Der betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungsanspruch setzt nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG einen form- und fristgerechten Betriebsratswiderspruch voraus. Der Betriebsrat muss der beabsichtigten Kündigung innerhalb der Wochenfrist des § 102 Abs. 2 BetrVG schriftlich widersprochen haben. Der Widerspruch muss einen Bezug zu den Kataloggründen des § 102 Abs. 3 Nrn. 1–5 BetrVG erkennen lassen und unter Angabe von Tatsachen konkretisiert werden, die es möglich erscheinen lassen, dass einer der in § 102 Abs. 3 Nrn. 1–5 BetrVG aufgeführten Gründe vorliegt. Andernfalls ist er unbeachtlich.

Danach kann der Betriebsrat widersprechen wegen:

  1. Fehlern bei der Sozialauswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung[1],
  2. Verstoßes gegen eine Auswahlrichtlinie,
  3. anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeit,
  4. Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen und
  5. Weiterbeschäftigungsmöglichkeit unter geänderten Bedingungen.
 
Praxis-Beispiel

Unbeachtlicher Betriebsratswiderspruch

Der Betriebsrat bittet, wegen der langjährigen Betriebszugehörigkeit aus sozialen Gründen von der Kündigung abzusehen.

Der Betriebsrat widerspricht einer krankheitsbedingten Kündigung mit der Begründung, soziale Gesichtspunkte bei der Auswahl des Arbeitnehmers seien nicht ausreichend berücksichtigt worden.

Ein Betriebsratswiderspruch kommt in erster Linie bei einer betriebsbedingten Kündigung in Betracht, ist aber für die Widerspruchsgründe Nrn. 3–5 auch bei personenbedingten, bei Nr. 3 auch bei verhaltensbedingten Kündigungen möglich.

 
Hinweis

Betriebsratswiderspruch ernst nehmen

Der Arbeitgeber sollte die vom Betriebsrat genannten Widerspruchsgründe sorgsam daraufhin überprüfen, ob er die beabsichtigte Kündigung wirklich aussprechen will. Durch die dem Arbeitnehmer gemäß § 102 Abs. 4 BetrVG zuzuleitende Stellungnahme wird diesem die Begründung für die Kündigungsschutzklage mit der Kündigung gleich mitgeliefert. Im Kündigungsschutzprozess nimmt das Gericht einen Widerspruch regelmäßig zur Kenntnis und zum Anlass, ggf. kritische Fragen zu stellen.

1.3.1 Nicht ausreichende Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte bei der Sozialauswahl

Der Betriebsrat kann der beabsichtigten Kündigung nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG widersprechen mit der Begründung, der Arbeitgeber habe bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend beachtet. Hierzu ist der Betriebsrat leicht in der Lage, da der Arbeitgeber ihm unaufgefordert die Gründe mitzuteilen hat, die ihn zur Auswahl gerade dieses Arbeitnehmers veranlasst haben.[1]

Der Betriebsrat muss auf die sozialen Gesichtspunkte hinweisen, die er nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt sieht. Er braucht jedoch nicht anzugeben, wer anstelle des betreffenden Arbeitnehmers entlassen werden soll.

1.3.2 Verstoß gegen eine Auswahlrichtlinie

Der Betriebsrat kann der beabsichtigten Kündigung nach § 102 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG mit der Begründung widersprechen, die Kündigung verstoße gegen eine Auswahlrichtlinie nach § 95 BetrVG. Z. B. können die Kriterien für die Sozialauswahl bei der betriebsbedingten Kündigung von den Betriebspartnern in Auswahlrichtlinien – häufig auch in Interessenausgleichs- und Sozialplanvereinbarungen – mithilfe eines Punkteschemas bewertet werden.

1.3.3 Weiterbeschäftigungsmöglichkeit

Der Betriebsrat kann der beabsichtigten Kündigung nach § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG mit der Begründung widersprechen, der betroffene Arbeitnehmer könne auf einem anderen freien Platz im Unternehmensbereich weiterbeschäftigt werden. Der Betriebsrat muss mitteilen, in welchem Bereich freie Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen. Es reicht aus, wenn der Arbeitsplatz mit Ablauf der Kündigungsfrist frei wird. Dieser Widerspruchsgrund besteht auch bei einer personenbedingten (v. a. krankheitsbedingten) Kündigung, wenn der Kündigungsgrund durch die Versetzung wegfallen wird.

 
Praxis-Beispiel

Unbeachtlicher Widerspruch

Der Betriebsrat widerspricht mit der Begründung, der Arbeitnehmer könne irgendwo im Unternehmen weiterbeschäftigt werden oder: Der Arbeitnehmer könne am bisherigen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden. Der bisherige Arbeitsplatz ist kein anderer Arbeitsplatz i. S. v. § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG.[1]

1.3.4 Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen

Der Betriebsrat kann der Kündigung nach § 102 Abs. 3 Nr. 4 BetrVG mit der Begründung widersprechen, die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich. Der Betriebsrat muss mitteilen, welche für den Arbeitgeber zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen infrage kommen und dass nach Abschluss der Maßnahme die Weiterbeschäftigung auf einem freien Platz mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gewährleistet ist.

1.3.5 Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu geänderten Bedingungen

Der Betriebsrat kann der Kündigung nach § 102 Abs. 3 Nr. 5 BetrVG mit der Begründung widersprechen, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei unter geänderten Bedingungen möglich, und dieser habe sein Einverständnis hiermit erklärt. Der Betriebsrat muss mitteilen, zu welchen Bedingungen die Weiterbeschäftigung möglich sei, z. B. mit geringer qualifizierten Tätigkei...

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