Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. Einkommensberechnung. arbeitsvertraglich vereinbarte Mehrarbeitsvergütung für zusätzliche Akkordarbeit. laufender Arbeitslohn. sonstige Bezüge. lohnsteuerrechtliche Behandlung durch den Arbeitgeber. Vermutung der Richtigkeit der Entgeltbescheinigung. materielles Steuerrecht. keine Pflichtverletzung des Arbeitgebers erforderlich. keine Begrenzung auf evidente Fehler. Vertrauensschutz. keine Präklusion von Rechten bei unterlassener Anfechtung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Maßgebend dafür, ob ein sonstiger Bezug im Sinn von § 2c Abs 1 S 2 BEEG oder aber laufender Arbeitslohn vorliegt, ist die zutreffende lohnsteuerrechtliche Behandlung.

2. Erweist sich die lohnsteuerrechtliche Behandlung durch den Arbeitgeber als falsch, darf die Elterngeldbehörde diese nicht übernehmen.

3. Zum Einfluss der aktuellen BSG-Rechtsprechung vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R = SozR 4-7837 § 2c Nr 2.

 

Orientierungssatz

1. Für die Feststellung, dass eine Entgeltbescheinigung im Sinn der Vermutungsregelung des § 2c Abs 2 BEEG falsch ist, bedarf es weder einer Pflichtverletzung des Arbeitgebers noch muss die Fehlerhaftigkeit für den Sachbearbeiter der Elterngeldbehörde evident sein.

2. Hatte der spätere Elterngeldberechtigte vor der Entscheidung des BSG vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R aaO nicht den geringsten Grund, gegen die Lohnsteueranmeldung seines Arbeitgebers vorzugehen, kann dies im Nachhinein nicht zu seinen Lasten gehen.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18. November 2015 wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft das Begehren der Klägerin, höheres Elterngeld zu erhalten.

Die 39-jährige Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie ist Mutter des am 03.05.2015 geborenen Kindes H. C.. Während des streitgegenständlichen Zeitraums, vom 03.05.2015 bis 02.05.2016, lebte sie mit H. und dem Vater des Kindes, mit dem sie damals nicht verheiratet war, in einem Haushalt zusammen. Ein weiteres Kind gab es vor und während des Elterngeld-Bezugszeitraums im Haushalt der Familie A./C. noch nicht.

Die Klägerin arbeitete vor H.‚s Geburt seit 01.06.2008 in einer laborärztlichen Gemeinschaftspraxis in Vollzeit als Medizinisch-technische Assistentin. Der Arbeitsvertrag vom Mai 2008 enthält unter anderem folgende Vereinbarungen:

* § 6: Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, gegen entsprechende Vergütung in einem zumutbaren Rahmen Überstunden zu leisten, wenn die Erfordernisse des Praxisbetriebs diese notwendig machen.

* § 10: Das Bruttogehalt wird mit EURO 2.000,00 monatlich vereinbart.

Ab 01.09.2009 wurde der Arbeitsvertrag dahin schriftlich geändert, dass der Klägerin ein monatliches Bruttogehalt von 2.493,12 EUR zustand. Weitere Änderungen sind durch mündliche Absprache erfolgt.

Aus dem Arbeitsverhältnis flossen der Klägerin im Zeitraum März 2014 bis einschließlich Februar 2015 folgende Arbeitsentgelte zu:

* Unter Lohnart 001 wurde die Komponente "Gehalt" gezahlt. Das "Gehalt" betrug 2.950,00 EUR von März bis einschließlich Juni 2014 und 3.100,00 EUR in den übrigen Monaten. Stets war für die lohnsteuerrechtliche Behandlung in den Entgeltbescheinigungen das Kennzeichen "L" angegeben (laufender Arbeitslohn).

* Sonderzahlungen erfolgten unter Lohnart 027 "Urlaubsgeld ..." und 021 "Weihnachtsgeld" im Juli und November 2014. Die Arbeitgeber behandelten diese lohnsteuerrechtlich als sonstige Bezüge.

* In den Monaten März bis November 2014 wurde unter Lohnart 231 "Festbezug netto jhrl" jeweils eine variable Vergütungskomponente ausgezahlt und lohnsteuerrechtlich als sonstiger Bezug behandelt (Kennzeichen "S"). Es handelte sich um folgende Beträge: März 2014 2.208,54 EUR, April 2014 2.125,61 EUR, Mai 2014 1.591,84 EUR, Juni 2014 1.607,23 EUR, Juli 2014 1.029,34 EUR, August 2014 2.015,91 EUR, September 2014 1.659,69 EUR, Oktober 2014 526,00 EUR, November 2014 700,37 EUR.

Das Beschäftigungsverbot vor der Geburt des Kindes begann bei der Klägerin am 22.03.2015. Von da an bezog sie Mutterschaftsgeld von ihrer Krankenkasse sowie einen Arbeitgeberzuschuss nach § 14 des Mutterschutzgesetzes, und zwar bis 03.07.2015.

Am 27.05.2015 beantragte die Klägerin die Bewilligung von Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate von H. (03.05.2015 bis 02.05.2016). Sie gab an, sie werde im Bezugszeitraum keiner Erwerbstätigkeit nachgehen und keine Einkünfte haben.

Mit Bescheid vom 16.06.2015 bewilligte der Beklagte der Klägerin unter dem Vorbehalt des Widerrufs Elterngeld antragsgemäß für die Lebensmonate eins bis zwölf von H.. Die monatlichen Leistungen betrugen im ersten Lebensmonat Null, im zweiten 158,40 EUR und in den übrigen 1.187,89 EUR. Als Bemessungszeitraum zog der Beklagte den Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt heran; wegen des Bezugs von Mutterschaftsgeld vor der Geburt ermittelte er insoweit den Zeitabschnitt März 2014 bis Februar 2015. Der Beklagte errechnete ein Elterngeld-Netto von m...

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