Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristetes Arbeitsverhältnis eines Studenten

 

Leitsatz (amtlich)

Die Befristung des Arbeitsverhältnisses eines Studenten kann nicht mit dessen Interesse, seine Arbeitsverpflichtung mit den Anforderungen des Studiums in Einklang zu bringen, gerechtfertigt werden, wenn bereits die Kündigungsmöglichkeiten in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis sowie Umfang und Lage der Arbeitszeit dem Interesse des Studenten ausreichend Rechnung tragen (im Anschluß an Senatsurteil vom 10. August 1994 – 7 AZR 695/93 – AP Nr. 162 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).

 

Normenkette

BGB § 620

 

Verfahrensgang

LAG München (Urteil vom 06.05.1997; Aktenzeichen 6 Sa 1026/96)

ArbG München (Urteil vom 01.08.1996; Aktenzeichen 11 Ca 6138/96)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 6. Mai 1997 – 6 Sa 1026/96 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. März 1996.

Der Kläger ist Student und seit 1988 bei der Beklagten, die den F betreibt, als gewerblicher Arbeitnehmer auf der Grundlage befristeter Arbeitsverhältnisse beschäftigt, deren Dauer entsprechend der jeweiligen Sommer- bzw. Winterflugplanperiode jeweils fünf bzw. sieben Monate beträgt. Bei Abschluß der Arbeitsverträge wird die wöchentliche Arbeitszeit und die Schichtplaneinteilung der studentischen Arbeitnehmer neu vereinbart. Der letzte vom Kläger vorbehaltlos abgeschlossene Arbeitsvertrag vom 1. November 1995 galt für die Zeit vom 1. November 1995 bis zum 31. März 1996; das Recht zur vorherigen Kündigung sollte unberührt bleiben. Im Arbeitsvertrag war eine durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit von 18 Stunden vereinbart. Auf seinen Wunsch wurde der Kläger von der Beklagten für die Schichten montags und freitags von 18.00 Uhr bis 22.00 Uhr und von 22.30 Uhr bis 3.30 Uhr eingeteilt. Den anschließenden befristeten Arbeitsvertrag unterzeichnete der Kläger lediglich unter dem Vorbehalt, daß er nicht bereits aufgrund der Unwirksamkeit der Befristung des vorangegangenen Arbeitsvertrags in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehe.

Mit der am 16. April 1996 eingereichten Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung des Arbeitsvertrags vom 1. November 1995 zum 31. März 1996 geltend gemacht und beantragt

festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen des Arbeitsvertrags vom 1. November 1995 über den 31. März 1996 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Befristung des Arbeitsvertrags für rechtswirksam gehalten. Der sachliche Befristungsgrund liege darin, daß die Befristung dem Kläger die Möglichkeit gebe, sein Interesse an einem geregelten Studium mit den Anforderungen der Erwerbstätigkeit in Einklang zu bringen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses über den 31. März 1996 hinaus festgestellt. Für die Befristung des Arbeitsvertrags vom 1. November 1995 fehlte ein sachlicher Grund.

I. Die Vorinstanzen haben der Befristungskontrolle zutreffend den Arbeitsvertrag vom 1. November 1995 zugrunde gelegt, obwohl anschließend ein neuer befristeter Arbeitsvertrag für die Zeit vom 1. April bis zum 31. Oktober 1996 geschlossen wurde. Denn durch die klägerseitige Unterzeichnung dieses Arbeitsvertrags nur unter dem Vorbehalt, daß nicht ohnehin bereits ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestehe, und die Weiterbeschäftigung des Klägers durch die Beklagte trotz dieses Vorbehalts haben die Parteien zulässigerweise die Rechtsbedingung vereinbart, daß der für die Zeit vom 1. April bis zum 31. Oktober 1996 geschlossene Arbeitsvertrag nur gelten solle, wenn der vorangegangene Arbeitsvertrag vom 1. November 1995 rechtswirksam befristet worden war. Die Vereinbarung einer derartigen Rechtsbedingung ermöglicht nach ständiger Senatsrechtsprechung (vgl. z.B. BAG Urteil vom 30. Oktober 1987 – 7 AZR 115/87 – BAGE 57, 13 = AP Nr. 8 zu § 119 BGB, zu I 1 der Gründe, m.w.N.) die Überprüfung der Rechtswirksamkeit der Befristung des vorangegangenen Arbeitsvertrags, weil dieser im Fall der Unwirksamkeit der Befristung nach wie vor die alleinige Grundlage für die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien darstellt.

