Die im Rahmen von Betriebsprüfungen erforderliche Feststellung, ob von unverschuldeter Unkenntnis des Arbeitgebers ausgegangen werden kann, ist in der Praxis oft mit Schwierigkeiten verbunden. Unverschuldete Unkenntnis liegt beispielsweise vor, wenn die falsche Beitragsberechnung lediglich auf einem Abrechnungsversehen basiert. Dagegen kann keine unverschuldete Unkenntnis angenommen werden, wenn sich der Arbeitgeber bedingten Vorsatz zurechnen lassen muss. In der Literatur wird die Frage aufgeworfen, ob nur Vorsatz die unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht ausschließt. Nach der Rechtsprechung[1] des Bundessozialgerichts ergibt sich jedoch kein Anhaltspunkt dafür, den Verschuldensmaßstab in dieser Weise einzugrenzen. In Ermangelung anderer Maßstäbe ist vielmehr auf die von der Rechtsprechung[2] entwickelten Beurteilungsmerkmale zurückzugreifen.

2.4.1 Billigend in Kauf genommene Nichtabführung der Beiträge

Nach der Entscheidung des BSG[1] reicht es für die Annahme der 30-jährigen Verjährungsfrist aus, wenn der Beitragspflichtige die Beiträge bedingt vorsätzlich vorenthalten hat. Das ist z. B. der Fall, wenn er seine Beitragspflicht für möglich gehalten und die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf genommen hat.

2.4.2 Fehlende Auswertung des Prüfberichts/-bescheids der Finanzbehörden

Wegen der engen Anknüpfung des Beitragsrechts der Sozialversicherung an das Steuerrecht ist bei Beitragsansprüchen auf der Grundlage eines Prüfberichts/-bescheids der Finanzbehörden von bedingtem Vorsatz auszugehen, wenn es sich bei dem im Bescheid des Finanzamts nachversteuerten Lohn um typisches Arbeitsentgelt bzw. um eine verbreitete Nebenleistung handelt. Das trifft zu, wenn zwischen der steuer- und beitragsrechtlichen Behandlung des zu beurteilenden Arbeitsentgelts eine bekannte und ohne Weiteres erkennbare Übereinstimmung besteht.[1]

2.4.3 Erstellung der Entgeltabrechnung durch fachkundiges Personal

Bedingter Vorsatz im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts liegt nach Auffassung der Rentenversicherungsträger auch dann vor, wenn die Entgeltabrechnung von fachkundigem Personal (z. B. eigenes Fachpersonal oder Steuerberater) erstellt wurde. Die Feststellung eines Vorsatzes bzw. bedingten Vorsatzes setzt allerdings voraus, dass – zusätzlich – das Vorliegen eines inneren (subjektiven) Tatbestands festgestellt wird. Dies muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls und bezogen auf den betreffenden Beitragsschuldner durch Aufklärung des Sachverhalts individuell ermittelt werden. Allgemein geltende Aussagen zum Vorliegen des subjektiven Tatbestands, also dass die Beitragspflicht nur für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen worden sei, sind nicht ausreichend.[1]

2.4.4 Unhinterfragtes Handeln des Steuerberaters

Der Steuerberater nimmt eine hohe Qualifikation erfordernde sozialrechtliche Einschätzung vor: die Beurteilung der Versicherungsfreiheit. Er handelt jedoch gegen die Sorgfaltspflicht, wenn er bei offen zu Tage tretenden widersprüchlichen Wertungen keine klärende Entscheidung des Sozialversicherungsträgers einholt.

Arbeitgeber, die es im Fall der Delegation ihrer zentralen beitragsrechtlichen Pflichten auf einen Steuerberater unterlassen, dessen Handlungsweise zu hinterfragen, handeln schuldhaft i. S. d. § 24 Abs. 2 SGB IV.[1]

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