Zusammenfassung

 
Überblick

In der Praxis wird die Kündigungsschutzklage häufig mit einer Klage auf Weiterbeschäftigung verbunden. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf tatsächliche Beschäftigung endet nämlich mit dem Zugang einer fristlosen Kündigung oder dem Ablauf der Kündigungsfrist. Daran ändert auch die Erhebung der Kündigungsschutzklage zunächst nichts. Ein Weiterbeschäftigungsanspruch für die Zeit eines laufenden Kündigungsschutzprozesses kann sich ergeben, wenn der Betriebsrat oder Personalrat einer Kündigung widersprochen hat. Bei erstinstanzlichem Obsiegen hat der Arbeitnehmer aus allgemeinen Grundsätzen einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung, auch wenn der Kündigungsschutzprozess noch nicht beendet ist. Ohne Geltendmachung des Weiterbeschäftigungsanspruchs im Gerichtsverfahren hat der Arbeitnehmer jedoch auch bei erstinstanzlichem Obsiegen mit der Kündigungsschutzklage noch keinen durchsetzbaren Titel auf Beschäftigung.

1 Betriebsverfassungsrechtlicher Weiterbeschäftigungsanspruch

Das BetrVG regelt in § 102 Abs. 5 BetrVG (und entsprechend § 85 Abs. 2 BPersVG) unter bestimmten Voraussetzungen als Folge des Widerspruchs der Arbeitnehmervertretung gegen eine Kündigung einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung schon während des Kündigungsschutzprozesses. Dieser Weiterbeschäftigungsanspruch stellt für den Arbeitnehmer hohe formale Anforderungen, führt aber zu frühzeitiger Weiterbeschäftigung unabhängig vom jeweiligen Ausgang des Kündigungsschutzprozesses im Instanzenzug bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss. Der Gesetzgeber hat dem form- und fristgerechten Betriebsratswiderspruch insoweit einen hohen Stellenwert beigemessen, selbst wenn dieser materiell nicht begründet ist.

Nur bei offensichtlich unbegründetem Betriebsratswiderspruch kann der Arbeitgeber auf Antrag vom Arbeitsgericht von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung entbunden werden.

Die Geltendmachung des Weiterbeschäftigungsanspruchs führt dazu, dass das Arbeitsverhältnis bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Kündigungsschutzprozess zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

1.1 Voraussetzungen

Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Arbeitnehmer einen Weiterbeschäftigungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber haben. Dies ist dann der Fall, wenn der Betriebsrat nach § 102 Abs. 5 BetrVG der Kündigung widersprochen hat.

Der Weiterbeschäftigungsanspruch besteht unter folgenden Voraussetzungen:

  1. Es muss ordentlich gekündigt worden sein. Dem ist die außerordentliche Kündigung eines "unkündbaren" Arbeitnehmers mit Auslauffrist gleichgestellt. § 102 Abs. 5 BetrVG gilt ansonsten nicht für die außerordentliche Kündigung.
  2. Es muss eine Kündigungsschutzklage erhoben worden sein.
  3. Der Betriebsrat muss form- und fristgerecht widersprochen haben.
  4. Der Arbeitnehmer muss die Weiterbeschäftigung verlangt haben.
  5. Der Arbeitgeber darf nicht von der Weiterbeschäftigungspflicht entbunden worden sein.

1.2 Kündigungsschutz und -klage

Der betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungsanspruch setzt die rechtzeitige Klageerhebung innerhalb der 3-Wochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG voraus.

Der Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG besteht auch während der Wartefrist des § 1 Abs. 1 KSchG oder wenn der Arbeitnehmer die Klagefrist versäumt hat, die Kündigungsschutzklage aber nachträglich zugelassen wurde.

Eine Feststellungsklage wegen sonstiger Unwirksamkeitsgründe i. S. v. § 13 Abs. 3 KSchG ist ebenfalls eine Klage nach dem KSchG und kann einen Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen verschaffen.

In allen anderen Fällen kommt nur der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch infrage.

1.3 Betriebsratswiderspruch

Der betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungsanspruch setzt nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG einen form- und fristgerechten Betriebsratswiderspruch voraus. Der Betriebsrat muss der beabsichtigten Kündigung innerhalb der Wochenfrist des § 102 Abs. 2 BetrVG schriftlich widersprochen haben. Der Widerspruch muss einen Bezug zu den Kataloggründen des § 102 Abs. 3 Nrn. 1–5 BetrVG erkennen lassen und unter Angabe von Tatsachen konkretisiert werden, die es möglich erscheinen lassen, dass einer der in § 102 Abs. 3 Nrn. 1–5 BetrVG aufgeführten Gründe vorliegt. Andernfalls ist er unbeachtlich.

Danach kann der Betriebsrat widersprechen wegen:

  1. Fehlern bei der Sozialauswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung[1],
  2. Verstoßes gegen eine Auswahlrichtlinie,
  3. anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeit,
  4. Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen und
  5. Weiterbeschäftigungsmöglichkeit unter geänderten Bedingungen.
 
Praxis-Beispiel

Unbeachtlicher Betriebsratswiderspruch

Der Betriebsrat bittet, wegen der langjährigen Betriebszugehörigkeit aus sozialen Gründen von der Kündigung abzusehen.

Der Betriebsrat widerspricht einer krankheitsbedingten Kündigung mit der Begründung, soziale Gesichtspunkte bei der Auswahl des Arbeitnehmers seien nicht ausreichend berücksichtigt worden.

Ein Betriebsratswiderspruch kommt in erster Linie bei einer betriebsbedingten Kündigung in Betracht, ist aber für die Widerspruchsgründe Nrn. 3–5 auch bei personenbedingten, be...

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