Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Durchführung des BEM ist nicht im Ordnungswidrigkeitenkatalog des § 238 SGB IX aufgeführt, sodass er ohne staatliche Sanktionen bleibt.

Pflicht zur Durchführung?

Die Arbeitnehmervertretung kann nach dem Wortlaut der Vorschrift die Durchführung des BEM verlangen und sie ggf. auch gerichtlich durchsetzen.

Ob auch der betroffene Arbeitnehmer diesen Anspruch hat, war strittig, wurde aber überwiegend bejaht.[1] Dafür spricht, dass es sich um eine Verpflichtung des Arbeitgebers zum Schutz des Arbeitnehmers handelt, dagegen, dass nur das Durchsetzungsrecht der betrieblichen Interessenvertretung erwähnt ist und der eigentliche Gesprächspartner des Arbeitgebers auch nur diese ist, während der Arbeitnehmer "nur" zu beteiligen ist. Zudem kommen Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers nach § 280 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB in Betracht, wenn bei rechtzeitiger Beachtung der Vorschrift bestimmte Gesundheitsschäden oder der Verlust des Arbeitsplatzes nicht eingetreten wären. In diesen Fällen wird aber auch ein Mitverschulden des Betroffenen nach § 254 BGB in Betracht kommen, wenn dieser nicht auf eine spezielle Gefährdungssituation hingewiesen hat.

Das Bundesarbeitsgericht hat nun die Revision gegen das oben zitierte Urteil des LAG Nürnberg[2] zurückgewiesen und einen Anspruch des Arbeitnehmers verneint, weil das Gesetz lediglich den Durchführungsanspruch der Mitarbeitervertretung geregelt habe.[3]

Voraussetzung eines ordnungsgemäßen BEM für ein Beschäftigungsverlangen oder für eine Kündigung?

Kommt der Arbeitgeber seiner Pflicht, ein BEM anzubieten und bei Einwilligung des Arbeitnehmers durchzuführen nicht ordnungsgemäß nach, kann er hier Probleme bekommen.

Verlangt der Arbeitnehmer, behindertengerecht beschäftigt zu werden (§ 164 Abs. 4 Nr. 1, 4, 5 SGB IX, bzw. §§ 241 Abs. 2 BGB, 106 GewO), muss er im Normalfall die Beschäftigungsmöglichkeit, die er sich vorstellt, erst einmal darlegen. Hat der Arbeitgeber jedoch das BEM nicht ordnungsgemäß angeboten oder durchgeführt, wird seine prozessuale Position deutlich schwieriger. Er kann sich nicht mehr darauf beschränken, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den Arbeitnehmer, es gebe keine Arbeitsplätze, die dieser mit seinem Leistungsvermögen ausfüllen könne bzw. es sei mit einer Verringerung von Fehlzeiten nicht zu rechnen.[4]

Geht es um eine Kündigung, gilt:

Findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung, führt das unterlassene oder fehlerhafte BEM grds. nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung.[5]

Kann der Arbeitnehmer jedoch darlegen und ggf. beweisen, dass die überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Ausspruch der Kündigung in der Behinderung liegt, kann die Kündigung nach § 134 BGB i. V. m. §§ 7 Abs. 1, 1, 3 AGG unwirksam sein, wenn dem Arbeitgeber der Beweis des Gegenteils nach § 22 AGG nicht gelingt.[6]

Bei Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes kann sich die Unterlassung in der Fehlerhaftigkeit eines BEM auf die Wirksamkeit der krankheitsbedingten Kündigung wie folgt auswirken:

Die Durchführung ist zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung.[7]

Es kann jedoch ein Verstoß gegen das "ultima-ratio-Prinzip" vorliegen, der die Kündigung unwirksam macht. Nach diesem allgemeinen Grundsatz des Kündigungsrechts, ist die Kündigung immer nur nach Ausschöpfung aller anderen Möglichkeiten als letztes Mittel zulässig. Deshalb ist vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine krankheitsbedingte Kündigung grundsätzlich das BEM durchzuführen. Eine Ausnahme kann nur gelten, wenn von vornherein feststeht, dass für den Arbeitnehmer im Betrieb keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr besteht. Für die Beweislastverteilung im Kündigungsschutzprozess gilt: Die Einhaltung der Vorschrift hat der Arbeitgeber nachzuweisen. Lässt sich nicht klären, ob und in welchem Umfang die rechtzeitige Durchführung des BEM die Kündigung vermieden hätte, wird man dem Arbeitgeber die Beweislast aufbürden müssen, weil er gegen die Vorschrift verstoßen hat.[8] Also wird der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen haben[9], dass auch bei Durchführung eines Verfahrens nach § 167 SGB IX die Kündigung unvermeidbar gewesen wäre.[10] So kann sich der Arbeitgeber nicht pauschal darauf berufen, ein leidensgerechter Arbeitsplatz stehe nicht zur Verfügung, sondern er muss ganz konkret vortragen und beweisen, warum ein BEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, das Arbeitsverhältnis bzw. die Beschäftigungsmöglichkeit zu erhalten. Denn nur, wenn auch die Durchführung eines BEM keine positiven Ergebnisse hätte ergeben können, ist sein Fehlen unschädlich.[11]

Hat der Arbeitgeber zwar das BEM durchgeführt, sind ihm aber Fehler unterlaufen, ist für den Umfang seiner Darlegungslast im Kündigungsschutzprozess von Bedeutung, ob der oder die Fehler Einfluss auf die Möglichkeit hatten oder hätten haben können, Maßnahmen zu identifizieren, die zu einer relevanten Reduktion der Arbeitsunfähigkeitszeiten des Arbeitnehmers hätten führen können. Das kann der Fall sein,...

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