hier: Berücksichtigung von Zuschlägen, die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlt werden

Sachstand:

Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 29. Juli 2003 - B 12 KR 16/02 R - (USK 2003-18) entschieden, dass Zuschläge, die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlt werden, bei der Feststellung des Gesamteinkommens im Rahmen des § 10 Abs. 3 SGB V einkommensmindernd zu berücksichtigen sind. Nur mit dieser Einschränkung, so das BSG, entspricht die Ausschlussnorm des § 10 Abs. 3 SGB V den Vorgaben der Verfassung aus Artikel 6 und 3 Abs. 1 GG in Verb. mit dem Rechtsstaatsprinzip des Artikels 20 Abs. 3 GG.

Mit dieser höchstrichterlichen Entscheidung wird die bisherige Praxis der Krankenkassen, nach der bei der Feststellung des Gesamteinkommens im Sinne § 10 Abs. 3 SGB V grundsätzlich die Summe der steuerpflichtigen Einkünfte im Sinne des § 16 SGB IV, also einschließlich familienbezogener Entgeltbestandteile, des nicht GKV-versicherten Elternteils herangezogen wird, für unzulässig erklärt.

Im Interesse der Einheitlichkeit bei der Rechtsanwendung ist über die Auswirkungen der BSG-Entscheidung zu beraten. Dabei geht es im Wesentlichen um folgende Fragen:

  • Wie kann die Grundaussage des Urteils "Zuschläge, die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlt werden, sind im Rahmen des § 10 Abs. 3 SGB V einkommensmindernd zu berücksichtigen" in der Praxis der Krankenkassen ohne größeren Ermittlungsaufwand umgesetzt werden? Ob und inwieweit ist das einheitliche Meldeverfahren zur Durchführung der Familienversicherung (Meldeverfahren-FV), insbesondere die Anlagen 1 und 3 ("FAMI-Fragebögen") anzupassen?
  • Ist es - bei angenommen größeren Umsetzungsproblemen oder Belastungen der gesetzlichen Krankenversicherung - erforderlich und sinnvoll, über das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) eine gesetzliche Änderung zu fordern, mit der das BSG-Urteil quasi ausgehebelt oder auf andere Art und Weise umgangen wird (z. B. durch generellen Abzug bestimmter "Kinderfreibeträge" vom Gesamteinkommen des nicht GKV-versicherten Elternteils)?
  • Kommt der Rechtsprechung eine Rückwirkung zu, d. h. sind Entscheidungen über das Nichtbestehen eines Versicherungsverhältnisses von Kindern zu korrigieren, wenn der Zugang zur Familienversicherung in der Vergangenheit nur deshalb versagt wurde, weil bei der Prüfung der Ausschlussnorm des § 10 Abs. 3 SGB V familienbezogene Entgeltbestandteile des nicht GKV-versicherten Elternteils berücksichtigt wurden und aufgrund dessen die maßgebende Einkommensgrenze überschritten wurde?

Besprechungsergebnis:

  1. Die Spitzenverbände der Krankenkassen kommen überein, dem Urteil des BSG vom 29. Juli 2003 zu folgen und den Krankenkassen zu empfehlen, bei der Feststellung des Gesamteinkommens im Rahmen des § 10 Abs. 3 SGB V Zuschläge, die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlt werden, einkommensmindernd zu berücksichtigen.

    Damit derartige Zuschläge bei der Feststellung der Familienversicherung und bei der Überprüfung der Voraussetzungen der Familienversicherung (Bestandspflege) von den Krankenkassen (gesamt-) einkommensmindernd berücksichtigt werden können, ist das Mitglied darauf hinzuweisen, dass das Gesamteinkommen um derartige familienbezogenen Entgeltbestandteile zu kürzen ist. Dementsprechend soll der jeweilige Hinweistext unter Ziffer 2 der Anlagen 1 und 3 Meldeverfahren-FV bei nächster sich bietender Gelegenheit um die Aussage ergänzt werden, dass bei den Angaben zum Einkommen des Ehegatten (nur in den Fällen, in denen die Angaben für den Ehegatten wegen der Familienversicherung für die gemeinsamen Kinder erforderlich sind) Zuschläge, die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlt werden, unberücksichtigt zu lassen sind (siehe Anlagen). [Anlagen werden hier nicht abgebildet, Anm. d. Red.]

  2. Die Spitzenverbände der Krankenkassen nehmen davon Abstand, eine Forderung an den Gesetzgeber heranzutragen, nach der bei der Feststellung des Gesamteinkommens im Sinne des § 10 Abs. 3 SGB V pro Kind ein fester "Kinderfreibetrag" in Abzug gebracht wird. Damit würde die Systemabgrenzung zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verschoben. Hierfür besteht weder sozialpolitisch noch aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben (vgl. hierzu Urteil des BSG vom 25. Januar 2001 - B 12 KR 8/00 R - USK 2001-10) die Notwendigkeit.
  3. Nach den Grundsätzen zu den Folgen falscher Rechtsanwendung durch die Versicherungsträger verlangt die Entscheidung des BSG eine Überprüfung der in der Vergangenheit anders beurteilten Sachverhalte, da von einem grundlegenden Rechtsprechungswandel, dem allein eine zukunftsgerichtete Wirkung beizumessen ist, in den hier in Rede stehenden Fällen nicht gesprochen werden kann. Eine Überprüfung der in der Vergangenheit anders beurteilten Sachverhalte erfolgt - wie in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X bei der Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes durch seine Bezugnahme auf den Einzelfall zum Ausdruck gebracht - nur auf...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge