Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungspflicht von Leistungen für behinderte Menschen im Eingangs- und Berufsbildungsbereich einer WfB. fiktives Arbeitsentgelt. Bundesagentur für Arbeit. Kostenträger. Rechtsmäßigkeit der aufsichtsrechtlichen Weisung

 

Leitsatz (amtlich)

Aufsichtsrechtliche Weisung, Erstattung der Leistungen für behinderte Menschen im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich in Werkstätten für Behinderte

 

Orientierungssatz

Zur Erstattung von Beiträgen für behinderte Menschen, die sich im Eingangs- und Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für Behinderte befinden, wenn diesen tatsächlich kein Arbeitsentgelt ausgezahlt wird.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 07.12.2010; Aktenzeichen B 11 AL 74/10 B)

 

Tenor

I. Die aufsichtliche Weisung der Beklagten vom 15.10.2007 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer rechtsaufsichtlichen Weisung der Beklagten vom 15.10.2007, durch welche die Klägerin angewiesen wurde, Abrechnungen der Träger anerkannter Werkstätten für Behinderte (WfB) für Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich nach § 40 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) zu begleichen.

Die Beklagte erstattete seit ca. 30 Jahren die Beiträge zur Rentenversicherung in Fällen, in denen sich behinderte Menschen im Arbeitsbereich wie auch im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich einer WfB befanden.

Mit Schreiben vom 27.10.2006 wies das Bundesversicherungsamt (BVA) die Beklagte darauf hin, diese Erstattungspraxis werde als rechtswidrig angesehen. Nach eigener Prüfung änderte die Beklagte ihr Erstattungsverfahren. Mit Schreiben vom 31.07.2007 informierte sie die Klägerin darüber, dass diese zur Erstattung der Beiträge zur Rentenversicherung an die Träger anerkannter WfB im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich verpflichtet sei und Erstattungen an die Träger vorzunehmen habe .

Mit weiterem Schreiben vom 15.10.2007 forderte die Beklagte die Klägerin auf, dieser Forderung nachzukommen und entsprechende Abrechnungen der Träger der WfB ab 01.08.2008 zu begleichen. Eine Rechtsmittelbelehrung enthielt das Schreiben nicht. Auf Nachfrage der Klägerin stellte die Beklagte mit Schreiben vom 27.06.2008 klar, dass es sich hierbei um eine rechtsaufsichtliche Weisung gehandelt habe.

Am 06.10.2008 hat die Klägerin Klage zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) mit der Begründung erhoben, die rechtsaufsichtliche Weisung sei rechtswidrig und willkürlich. Die Auffassung der Beklagten, die tatsächliche Erzielung eines monatlichen Arbeitsentgelts sei tatbestandliche Voraussetzung für eine Erstattung der Beiträge nach § 179 Abs. 1 S. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) durch die Beklagte, sei sowohl bei wörtlicher Auslegung als auch bei Zugrundelegung des Normzusammenhanges, des Normzwecks und des gesetzgeberischen Willens falsch. Zudem sei die bisherige Erstattungsregelung gewohnheitsrechtlich geboten. Nach dem Normwortlaut markiere das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt lediglich die Untergrenze des Erstattungsrahmens, da die Beklagte keine Beitragsanteile für einen tatsächlich erzielten Arbeitslohn zu übernehmen habe. Der Zweck der Norm habe schon bei der Vorgängerregelung des Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter (SVBG) darin bestanden, zur Sicherung angemessener Renten für alle in Behindertenwerkstätten Tätigen die Beitragsorientierung an einem fiktiven Arbeitsentgelt vorzunehmen. Da es sich um eine Maßnahme der sozialen Fürsorge gehandelt habe, habe der Gesetzgeber die Finanzierungslast dem allgemeinen Staatshaushalt aufgebürdet. Es sei auch nicht vorstellbar, dass die Beklagte seit über 30 Jahren eine Erstattung vornehme, obwohl hierzu eine gesetzliche Verpflichtung nicht bestanden habe. Eine Verwendung von Beitragsmitteln der Klägerin für Zwecke allgemeiner Fürsorge sei verfassungswidrig. Die Weisung verstoße auch gegen das Willkürverbot, da eine unterschiedliche Erstattungspraxis der Klägerin gegenüber anderen Kostenträgern, insbesondere der Rentenversicherung, nicht gerechtfertigt sei. Die Beklagte habe eine Änderung ihrer Erstattungspraxis jedenfalls gegenüber der Rentenversicherung 2008 nicht durchgesetzt. Die rechtsaufsichtliche Weisung führe bei der Klägerin zu Mehrausgaben iHv 120.000.000 € jährlich.

Die Klägerin beantragt,

die aufsichtliche Weisung der Beklagten vom 15.10.2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die rechtsaufsichtliche Weisung für rechtmäßig. Eine Erstattungspflicht ihrerseits bestehe nur in den Fällen, in denen an behinderte Menschen tatsächlich Arbeitsentgelt bezahlt werde, nicht aber für Leistungen der Träger der Einrichtung im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien Übergangs- oder Ausbildungsgelder keine Arbeitsentgelte iSd § 14 Abs 1 Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV). Auch eine gesetzessyst...

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