Entscheidungsstichwort (Thema)

Minderung des Arbeitslosengeldes. verspätete Meldung. frühzeitige Arbeitsuche. befristetes Arbeitsverhältnis. Bestimmtheit der Norm. Verfassungsmäßigkeit. subjektiver Fahrlässigkeitsmaßstab

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 37b S 2 SGB 3 idF des Art 1 Nr 6 vom 23.12.2002, BGBl I 4607, ist nicht so widersprüchlich bzw unbestimmt, dass er den rechtsstaatlichen Erfordernissen an eine Sanktionsandrohung nicht mehr genügt (BSG vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R = BSGE 95, 191 = SozR 4-4300 § 37b Nr 2).

2. Auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen gilt die Meldeobliegenheit des § 37b SGB 3, und zwar mit dem Inhalt, dass "spätestens" drei Monate vor Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses eine Meldung zu erfolgen hat.

3. Die Minderung setzt eine schuldhafte Obliegenheitsverletzung im Sinne eines subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstabs voraus. Beruft sich der Kläger auf den widersprüchlichen Gesetzeswortlaut, folgt daraus, dass er grundsätzlich von der Meldeobliegenheit wusste. Im Hinblick auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Meldung liegt keine unverschuldete Unkenntnis vor, wenn der Kläger anlässlich einer vorangegangenen Arbeitslosmeldung in verständlicher Form belehrt worden war. Damit wird dem Kläger kein unzumutbares Verhalten abverlangt, da es sich bei der Arbeitsuchendmeldung um eine einfache Tatsachenerklärung handelt. Auf das Vorliegen einer Belehrung durch den Arbeitgeber (§ 2 Abs 2 Nr 3 SGB 3) kommt es dann nicht mehr an.

4. Hat der Kläger von den erfolgten Belehrungen entgegen seiner unterschriftlichen Bestätigung keine Kenntnis genommen, stellt dies für sich genommen einen Sorgfaltsverstoß dar, der ein Verschulden in Bezug auf die Verletzung der Meldeobliegenheit begründet.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Arbeitslosengeldes - Alg - streitig.

Die 1970 geborene Klägerin arbeitete vom 01.05.2002 bis 31.12.2003 als Augenoptikergehilfin. Am 19.11.2003 meldete sie sich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Mit ihrer Unterschrift vom 01.01.2004 bestätigte sie den Erhalt und die inhaltliche Kenntnisnahme des Merkblattes 1 für Arbeitslose, das eine Belehrung über die Meldepflicht bei befristeten Arbeitsverhältnissen enthielt. Die Beklagte bewilligte der Klägerin Alg vom 01.01.2004 bis 06.01.2004. Der befristete Bewilligungsbescheid vom 16.01.2004 wurde ihr mit dem Leistungsnachweis gleichen Datums übersandt, der unter dem Punkt "Wichtige Hinweise" ebenfalls über die Meldepflicht bei einem befristeten Arbeitsverhältnis belehrte. Ab dem 07.01.2004 nahm die Klägerin eine Beschäftigung als Arzthelferin auf. Der Arbeitsvertrag war von vorneherein bis zum 06.07.2004 befristet und wurde mit Schreiben vom 03.07.2004 um weitere sechs Monate verlängert.

Am 05.01.2005 meldete sich die Klägerin erneut arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Die Beklagte teilte ihr mit einem Schreiben vom 01.02.2005 mit, dass sie ihrer Verpflichtung, sich unverzüglich arbeitsuchend zu melden, 89 Tage zu spät nachgekommen sei. Der Leistungsanspruch mindere sich daher um 1.050 EUR (täglich 35 EUR für längstens 30 Tage). Die Anrechnung beginne am 07.01.2005 und ende voraussichtlich am 20.03.2005. Die Beklagte bewilligte sodann mit Bescheid vom 03.02.2005 Alg ab dem 07.01.2005 für 360 Tage. Gleichzeitig setzte sie unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 01.02.2005 einen Minderungsbetrag von täglich 14,61 EUR fest.

Dagegen erhob die Klägerin am 01.03.2005 Widerspruch. Sie habe auf eine Weiterbeschäftigung gehofft und sich deshalb erst am 04.01.2005 bei der Agentur für Arbeit gemeldet, weil ihr befristeter Arbeitsvertrag bereits einmal kurzfristig verlängert worden sei. Ferner machte die Klägerin Ausführungen zum Gesetzeswortlaut des § 37 b SGB III.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.11.2005 unter Hinweis auf die Belehrungen im Bewilligungsbescheid und im Merkblatt zurück.

Dagegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht München - SG -. Sie habe erstmals am 05.01.2005 erfahren, dass das Arbeitsverhältnis nicht verlängert werde. Bis dahin habe sie keine Anhaltspunkte dafür gehabt, dass das Arbeitsverhältnis nicht verlängert werden würde. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 11.07.2008 abgewiesen und ausgeführt, die Minderung des Anspruchs auf Alg sei nicht zu beanstanden. Die Klägerin habe ihre Meldeobliegenheit schuldhaft verletzt. Dagegen hat die Klägerin Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht - LSG - eingelegt und im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen wiederholt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 11.07.2008 und den Bescheid vom 01.02.2005 aufzuheben sowie den Bescheid vom 03.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Alg ab dem 07.01.2005 oh...

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