Nach § 168 SGB IX bedarf die ordentliche und über § 174 Abs. 1 SGB IX auch die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts.

Eine ohne Zustimmung des Integrationsamts vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung ist gemäß § 134 BGB unwirksam.

Dem Sonderkündigungsschutz nach § 168 SGB IX oder § 174 Abs. 1 SGB IX genügt der Arbeitnehmer, dessen Schwerbehinderteneigenschaft zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung festgestellt ist. Schwerbehindert im Sinne des Gesetzes sind Personen mit einem anerkannten Grad der Behinderung von wenigstens 50. Auch ohne förmliche Anerkennung als Schwerbehinderter besteht der besondere Kündigungsschutz, wenn die Schwerbehinderung offensichtlich ist (z. B. bei einer Querschnittslähmung). Offensichtlich ist eine Schwerbehinderung dann, wenn ohne Weiteres zu erkennen ist, dass bei einem Antrag auf Anerkennung ein GdB von 50 zuerkannt würde.[1] Denkbar ist auch, dass das schon dann der Fall ist, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine ärztliche Bescheinigung über eine Erkrankung vorlegt, die ohne Weiteres nach der Versorgungsmedizin-Verordnung zur Zuerkennung eines GdB von 50 führt. In einem solchen Fall sollte der Arbeitgeber jedenfalls immer vorsorglich die Kündigung auch mit Zustimmung des Integrationsamts aussprechen.

Die Offensichtlichkeit seiner Schwerbehinderung hat der Arbeitnehmer im Gerichtsverfahren aber vorzutragen und im Bestreitensfall zu beweisen.[2]

Der besondere Kündigungsschutz gilt über § 151 Abs. 3 SGB IX auch für Gleichgestellte. Das sind nach § 2 Abs. 3 SGB IX Personen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30. Sie sollen von der Agentur für Arbeit auf Antrag den Schwerbehinderten gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne diese Hilfe einen geeigneten Arbeitsplatz i. S. d. § 156 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können.

Der Sonderkündigungsschutz besteht, wenn das Arbeitsverhältnis wenigstens 6 Monate bestanden hat,[3] und gilt für jede Kündigung durch den Arbeitgeber und damit für die ordentliche Kündigung, die außerordentliche Kündigung[4] sowie die Änderungskündigung, unabhängig von der Betriebsgröße.

Zur Frage, ob der Kündigungsschutz auch dann besteht, wenn dem Arbeitgeber die Schwerbehinderteneigenschaft des betreffenden Arbeitnehmers nicht bekannt ist, hat die Rechtsprechung Grundsätze entwickelt. Ist die Schwerbehinderteneigenschaft zum Zeitpunkt der Kündigung festgestellt[5] oder für den Arbeitgeber offensichtlich[6] oder hat der Arbeitnehmer wenigstens 3 Wochen vor Zugang der Kündigung einen Antrag[7] auf Anerkennung oder Gleichstellung beim Versorgungsamt gestellt[8], besteht der Sonderkündigungsschutz auch dann, wenn der Arbeitgeber bei der Kündigung hiervon keine Kenntnis hatte. Dabei hat sich der Erwerber im Fall des Betriebsübergangs nach § 613 a BGB die Kenntnis des Veräußerers von der Schwerbehinderteneigenschaft zurechnen zu lassen.[9]

Hatte der Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung keine Kenntnis von einer zuvor erfolgten Feststellung oder Beantragung der Schwerbehinderteneigenschaft bzw. Gleichstellung und hat er die Kündigung infolgedessen ohne Zustimmung des Integrationsamts ausgesprochen, ist der Arbeitnehmer gehalten, die Schwerbehinderteneigenschaft oder ihre Beantragung dem Arbeitgeber innerhalb von 3 Wochen nach Erhalt der Kündigung zu offenbaren. Diesen 3 Wochen wird noch eine angemessene Zeit für den Postlauf hinzugerechnet. Eine Klage gegen die Kündigung, in der erstmals die Schwerbehinderung oder der Antrag mitgeteilt wird, wahrt die Frist nur, wenn die Klage dem Arbeitgeber innerhalb von 3 Wochen und wenigen Tagen zugestellt wird.[10] Für Heimarbeiter ist § 210 Abs. 2 SGB IX zu beachten. Der schwerbehinderte Arbeitnehmer hat das Recht, sich gegenüber seinem Arbeitgeber auf den gesetzlichen Sonderkündigungsschutz zu berufen, in der Regel nicht nach § 242 BGB verwirkt, wenn er die Unwirksamkeit der Kündigung innerhalb der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG gerichtlich geltend gemacht hat.[11] Hat der Arbeitgeber sich vor Ausspruch der Kündigung nach einer möglichen Anerkennung als Schwerbehinderter oder einer Gleichstellung erkundigt und der Arbeitnehmer verschweigt dies, ist der besondere Kündigungsschutz im Fall einer nachfolgenden Kündigung verwirkt. Die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung bzw. einem diesbezüglich gestellten Antrag ist im bestehenden Arbeitsverhältnis jedenfalls nach 6 Monaten, also ggf. nach Erwerb des Kündigungsschutzes gemäß §§ 168 ff. SGB IX, zulässig. Das gilt insbesondere zur Vorbereitung von beabsichtigten Kündigungen.[12]

Hat das Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung erteilt, kann der Arbeitgeber nach § 171 Abs. 3 SGB IX die Kündigung nur innerhalb eines Monats nach Zustellung der Zustimmung aussprechen. Bedarf die ordentliche Kündigung eines schwerbehinderten Menschen außer der Zustimmung des Integrationsamts einer Zulässigkeitserk...

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