1.2.1 Betriebsvereinbarungen

1.2.1.1 Transformation oder Fortgeltung?

Betriebsvereinbarungen enthalten nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG zwingende Rechtsnormen. Nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB werden diese kollektivrechtlichen Rechtsnormen, die im abgebenden Betrieb galten, nach Übergang des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich Inhalt der Arbeitsverträge und wirken somit als individualrechtliche vertragliche Regelungen weiter. Die Regelungen aus der Betriebsvereinbarung sind daher so zu behandeln, als seien sie Gegenstand des jeweiligen Arbeitsvertrags mit dem Arbeitnehmer geworden, dessen Arbeitsverhältnis übergegangen ist.

Transformiert werden nur die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Betriebsvereinbarungen in der jeweiligen Form. Werden die Betriebsvereinbarungen im abgebenden Unternehmen nach dem Betriebsübergang weiterentwickelt, so wirkt sich das auf die Arbeitsverhältnisse der übergegangenen Arbeitnehmer nicht aus.[1] Der Transformation sind zudem weitere Grenzen gesetzt.

Normen aus Betriebsvereinbarungen werden dann nicht in Regelungen der einzelnen Arbeitsverträge transformiert, wenn ihre kollektivrechtliche Weitergeltung möglich ist. Nach der Rechtsprechung des BAG[2] ist das der Fall, wenn nach dem Betriebsinhaberwechsel die Identität des Betriebs erhalten wird. § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB ist insofern einschränkend auszulegen. Da der Erwerber in die Rechtsstellung des bisherigen Betriebsinhabers eintritt, ist er auch an die im Betrieb geltende betriebsverfassungsrechtliche Lage gebunden, sofern diese nach den tatsächlichen Umständen fortbestehen kann. Mit der Identität des Betriebs bleibt die entscheidende Grundlage für die Fortgeltung der Betriebsvereinbarung erhalten. § 613a Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB ist ein Auffangtatbestand, der Lücken im Betriebsverfassungs- und Tarifrecht schließen soll. § 613a BGB dient nicht dazu, die Rechtsstellung des Betriebsrats[3] und der Arbeitnehmer einzuschränken. Die Vorschrift soll eine zusätzliche Sicherung leisten, nicht aber die bestehenden betriebsverfassungsrechtlichen Bindungen lockern.

Voraussetzungen für Transformation oder Fortgeltung der Betriebsvereinbarungen ist deren Wirksamkeit.[4] Ist die Betriebsvereinbarung unwirksam, ist jedoch festzustellen, ob sie nicht in eine betriebliche Übung oder Gesamtzusage umgedeutet werden kann[5], die dann gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB vom neuen Betriebsinhaber zu beachten ist. Transformiert werden können nur Betriebsvereinbarungen, die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis unmittelbar regeln. Nicht transformiert werden somit Betriebsvereinbarungen, die z. B. betriebliche Einrichtungen oder die betriebliche Ordnung beim Betriebsveräußerer betreffen. Die Betriebspartner können auch nicht im abgebenden Betrieb Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer für die Zeit nach einem Betriebsübergang unmittelbar regeln. Nach dem Betriebsübergang ist der Betriebsrat des Rechtsvorgängers nicht mehr für die Arbeitnehmer des neuen Betriebs zuständig. Das gilt auch dann, wenn die Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Regelung noch in den Zuständigkeitsbereich des Betriebsrats fielen.[6]

Keine Anwendung findet § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB auf Regelungsabreden. Etwas anderes gilt für Sprechervereinbarungen, die mit dem Sprecherausschuss der leitenden Angestellten geschlossen worden sind. Da diese ebenfalls normativen Charakter haben, ist davon auszugehen, dass § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB insofern zumindest entsprechend anzuwenden ist.

1.2.1.2 Einjährige Veränderungssperre

Die in die Arbeitsverträge der übergegangenen Arbeitnehmer transformierten Regelungen der Betriebsvereinbarungen dürfen vor Ablauf eines Jahres nicht geändert werden. Ein entsprechender Änderungsvertrag mit dem Arbeitnehmer oder eine Änderungskündigung wären wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB unwirksam. Die Jahresfrist bemisst sich vom Zeitpunkt des Betriebsübergangs an nach §§ 187 ff. BGB.

Nach Ablauf des Jahres können die Regelungen einvernehmlich – auch zuungunsten des Arbeitnehmers – verändert werden. Das geschieht nicht automatisch, sondern bedarf stets einer ausdrücklichen oder konkludenten Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien.[1]

Die einjährige Änderungssperre gilt nicht in folgenden Fällen:

  • Gemäß § 613a Abs. 1 Satz 4 BGB endet die zwingende Wirkung der transformierten Normen, wenn die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt. Läuft die Betriebsvereinbarung im abgebenden Unternehmen aus, war sie z. B. auf einen Zeitpunkt befristet, der innerhalb des Jahreszeitraums liegt, so endet damit die zwingende Wirkung der transformierten Norm.
  • Die Transformation gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB findet nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB auch dann nicht (endgültig) statt, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch eine andere Betriebsvere...

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