5.1 Verfahren vor dem Schlichtungsausschuss

Bei einem Streit um die Beendigung eines Berufsausbildungsverhältnisses muss gemäß § 111 Abs. 2 ArbGG grundsätzlich vor der Klageerhebung beim Arbeitsgericht das Verfahren vor dem Ausschuss zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Ausbildenden und Auszubildenden durchgeführt werden, sofern die zuständige Handwerksinnung oder eine andere zuständige Stelle (z. B. Industrie- und Handelskammer) einen solchen Ausschuss gebildet hat.[1] Diese vorgeschaltete Verhandlung ist eine Prozessvoraussetzung für die Klage. Sie ersetzt jedoch nicht das arbeitsgerichtliche Güteverfahren nach § 54 ArbGG. Das bedeutet aber nicht, dass der vor der Verhandlung vor dem Ausschuss erhobenen Klage ein unbehebbares Prozesshindernis entgegensteht. Dem Erfordernis des außergerichtlichen Schlichtungsverfahrens wird auch dann genügt, wenn die Verhandlung vor dem Schlichtungsausschuss zwar erst nach der Klageerhebung, aber vor der streitigen Verhandlung des Arbeitsgerichts stattfindet. Die zunächst unzulässige Klage wird dann nachträglich zulässig.[2]

Für die Anrufung des Schlichtungsausschusses gibt es keine Frist. Das Anrufungsrecht kann nur verwirkt werden, wobei nicht allein auf das Zeitmoment abgestellt werden darf. Hinzukommen muss die berechtigte Erwartung des Ausbildenden, er werde nicht mehr gerichtlich in Anspruch genommen.[3]

[1] BAG, Urteil v. 18.9.1975, 2 AZR 602/74.

5.2 Arbeitsgerichtliches Verfahren

5.2.1 Beendigungsstreitigkeiten

§ 111 Abs. 2 ArbGG enthält eine Sonderregelung für Streitigkeiten aus einem Berufsausbildungsverhältnis nach den §§ 3 ff. BBiG. Soweit ein Schlichtungsausschuss gebildet ist, ist die Anrufung des Schlichtungsausschusses nach allgemeiner Auffassung zwingende Prozessvoraussetzung für die Klage.[1]

Der von dem gemäß § 111 Abs. 2 ArbGG auch für Beendigungsstreitigkeiten zuständigen Schlichtungsausschuss gefällte Spruch bedarf zu seiner Verbindlichkeit der Anerkennung der Parteien.

Wird der von ihm gefällte Spruch nicht innerhalb einer Woche von beiden Parteien anerkannt, so kann binnen zwei Wochen nach ergangenem Spruch Klage beim zuständigen Arbeitsgericht erhoben werden. Eine nach Fristablauf erhobene Klage ist unzulässig, denn bei der Frist des § 111 Abs. 2 Satz 3 ArbGG handelt es sich um eine prozessuale Ausschlussfrist.[2]

Auch in den Fällen des § 78a BetrVG hat der ausbildende Arbeitgeber vor der Anrufung des Arbeitsgerichts zunächst das Verfahren vor dem gemäß § 111 Abs. 2 ArbGG zuständigen Schlichtungsausschuss einzuhalten. In dem sich anschließenden Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht, das durch einen entsprechenden Antrag des ausbildenden Arbeitgebers eingeleitet wird, ist das in § 78a Abs. 4 BetrVG genannte Betriebsverfassungsorgan (Betriebsrat, Bordvertretung, Seebetriebsrat und Jugend- und Auszubildendenvertretung), in dem der Auszubildende Mitglied ist, Beteiligter.

Leugnet der Arbeitgeber den Bestand des Arbeitsverhältnisses oder die Mitgliedschaft in einem der in § 78a Abs. 1 BetrVG genannten betriebsverfassungsrechtlichen Organe, so kann der Auszubildende eine Klage auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses erheben.

Der Streit um das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses ist eine vermögensrechtliche Streitigkeit. Gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG ist in einer vermögensrechtlichen Streitigkeit die Berufung, sofern sie nicht durch das Arbeitsgericht zugelassen worden ist, nur statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 EUR übersteigt. Die Streitwertfestsetzung steht im gerichtlichen Ermessen, das nach oben auf den Betrag eines Vierteljahresverdienstes begrenzt ist.

[1] BAG, Urteil v. 23.7.2015, 6 AZR 490/14.

5.2.2 Vorläufige Weiterbeschäftigung des Auszubildenden

In Anknüpfung an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts[1] zur Frage eines vorläufigen Weiterbeschäftigungsanspruchs von Arbeitnehmern ist davon auszugehen, dass eine vorläufige Weiterbeschäftigung des Auszubildenden zumindest dann zu bejahen ist, wenn die Kündigung (z. B. wegen eines Formmangels) unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Ausbildenden einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen.[2]

Den Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Beendigung des Kündigungsrechtsstreits kann der Auszubildende mit dem Mittel der einstweiligen Verfügung nach § 940 ZPO oder im Wege einer Leistungsklage im Rahmen eines Beendigungsrechtsstreits geltend machen.

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