hier: Auswirkungen des EuGH-Urteils vom 08.07.2004

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat auf die ihm vom Sozialgericht Hannover mit Beschluss vom 12.12.2001 (Rechtssache C-502/01) und vom Sozialgericht Aachen mit Beschluss vom 18.01.2002 (Rechtssache C- 31/02) vorgelegten Fragen mit Urteil vom 08.07.2004 (USK 2004-11) entschieden, dass

  • die Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen für eine nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson durch die Pflegekassen oder die privaten Versicherungsunternehmen eine Leistung bei Krankheit zugunsten des Pflegebedürftigen darstellt, die von der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 erfasst wird,
  • eine Leistung wie die Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen für eine nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson nicht mit der Begründung verweigert werden kann, dass der Pflegebedürftige oder die Pflegeperson ihren Wohnsitz im Gebiet eines anderen als des für die Leistungserbringung zuständigen EU-Mitgliedstaats hat.

Die Entscheidung des EuGH steht der bisherigen Rechtsauffassung der Spitzenverbände der Krankenkassen, des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger und des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V., so wie sie unter Abschnitt II 1.8 des gemeinsamen Rundschreibens zur Rentenversicherung der nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegepersonen vom 11.02.2004 wiedergegeben ist, entgegen.

Über die Auswirkungen des Urteils auf die Rentenversicherungspflicht von Pflegepersonen mit Wohnsitz in einem EU-/EWR-Mitgliedstaat oder der Schweiz war daher zu beraten.

Die Versicherungspflicht nicht erwerbsmäßig tätiger Pflegepersonen in der Rentenversicherung kommt unter den näheren Voraussetzungen des § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI auch dann zustande, wenn die Pflegeperson ihren Wohnsitz außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland, aber innerhalb eines anderen EU-/EWR-Mitgliedstaates oder der Schweiz hat. Vom Wohnsitz in einem anderen EU-/EWR-Mitgliedstaat oder der Schweiz kann in diesem Zusammenhang bereits dann ausgegangen werden, wenn die nicht erwerbsmäßige Pflegetätigkeit von vornherein auf eine gewisse Dauer angelegt ist (so wie es als Voraussetzung der Versicherungspflicht ohnehin gefordert ist, vgl. Ausführungen unter Abschnitt II 1.1.4 des gemeinsamen Rundschreibens zur Rentenversicherung der nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegepersonen vom 11.02.2004). Die Territorialitätsbeschränkung in § 3 Nr. 2 SGB IV steht dem nicht entgegen. Die Zahlung der Rentenversicherungsbeiträge für eine nach § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI versicherungspflichtige Pflegeperson durch die Pflegekasse oder das private Versicherungsunternehmen des Pflegebedürftigen stellt ebenso wie die Leistung an den Pflegebedürftigen eine Leistung bei Krankheit dar, die vom Anwendungsbereich der Verordnung (EWG) 1408/71 erfasst wird. Die Beitragszahlung ist darüber hinaus als Geldleistung zu qualifizieren, da sie in dem Sinne zum eigentlichen Pflegegeld akzessorisch ist. Als solche ist die Leistung - wie das Pflegegeld auch - grundsätzlich exportfähig, d. h. sie ist auch für Personen zu zahlen, die im Gebiet eines anderen als des für die Leistung normalerweise zuständigen EU-/EWR-Mitgliedstaates wohnen. Ausgangswert für die Beitragsbemessung ist in diesen Fällen, in denen sich weder über den Ort der Ausübung der Pflegetätigkeit noch über den Wohnort der Pflegeperson eine Rechtskreiszuordnung bestimmen lässt, die Bezugsgröße des Rechtskreises, in dem die Pflegekasse, die die Leistung der Beitragszahlung erbringt, ihren Sitz hat; bei rechtskreisübergreifenden Kranken- /Pflegekassen ist auf die Bezugsgröße des Rechtskreises abzustellen, aus dem die Pflegekasse die Leistung Pflegegeld erbringt.

Nach den Grundsätzen zu den Folgen falscher Rechtsanwendung durch die Versicherungsträger verlangt die Entscheidung des EuGH eine Überprüfung der in der Vergangenheit anders beurteilten Sachverhalte, da von einem grundlegenden Rechtsprechungswandel, dem allein eine zukunftsgerichtete Wirkung beizumessen ist, in den hier in Rede stehenden Fällen nicht gesprochen werden kann. Eine Überprüfung der in der Vergangenheit anders beurteilten Sachverhalte erfolgt - wie in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X bei der Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes durch seine Bezugnahme auf den Einzelfall zum Ausdruck gebracht - grundsätzlich auf Antrag der Betroffenen. Sofern eine Überprüfung unter Berücksichtigung der in diesem Besprechungsergebnis genannten Grundsätze ergeben sollte, dass Versicherungspflicht nach § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI besteht und Rentenversicherungsbeiträge zu zahlen sind, ist die Verjährung der Beiträge (Einrede von Amts wegen durch die Pflegekasse) zu beachten. Liegt im Einzelfall ein Verwaltungsakt vor, so ist dieser nach § 44 SGB X zurückzunehmen.

Die Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen für nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen ist im Rahmen der (Sach-)Leistungsaushilfe durch deutsche Pflegekassen weiterhin nicht möglich.

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