; ebenso BFH-Entscheidung vom 13. November 1975 IV R 61/75, BFHE 120, 1, BStBl II 1977, 126 im Verhältnis von endgültigem zu vorläufigem Bescheid).

c) Die vom FG weiter erörterte Frage, ob die Vollziehung eines Aufhebungsbescheids auch dann noch ausgesetzt werden kann, wenn der Steuerpflichtige die Steuer auf den Vorbehaltsbescheid gezahlt hat (vgl. zu dem gleichgelagerten Fall der Aussetzung der Vollziehung der Endgültigkeitserklärung bei Zahlung der vorläufig festgesetzten Steuer BFH-Beschluß vom 27. Januar 1977 IV B 72/74, BFHE 121, 289, BStBl II 1977, 367), kann offenbleiben; denn im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin die streitige Gewerbesteuer in Höhe von 17 487 DM noch nicht gezahlt.

d) Soweit das FA in seiner Beschwerde nicht nur auf die fehlende Steuerfestsetzung abhebt, sondern im Aufhebungsbescheid auch das Leistungsgebot vermißt, verkennt es, daß das Leistungsgebot weder ein Bestandteil des Steuerbescheids noch Voraussetzung für eine Vollziehungsaussetzung nach § 69 FGO ist. Es ist lediglich Voraussetzung für den Beginn der Vollstreckung (§ 254 AO 1977).

e) Die vorstehend (unter a und b) zum Verhältnis von Vorbehaltsbescheid und Aufhebungsbescheid beim Steuerbescheid dargestellte Rechtslage gilt für Grundlagenbescheide (hier den Einheitswertbescheid des Betriebsvermögens) in gleicher Weise (vgl. § 181 Abs. 1 AO 1977).

 

Fundstellen

Haufe-Index 74439

BStBl II 1983, 622

BFHE 1983, 422

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