Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungsrecht: Abgrenzung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH und treuhänderischer Verwaltung des Gesellschafteranteils

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Beschäftigteneigenschaft eines Alleingesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH, der den GmbH-Geschäftsanteil als Treuhänder hält.

Im Wirtschaftsleben bestehen mannigfaltige Diskrepanzen zwischen den Akteuren, die von der arbeitnehmerspezifischen Weisungsunterworfenheit deutlich unterschieden werden müssen.

Zur Divergenz der Rechtsprechung zur Beschäftigungseigenschaft zwischen dem 12. Senat des Bundessozialgerichts und den für die Arbeitsförderung zuständigen Senaten.

 

Orientierungssatz

1. Auch wenn ein Geschäftsführer, der zugleich Alleingesellschafter der als GmbH organisierten Gesellschaft ist, die Gesellschaftsanteile in einem Treuhandverhältnis für einen Dritten hält, ist bei der Beurteilung der Sozialversicherungspflicht des Beschäftigungsverhältnisses grundsätzlich von der gesellschaftsrechtlichen Stellung auszugehen und deshalb eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu verneinen. Eine andere Beurteilung ist ausnahmsweise dann geboten, wenn aufgrund der Ausgestaltung des Treuhandverhältnisses der Treugeber zu Weisungen in Bezug auf die Unternehmensführung befugt ist, die der Treuhänder gesellschaftsrechtlich nicht abwenden kann.

2. Einzelfall zur Beurteilung des sozialversicherungsrechtliches Status eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH bei Wahrnehmung der Gesellschafterrolle als Treuhänder (hier: selbständige Tätigkeit trotz Treuhandverhältnis bejaht).

Zum Leitsatz 2: vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 - B 12 R 1/15 R und BSG spätestens durch das Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 29. März 2012 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft die Gewährung von Arbeitslosengeld (ALG). Problematisch ist die Erfüllung der Anwartschaftszeit. Dabei kreist alles um die Frage, ob und wie lange der Kläger innerhalb der Rahmenfrist als gegen Arbeitsentgelt Beschäftigter in der Arbeitsförderung versicherungspflichtig war.

Der 1967 geborene Kläger war vom 01.09.2006 bis 31.10.2008 bei der Fa. W. als Prokurist und Managing Director beschäftigt (durchschnittliches Bruttomonatsgehalt von November 2007 bis einschließlich Oktober 2008 18.448,26 EUR). In der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2015 hat er sich dahin eingelassen, er habe diese Tätigkeit aufgegeben, weil er der Arbeit müde gewesen sei. An anderer Stelle hat er von einem Burnout und doppeltem Bandscheibenvorfall gesprochen. Eine Arbeitsbescheinigung der Fa. W. vom 02.12.2009 besagt, das Arbeitsverhältnis sei am 23.09.2008 zum 31.10.2008 durch die Arbeitgeberin gekündigt worden. Die Kündigung sei aus betrieblichen Gründen erfolgt. Der Kläger habe Kündigungsschutzklage erhoben.

Zeitnah zum Verlust des Arbeitsplatzes bei der Fa. W. bahnte sich die hier umstrittene Tätigkeit des Klägers als Alleingesellschafter und -geschäftsführer der Fa. D. S. (D) GmbH an. Nach dessen Schilderung lernte er seinerzeit die chinesische Unternehmerin M. H. (MH) kennen. Deren Firma (Y. - im Folgenden: Y) stellte in China hochwertige Möbel beziehungsweise Stilmöbel her. MH wollte ein europa- oder weltweites Vertriebssystem aufbauen. Diese Aufgabe sollte - auf welche Weise auch immer - der Kläger wahrnehmen. Nachdem MH seine Gehaltsvorstellungen akzeptiert hatte, kam es bereits kurz danach zur Gründung der D GmbH.

Wie sich aus der Urkunde des Notars Dr. G., M-Stadt, vom 10.10.2008 ergibt, errichtete der Kläger an diesem Tag die Firma D GmbH, gleichzeitig wurde er zum Geschäftsführer bestellt. Gegenstand des Unternehmens waren Import und Export sowie der Vertrieb und Service von Handelswaren. Die Bestellung zum Geschäftsführer erfolgte im Rahmen einer "ersten Gesellschafterversammlung" im Rahmen des Notartermins. Die Stammeinlage der D GmbH von 25.000 EUR übernahm der Kläger. MH, die beim Notartermin nicht zugegen gewesen war, zahlte die Stammeinlage in bar ein. Der Kläger seinerseits führte der D GmbH zu keiner Zeit privates Kapital zu.

Mit weiterer notarieller Urkunde des Notars Dr. G. vom 10.10.2008 schloss der Kläger handelnd im eigenen Namen sowie als vollmachtloser Vertreter für Frau N. S. (NS), Kauffrau, wohnhaft in S. (Niederlande), vorbehaltlich deren Genehmigung einen Treuhandvertrag. NS ist Tochter von MH. Die besagte Genehmigung wurde von MH unterschrieben, ohne dass ein ausdrücklicher Hinweis auf eine Vertretung der NS erfolgte.

Gemäß dem Treuhandvertrag hielt der Kläger den vorbezeichneten Geschäftsanteil zu 25.000 EUR als Treuhänder für NS. Er verpflichtete sich, jede selbständige Verfügung über die treuhänderisch gehaltene Geschäftsbeteiligung an der Gesellschaft zu unterlassen, sich in...

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