II. Der von der Beklagten allein geltend gemachte Sachgrund für die Befristung, dem Kläger die Harmonisierung seines Interesses an einem geregelten Studium mit den Pflichten in einem Arbeitsverhältnis zu ermöglichen, vermag die vorliegende Befristung nicht zu rechtfertigen. Zwar hat der Senat anerkannt (Urteil vom 4. April 1990 – 7 AZR 259/89 – BAGE 65, 86 = AP Nr. 136 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; vgl. auch die nicht veröffentlichten Senatsurteile vom 18. August 1982 – 7 AZR 353/80 – und vom 13. Februar 1985 – 7 AZR 345/82 –), die Befristung von Arbeitsverträgen mit Studenten, die neben ihrem Studium bezahlte Beschäftigungsmöglichkeiten suchten und die ihre Erwerbstätigkeit aber immer wieder den wechselnden Erfordernissen ihres Studiums anpassen müßten, sei im Arbeitsleben üblich und sachlich gerechtfertigt. Der Senat hat aber auch betont, daß die Befristung nur dann sachlich gerechtfertigt ist, wenn sie angesichts der Vertragsgestaltung erforderlich ist, um die Erwerbstätigkeit den immer wieder wechselnden Erfordernissen des Studiums anzupassen (Urteil vom 10. August 1994 – 7 AZR 695/93 – AP Nr. 162 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Wird hingegen diesem Interesse des Studenten bereits durch eine entsprechend flexible Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses Rechnung getragen, so kann die Befristung nicht auf den Gesichtspunkt der Anpassung der Erwerbstätigkeit an die Erfordernisse des Studiums gestützt werden.

III. Die Vorinstanzen haben ihrer Entscheidung diese neuere Senatsrechtsprechung zugrunde gelegt und zutreffend erkannt, daß im Streitfall die Befristung des Arbeitsvertrags vom 1. November 1995 nicht erforderlich war, um die Erwerbstätigkeit des Klägers den Erfordernissen seines Studiums anzupassen.

1. Der Kläger arbeitete lediglich an zwei Tagen in der Woche in der Nachtschicht von 18.00 Uhr bis 22.00 Uhr und von 22.30 Uhr bis 3.30 Uhr. Das Landesarbeitsgericht hat dies nachvollziehbar und rechtsfehlerfrei dahingehend gewürdigt, daß damit die Erwerbstätigkeit des Klägers den Erfordernissen seines Studiums bereits durch die Ausgestaltung seiner Arbeitszeit hinsichtlich Lage und Dauer angepaßt gewesen sei. Da der Kläger mithin durch seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nur in einem für die Durchführung seines Studiums unerheblichen Umfang gebunden gewesen sei, habe es von seinem Standpunkt aus nicht noch zusätzlich einer Befristung des Arbeitsverhältnisses bedurft.

2. Diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist rechtsfehlerfrei. Mit ihrer Darlegung, auch die Arbeitszeit des Klägers sei geeignet, ihn in seinem Studium zu beeinträchtigen, versucht die Revision lediglich, ihre eigene Beurteilung an die Stelle derjenigen des Landesarbeitsgerichts zu setzen. Einen Rechtsfehler zeigt sie damit nicht auf. Soweit die Revision weiter meint, auch bei feststehender Lage und Dauer der Arbeitszeit könnten sich Konflikte mit den Pflichten im Studium durch Veränderungen des Studienplans ergeben, übersieht sie, daß dem Studenten die Möglichkeit verbleibt, seinerseits zu kündigen. Es ist auch insoweit nicht ersichtlich, daß der Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrags anstelle eines unbefristeten Arbeitsvertrags den speziellen Bedürfnissen des Studenten Rechnung trägt.

3. Der weiteren Ausführungen des Landesarbeitsgerichts, ein sachlicher Befristungsgrund habe auch nicht in der fehlenden Planungsmöglichkeit der Beklagten über eine Flugplanperiode hinaus gelegen, bedurfte es nicht, weil sich die Beklagte als Befristungsgrund nicht auf betriebliche Notwendigkeiten, sondern ausschließlich auf ein angebliches Interesse des Klägers an der Befristung berufen hat.

 

Unterschriften

Dörner, Schmidt, Steckhan, Knapp, Herbst

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 29.10.1998 durch Siegel, Amtsinspektorin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 436098

BAGE, 103

BB 1999, 962

DB 1999, 964

DStR 1999, 1370

NWB 1999, 1537

ARST 1999, 145

EWiR 1999, 637

FA 1999, 204

JR 1999, 83

NZA 1999, 990

RdA 1999, 358

ZTR 1999, 329

AP, 0

AuA 2000, 231

MDR 1999, 811

ZMV 1999, 242

RdW 1999, 404

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge